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Heidelberger Volksblatt (18) — 1885

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Nr. 102 - Nr. 114 (2. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44621#0452

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an eine „Firma“ für 2000 Mark Spielwaaren geliefert,

für welche der Wechſel proteſtirt zurückgekommen. Er wollte
den Schwindler ausfinden, und dieſer ſelbſt führte den Ge-
foppten drei Tage lang in London herum und ließ ſich gut

dafür bezahlen, ohne natürlich den Geſuchten zu finden!“
Es iſt betrübend, die Mengen von Waaren zu ſehen,
die dort erſchwindelt und verſchleudert werden. Wie oft mag

das Wohl und Wehe eines emporſtrebenden jungen Fabrikanten

an dieſen Erzeugniſſen ſeines Fleißes und ſeiner Mühe
hängen! Aber wer nicht hören will, muß fühlen. Die Preſſe
kann nichts weiter thun, als warnen.

Ueber das Thierleben in Weſt⸗Afrika

ſchreibt Hugo Zöller in der „Köln. Zeit.“: Es dürfte wohl
am Platze ſein, einige allgemeinere Bemerkungen über die
jagdbaren Thiere unſerer weſtafrikaniſchen Kolonien folgen
zu laſſen. De Brazza will bei Stanley⸗Pool am Konko
ein Löwenfell geſehen haben. Es iſt mir jedoch nicht bekannt
geworden, daß irgendwo an der Küſte jewals ein Löwenfell
zum Verkauf ausgeboten worden wäre. An der ganzen
weſtafrikaniſchen Küſte kommt der Löwe, der die Savannen
dem Waldlande vorzieht, nicht vor, während er einige Hun-
dert Kilometer landeinwärts, wie man aus den Erfahrungen
der Reiſenden und den Ausſagen der Eingeborenen ſchließen
kann, unzweifelhaft anzutreffen ſein würde. Von den großen
Rieſenthieren, die doch immer unſere Einbildungskraft am
meiſten beſchäftigen, wird der Reiſende in Weſtafrika am
leichteſten Krokodile und nächſtdem Flußpferde oder ganz
anthropoide Affen, oder Elephanten bloß in ſeltenen Aus-
nahmefällen zu ſehen bekommen. Leoparden kommen, wie
man nach den bisweilen zum Kaufe angebotenen Fellen
ſchließen kann, zwar vor, ſcheinen aber äußerſt ſelten zu ſein
und haben außerdem die Gewohnheit, ſich ängſtlich verſteckt
zu halten. Anthropoide Affen werden an der Küſte zwiſchen
Kamerun und Landano (Loangoküſte) angetroffen. Wie weit

ihr Verbreitungsgebiet ſich ins Innere erſtreckt, iſt noch

unbekannt. Daß es landeinwärts von Kamerun und auch
in den landeinwärts gelegenen Theilen des Kamerun⸗Ge-
birges anthropoide Affen gebe, iſt mir von den Eingeborenen
auf das Beſtimmteſte verſichert worden. ö
Fledermäuſe ſind ſehr häufig, aber fliegende Hunde
kommen in Weſtafrika nirgendwo in jenen rieſenhaften, an
vorſündfluthliche Zeiten erinnernden Exemplaren vor, wie
ſie auf Java und Sumatra den Reiſenden in Erſtaunen
ſetzen. Krokodile ſind in den von Mongrovebuſch umſtandenen

zahlloſen Creeks des Mündungsdeltas von Kamerun eben

ſo ſelten, wie man ſie weiter flußaufwärts in den nicht allzu

belebten Seitenkanälen der Flüſſe antrifft. Elephanten kom-

men wohl nirgendwo in ganz Afrika noch ſo dicht an die
Küſte heran, wie gerade hier — eine Thatſache, die nicht

ausſchließt, daß die bei weitem überwiegende Mehrzahl aller
in Kamerun lebenden Europäer niemals einen Elephanten

