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Heidelberger Volksblatt (18) — 1885

DOI Kapitel:
Nr. 141 - Nr. 152 (2. Dezember - 30. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44621#0582

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Wolke des finſterſten Haſſes, überſchattete ihr Geſicht, als
ſie fortfuhr: „Ich will Ihnen ſagen, aus welchem
Grunde ich dieſer Heirath Einhalt zu thun wünſche —
weil ſie — dieſe — den jungen Dornton leidenſchaftlich liebt,
als ihr Leben, mehr als ihren Rang, ihre Reichthümer, mehr
als alle Schätze der ganzen Welt; weil der Verluſt aller
dieſer anderen Dinge als nichts erſcheinen würde, wenn fie
ihn als Gatten haben kann, und weil mein Herz mit Gier
danach verlangt ihr das Liebſte und Wertheſte zu entreißen.
Es würde nur ein halber Troſt ſein, ihre Beſitzungen zu
rauben, ich muß ihr Alles nehmen, was ihr das Leben le-
benswerth macht, und dann kann ich ruhig die Augen ſchließen!
Denn ich haſſe ſie — haſſe ſie — haſſe ſie!“
„Bei Jehova!“ murmelte Daws für ſich. „Und wann
ſoll denn dieſe Heirath ſtattfinden?“ fragte er dann laut.
Die Frage brachte Babetten wteder zu ſich, und nur
ungern, wie es ſchien, rief ſie ihre Gedanken von denjenigen
ihrer zu ſtillenden Rache zurück.
„Ach, das iſt es ja eben,“ ſtieß ſie hervor — „das iſt
meine Verzweiflung, meine Angſt, mein Elend! Die Hoch-
zeit findet am 18 d. M. ſtatt, und heute haben wir ſchon
den 13.! Nur noch fünf Tage und ſie wird ſein Weib
ſein, und die Hälfte meiner Rache wird hierdurch zur Un-
möglichkeit werden! Meine ganze Seele ſchmachtet danach,
ihr das tiefſte Weh zuzufügen!“
„Dieſen Theil Ihres Projectes, fürcht' ich, werden Sie
aufgeben und ſich damtt begnügen müſſen, ſie von ihrem
hohen Piedeſtale herunterzuſtoßen. Wenn Sir Geoffrey nicht
noch heute auftaucht, oder ſpäteſtens morgen, ſo können wir
die uns erforderliche Nachricht nicht mehr zur rechten Zeit
erhalten, um ihrer Verheirathung ein Hinderniß in den Weg
zu legen. Es thut mir leid. Ihre ſüßeſten Hoffnungen zu
vereiteln, aber ich glaube, die Hochzeit wird Ihrem Wunſche
entgegen, dennoch ſtattfinden, Mamſell.“

Babette ſah ganz angegriffen und abgemattet aus, als

ſie um 3 Uhr die Station Mallinford erreichte. Gleich-
giltig und theilnahmlos gegen Alles, ſchlich ſie über den
Perron nach dem Wagen, der dort ihrer harrte — denn
vom nächſten Bahnhofe bis nach Mallingford Park war es
noch eine Entfernung von einer guten Meile. Gerade als
ſie ſich neben dem Groom ſetzen wollte, nachdem ſie das
Packet koſtbare Spitzen — der vorgebliche Zweck ihrer Reiſe
— wohl untergebracht, hörte ſie hinter ſich Jemand nach
einem Wagen erkundigen, der nach Mallingford Park fahren
könnte.
Sie wandte ſich, um den Sprechenden anzuſehen, und
einen Moment blieb ſie wie angewurzelt und ſtarrte auf einen
hohen, vornehm ausſehenden Herrn, allem Anſchein nach ein
hoher Fünfziger, welcher ein liebliches Mädchen von vielleicht
achtzehn Jahren am Arme führte. In dieſem erkannte ſie
ſogleich die junge Dame, welcher ſie auf Befehl ihrer Gebie-
terin vom Muſeum nach ihrer Wohnung hatte folgen und
deren Namen von den ſie umwohnenden Kaufleuten hatte
auskundſchaften müſſen.
darauf Miß Malling ihr einen Brief mit der Adreſſe dieſer

