VIII. DIE ILLUSTRATIONEN IN DEN ANTIQUARISCHEN WERKEN
Die antiquarischen Forschungen in der Renais-
sance waren anfangs ausschließlich philologisch
ausgerichtet. Die Aufmerksamkeit, die Flavio
Biondo und seine Nachfolger den materiellen
Überresten des antiken Rom schenkten, änderte
daran kaum etwas. Viele Antiquare nahmen die
antiken Denkmäler lange Zeit nicht zur Kenntnis;1
so wurde auch dem Bild als möglicher Erkennt-
nisquelle eine gänzlich untergeordnete Rolle zu-
gewiesen.2 Die Leistung dieser nur philologisch
arbeitenden Antiquare (z. B. Bude, Bai’f) bestand
darin, daß sie mit ihren Textwerken die für die
nachfolgenden Untersuchungen relevanten
Quellen erschlossen haben und damit u. a. die
Voraussetzungen schufen, daß Figuren und Realia
auf den Denkmälern identifiziert und mit den ent-
sprechenden, in den Textquellen gefundenen
Begriffen benannt werden konnten.
1. Zur Zuverlässigkeit
antiquarischer Illustrationen
Um 1530/40 kommen die ersten gedruckten
Abbildungen in antiquarischen Abhandlungen
auf.3 Der dokumentarische Wert der Drucke ist
unterschiedlich, er differiert je nach Gattung.
Denn Drucke können sowohl zur Dokumenta-
tion benutzt werden als auch künstlerisch gestal-
tet sein, sie besitzen daher keine fotografische
Zuverlässigkeit.4 Bedingt durch den Entstehungs-
prozeß eines Stichs - es ist eine ganze Reihe von
Personen vom Zeichner über den Stecher bis hin
zum Drucker beteiligt -, kann der ursprüngliche
Entwurf des Zeichners vielfache Veränderungen
erfahren, so beispielsweise durch das Weglassen
oder Ergänzen einzelner Körperteile oder Stützen
in den statuarischen Werken (Abb. 80),5 weil deren
Zweck dem Stecher nicht bekannt ist. Restaurie-
rungen werden nicht angezeigt, da sie vielleicht
schon für den Zeichner als solche nicht zu erken-
nen sind oder der Stecher auf eine ältere Vorlage
zurückgreift (Abb. 84).6 Zuweilen wird aus
Prestigegründen auf eine getreue Wiedergabe der
Münzen verzichtet, und Statuen werden ergänzt
abgebildet. Landschaftliche Gegebenheiten werden
in den Romveduten verändert, um ihnen ein ro-
mantisches Gepräge zu verleihen. Weiterhin hängt
die Genauigkeit der Abbildungen auch vom
Zweck der Publikation ab: Sollen die Druckwerke
ein breites Publikum finden, wie z. B. die
Romguiden, sind die antiken Denkmäler meist
nur in illustrativer Absicht abgebildet worden. Sie
sind Vorlagen für »Bilderbücher« über die Antike,
deren Geschichte und Persönlichkeiten und wer-
den als Bilder gestochen (Abb. 27, 28); das
Monument, von dem sie stammen, bleibt in der
Abbildung meist unberücksichtigt. So kann sich
Fulvio Orsini mit seinen dokumentarisch sehr ge-
nauen Büstenabbildungen nicht durchsetzen, da
sie den Bedürfnissen des Publikums nach einer
zuverlässigen Wiedergabe des Aussehens einer
Person entgegenstanden. Weiterhin hängt die
Genauigkeit der Abbildung auch von der ver-
wendeten Drucktechnik ab: So wird in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts noch der sehr grobe
Holzstich verwendet, da Kupferstiche im
Zusammenhang mit einer Textpublikation noch
nicht brauchbar sind.7 Dieser ließ genauere
Unterscheidungen in der Abbildung nicht zu. Erst
zur Mitte des 16. Jahrhunderts wird der
Kupferstich in antiquarischen Werken verwendet,
so daß die Monumente nun genauer und detail-
lierter dargestellt werden können.