haunt Maucher, der nicht gerade Jäger iſt, ziemlich falſchr-
Vorſtellungen von Dem, was ein Reiſender im afcitauiſhen
Urwald zu ſehen bekommt. Ein gewiſſes intereſſantes Ge-
heimniß umwebt das Leben und Treiben der wilden Be-
wohner des Waldes, und wen nicht etwa der Zufall be-
günſtigt oder wer ihnen nicht mit großem Auſwand von
Scharffinn bei der Tränke oder auf ihren nächtlichen Weide-

gängen aufzulauern verſteht, der wird nur ſelten oder nie-

mals mit ihnen zuſammentreffen. Erzählt man dann in

Europa der Wahrheit entſprechend, daß man ein halbes

Jahr in Indien gelebt habe, ohne einen Tiger, oder in

Nordamerika ohne einen Büffel geſehen zu haben, ſo iſt
man in der Achtung jener zahlreichen Leute, die lieber ge-
täuſcht ſein wollen, als ſie die Wahrheit hören, ſofort um
viele, viele Stufen geſunken. Beſſer noch, man ſagt: „Ja
wohl, denken Sie nur, auf fünf Schritt Entfernung habe
ich einem der größten Löwen von Afrika gegenübergeſtanden.“
6559. Himmel, wo war denn das?“ — „Im Zoologiſchen
arten.“ ö

(Eine gute Antwort) gab ein Karlsbader Arzt
jüngſt einer allzu „eingebildeten“ Kranken. Eine Dame,
die den Namen eines der vornehmſten öſterreichiſchen Adels-
geſchlechter trägt, wandte ſich an einen hiefigen Arzt und-
bat ihn, ihre bevorſtehende Ankunft anzeigend, ihr eine paſ-
ſende Wohnung zu beſtellen. Die Dame kam an, fand die

Wohnung reizend, dankte dem Doctor und erſuchte ihn,

täglich nach ihrem Befinden zu ſehen. In der darauf fol-
genden Nacht, kurz vor Mitternacht, wird der Arzt geweckt;
die Gräfin läßt durch ihren Kammerdiener den Herrn Dor-
tor bitten, ſofort zu ihr zu kommen. Der Arzt kleidet ſich

raſch an und folgt dem Rufe, nicht ohne Beſtürzung darü-

ber, daß ſich bei der Patientin unmittelbar vor dem Be-
ginn der Cur ſo unliebſame Ueberraſchungen einſtellen. Er
findet die Dame im tiefſten Deshabill6, wie eine Wahnſin-
nige auf und ab rennend; als ſie den Arzt erblickt, ſtürzt.
ſie in größter Aufregung auf ihn zu: „Herr Doctor“,
ruft ſie ganz außer ſich, „das iſt nicht auszuhalten; um

halb zehn Uhr ging ich zu Bette, jetzt iſt's bald zwölf und
ich konnte noch kein Auge ſchließen.“

„Beruhigen Sie ſich,
Frau Gräfin,“ ſagte der Arzt, nach der Hand der Dame
greifend, um ihr den Puls zu fühlen, wir müſſen vor Al-
lem über den Grund dieſer Exaltation in's Klare kommen.“

„Ach, den kann ich Ihnen ſogleich ſagen, hören. Sie doch

einmal ſelber, wie mein Zimmernachbar ſchnarcht, ſoll da
ein Menſch ſchlafen können?“ Nun ſtieg dem Doktor das
Blut zu Kopfe. Er ließ die Hand der Dame fahren, griff
nach ſeinem Hute und ſagte, ſeine Entrüſtung niederkämpfend:
„Frau Gräfin, ich habe die Ehre Ihr Arzt zu ſein, wenn
Sie ſchnarchen und Ihnen dies unangenehm iſt, würde ich-

darüber nachdenken, ob ich Ihnen ein Mittel dagegen an-

rathen kann; wollen Sie aber, daß Ihr Nachbar nicht

ſchnarcht, dann müſſen Sie ſich gefälligſt an ſeinen Arzt:
wendernn ö

in der Wildniß geſehen hat. In Europa macht ſich über-

Drnd, Berlag und für die Redaktion verautwortlich: G. Geiſendörfer. —
 
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