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Heidelberger Volksblatt (18) — 1885

DOI Kapitel:
Nr. 50 - Nr. 61 (1. Mai - 29. Mai)
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— I.

8. Jahrg.

— urſqhint jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Preis monatlich 36 Pf. Einzelne Nummer à 6 Pf. Man abonnirt beim

Verleger, Schifigaſſe 4 und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

In Untreue treu.
Roman von Helene Stötl.
Sortſetzung )/ —

Er blickte die über dieſe unvermuthete Wendung Be-

troffenen triumphirend an. „Verſuchen Sie nur keinen

Widerſpruch. „In den Sternen ſtehr's geſchrieben, und
Ihnen bleibt nichts übrig, als ſich zu fügen.“

„Ich fürchte, ich werde den Sternen Unrecht geben

müſſen,“ nahm Bach das Wort, „ſo verlockend Ihr Vor-
ſchlag iſt. Ich kann über die nächſte Zeit nicht frei ver-
fügen, am Erſten kommenden Monats muß ich unbedingt
in G. ſein.. —
„„In G.? Das könnte ſich ja gar nicht beſſer treffen!
Hören Sie meinen Plan. Wir fahren mit der Eiſenbahn
bis mitten in die Berge hinein, dann aber biegen wir von
der großen Route ab und fahren auf's Geradewohl in die
Ichöne Welt hinein. Hier einen Berg beſteigend, dort einen
Waſſerfall, eine alte Ruine, ein freundliches Thal auffuchend,
durchreiſen wir das Land kreuz und quer, bleiben, wo es
uns gefällt, richten es aber dabei ſo ein, daß wir uns all-
mählich G. nähern und am Erſten kommenden Monats be-
quem dort ſein können. Iſt dann die Trennung nicht mehr
aufzuſchieben, nun, ſo gehen wir auseinander und nehmen
die Erinnerung an die gemeinſam verlebten, frohen Reiſe-
tage als köſtliches, unvergängliches Andenken mit uns fort.
Auf Sie rechne ich alſo in jedem Falle“ — er ſtreckte Bach
ſeine Hand entgegen, in welche dieſer kräftig einſchlug. „Und

nun zu Ihnen, werthe Frau Pathin. Auch Sie müſſen

mit uns, um für die nächſten Wochen Bergluft zu athmen

und Sonnenſchein zu trinken, das iſt Schickſalsſpruch. Laſſen

Sie mich alſo nicht lange vergeblich bitten..
„Das ſollen Sie auch nicht,“ entgegnete dieſe. „Ich
gehe mit, wenn Sie mich mitnehmen wollen, ja, ich möchte

Sie ſogar bitten, noch Jemand an der Reiſe theilnehmen

zu laſſen. Sie begegnete lächelnd den auf ſie gerichteten
Blicken. „Wollten Sie nicht auch Andrä mitnehmen. Der

arme Burſche iſt in der letzten Zeit ganz ſchwermüthig ge-
worden, vielleicht, daß die heimathlichen Berge ihm neue
fich uns als Führer und
ö Herzen auseinander zu reißen.

Lebensluſt geben. Er könnte
Träger nützlich machen·

. ver ſuoll uns ein herzlich willtommener Reisegeführte
ſein,“ rief Horand, in ſeiner Freude bald dem Einen, bald
dem Andern die Hand drückend. „Was ſagſt Du zu dieſem

„Und Bach und Frau Forejaꝰ ö
des Einen und das verſchleierte Auge der Anderen, wenn
glühendes Erröthen und verſtohlenes Lächeln, wenn die Un-

Erfolge meiner Beredtſamkeit, Agnes? So kommen alſo

O, Frauchen, dieſe vierzehn Tage ſollen vierzehn Tage des
Glückes für uns werden!“

„Vierzehn Tage des Glückes!“ ſagte Bach, den Blick
gedankenvoll zur Erde gerichtet, leiſe vor ſich hin. „Kann
ich ſie voll und rein genießen, ſo will ich nicht klagen, wenn
auch mein übriges Leben nur Enttäuſchung und Bitterkeit
für mich haben ſollte.“ * ö
„Vierzehn Tage des Glückes!“ bebte es auch in Frau
Foreja's Seele wieder. „Vierzehn Tage des Glückes, ich
will ſie genießen von Herzensgrund, dann möge kommen,
was da kommen muß.“ —
„Und dieſe vierzehn Tage hielten, was Jeder ſich von

ihnen berſprochen. O, über dieſes Wandern durch den

tiefen Wald, die dämmernden Wipfel über den Häuptern,
zu den Füßen Farrenkräuter und ſchwellendes Moos, dies
Raſten am ſtäubenden Waſſerfalle, wo die ſprühenden
Tropfen ſich wie Perlen in die Haare der Reiſenden hingen,
das Streifen über die ſonnige Berghalde, wo das Haide-
kraut ſeinen bunten Teppich breitet und die Ebereſche ihre
rothflammenden Beerenbüſchel zwiſchen dem dunklen Laube
herorleuchten läßt, dies Steigen und Klimmen zur ſteilen
Bergeshöhe, wenn der kühle Wind über die heiße Stirn
ſtreicht und jeder Schritt die Seele weitet, bis ſie meint,
ſich nur aufſchwingen zu dürfen, um die Erde hinter ſich
zu laſſen und eins zu werden mit dem ſonnenglänzenden
Aether über ſich! ö ö
„Wenn dieſe Erde nur ein Fußſchemel Gottes iſt, wie
mag der Glanz an ſeinem Throne ſein?“ ſo tönte es oft
von Horand's Lippen, wenn er, ſeine Frau am Arme, vom
Bergesgipfel hinab in die Wunder der Alpenwelt blickte.
Sie, die das Glück ſeit vielen Jahren nur als füßen Kern
der bitteren Schale der Sorge und des Kummers gekannt
hatten, ſie fühlten ſich jetzt oft faſt überwältigt von der
vollen, reinen Seligkeit dieſer Tage. Sie verlebten einen
Liebesfrühling, wie er ihnen ſelbſt damals, als ihre Herzen
ſich zu erſten Mal fanden, kaum ſo wonnig beſcheert worden

war. Was als ſüße Ahnung damals in ihnen lebte, war

jetzt zur holden Erfüllung geworden, und in ſeliger Ge-
wißheit fühlten Sie, daß nichts, was das Leben an Glück
oder Unglück ihnen noch bieten könne, ſtark genug ſei, ihre

Wenn die heißen Blicke
 
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