Dann fiel ihr auch ein, daß kurz

Dame zur Beförderung nach der Poſt übergeben hatte.
Beiter erinnerte ſie ſich, daß ihr einige Tage ſpäter ein
Brief von Dornton an dieſelbe Dame vor die Augen gekommen
und ohne ſich ſelbſt darüber Rechenſchaft geben zu können,
brachte ſie deren Erſcheinen in Mallingford mit jenen Brie-
fen in Verbindung, und damit loderte plötzlich eine wilde
Hoffnung in ihrem Herzen auf, daß dieſer ältliche Ariſtokrat
und ſeine Tochter vielleicht Einfluß gegen Miß Mallings
Heirath geltend zu machen vermochten.
Babette gelangte bald nach Hauſe. Sie kleidete ſich um
und ging nach Miß Mallings Boudoir im Erdgeſchoß hin-
unter unter dem Vorgeben, über ihre beſorgren Einkäufe
Bericht zu erſtatten, in Wahrheit jedoch in der Abſicht, in
der Nähe der Empfangsräume herumzuſchleichen und bei der
Begegnung zwiſchen Miß Malling und den Mallets zugegen
zu ſein und — wenn irgend möglich — die ganze Unter-
redung mit anzuhören.
Die Fenſter des Boudoirs hatten die Ausſicht auf eine
ziemliche Strecke der Hauptaufffahrt. Als Babette dieſes Ge-
mach betrat, fand ſie dasſelbe leer. Sie ſtellte ſich ſo, daß
ſie die Ankunft des Wagens von der Seite des Dorfes her
ſehen konnte. Sie ſah denſelben die Allee herauffahren und
an der Rampe des Haupteinganges halten. Dann ging ſie
nach der Halle und that, als ſuche ſie nach einem beſonderen
Shawl unter den zahlloſen Umhängen, die dort aufgethürmt
lagen. Der Portier war aus irgend einem Grunde nicht
auf ſeinem Poſten, und ein ungeſchulter Bedienter gab Mr.
Mallet den Beſcheid, daß Miß Malling nicht zu Hauſe ſei.
Babette trat, in Beſorgniß, daß ihre von dieſer Seite
erhoffte Hilfe mit dem Weggehen dieſer Perſonen wieder in
Nichts entſchwinden könnte, ganz dreiſt vor. ö
„Meinen Sie recht zu handeln, indem Sie Miß Malling
vor dieſem Herrn verleugnen, Philipp?“ fragte ſie leiſe. „Ich
glaube, Sie haben ein Verſehen begangen.“ ö
Der junge Menſch verneigte ſich vor der höheren Auto-
rität des Kammermädchens und überließ die Angelegenheil
ihren Händen. Babette wandte ſich nach Mr. Mallet um.
V Wenn Sie mir freundlichſt folgen wollen, Monſieur,
ſo werde ich nachſehen, ob Miß Malling von ihrer Ausfahrt
zurückgekehrt iſts..
Sie führte die Herſchaft nach dem Boudoir, verharrte
außen einen Moment in Gedanken und dann flog ſie nach
der Bildergallerie. Wie ſie erwartete, fand ſie hier Jack und
Miß Malling in einer tiefen Fenſterniſche am fernſten Ende.
Sie meldete: ö ö
„Mr. und Miß Mallet ſind in Ihrem Boudior, Made-
moiſelle!ꝰ ö *
PVanline ſchnellte von ihrem Seſſel in die Höhe und ſtierte
Babetten an, als wäre dieſe eine Botin aus einer andern
Welt. „Sir Gevffrey“ lag ihr ſchon auf den Lippen, aber
noch zur rechten Zeit beſann ſie ſich, daß ſeine Indentität
nur ihr allein bekannt war, und mit einer gewaltigen An-
ſtrengung drängte ſie den Ausruf zurück. 1
VIch bin für Niemand zu Hauſe“, herrſchte ſie dem

Mädchen zu. „Den Befehl hatte ich bereits gegeben..
 
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