2. Die Schaubilder
In den antiquarischen Werken hat sich eine
Darstellungsweise entwickelt, die wohl aus einem
»Mangel« an authentischen Zeugnissen entstan-
den ist: Viele Monumente, Sitten und Gebräuche
waren durch die literarische Überlieferung be-
kannt, es ließen sich aber häufig keine umfassen-
den bildlichen Belege auf archäologischen
Denkmälern dafür finden. Für die Rekonstruk-
tion einer Abbildung werden daher einzelne
Figuren oder Gegenstände graphisch getreu aus
ihrem ursprünglichen Zusammenhang heraus-
gelöst und dann neu - entweder szenisch (Abb.
Illustrationen in antiquarischen Werken 183
Die antiquarischen Forschungen in der Renais-
sance waren anfangs ausschließlich philologisch
ausgerichtet. Die Aufmerksamkeit, die Flavio
Biondo und seine Nachfolger den materiellen
Überresten des antiken Rom schenkten, änderte
daran kaum etwas. Viele Antiquare nahmen die
antiken Denkmäler lange Zeit nicht zur Kenntnis;1
so wurde auch dem Bild als möglicher Erkennt-
nisquelle eine gänzlich untergeordnete Rolle zu-
gewiesen.2 Die Leistung dieser nur philologisch
arbeitenden Antiquare (z. B. Bude, Bai’f) bestand
darin, daß sie mit ihren Textwerken die für die
nachfolgenden Untersuchungen relevanten
Quellen erschlossen haben und damit u. a. die
Voraussetzungen schufen, daß Figuren und Realia
auf den Denkmälern identifiziert und mit den ent-
sprechenden, in den Textquellen gefundenen
Begriffen benannt werden konnten.
1. Zur Zuverlässigkeit
antiquarischer Illustrationen
Um 1530/40 kommen die ersten gedruckten
Abbildungen in antiquarischen Abhandlungen
auf.3 Der dokumentarische Wert der Drucke ist
unterschiedlich, er differiert je nach Gattung.
Denn Drucke können sowohl zur Dokumenta-
tion benutzt werden als auch künstlerisch gestal-
tet sein, sie besitzen daher keine fotografische
Zuverlässigkeit.4 Bedingt durch den Entstehungs-
prozeß eines Stichs - es ist eine ganze Reihe von
Personen vom Zeichner über den Stecher bis hin
zum Drucker beteiligt -, kann der ursprüngliche
Entwurf des Zeichners vielfache Veränderungen
erfahren, so beispielsweise durch das Weglassen
oder Ergänzen einzelner Körperteile oder Stützen
in den statuarischen Werken (Abb. 80),5 weil deren
Zweck dem Stecher nicht bekannt ist. Restaurie-
rungen werden nicht angezeigt, da sie vielleicht
schon für den Zeichner als solche nicht zu erken-
nen sind oder der Stecher auf eine ältere Vorlage
zurückgreift (Abb. 84).6 Zuweilen wird aus
Prestigegründen auf eine getreue Wiedergabe der
Münzen verzichtet, und Statuen werden ergänzt
abgebildet. Landschaftliche Gegebenheiten werden
in den Romveduten verändert, um ihnen ein ro-
mantisches Gepräge zu verleihen. Weiterhin hängt
die Genauigkeit der Abbildungen auch vom
Zweck der Publikation ab: Sollen die Druckwerke
ein breites Publikum finden, wie z. B. die
Romguiden, sind die antiken Denkmäler meist
nur in illustrativer Absicht abgebildet worden. Sie
sind Vorlagen für »Bilderbücher« über die Antike,
deren Geschichte und Persönlichkeiten und wer-
den als Bilder gestochen (Abb. 27, 28); das
Monument, von dem sie stammen, bleibt in der
Abbildung meist unberücksichtigt. So kann sich
Fulvio Orsini mit seinen dokumentarisch sehr ge-
nauen Büstenabbildungen nicht durchsetzen, da
sie den Bedürfnissen des Publikums nach einer
zuverlässigen Wiedergabe des Aussehens einer
Person entgegenstanden. Weiterhin hängt die
Genauigkeit der Abbildung auch von der ver-
wendeten Drucktechnik ab: So wird in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts noch der sehr grobe
Holzstich verwendet, da Kupferstiche im
Zusammenhang mit einer Textpublikation noch
nicht brauchbar sind.7 Dieser ließ genauere
Unterscheidungen in der Abbildung nicht zu. Erst
zur Mitte des 16. Jahrhunderts wird der
Kupferstich in antiquarischen Werken verwendet,
so daß die Monumente nun genauer und detail-
lierter dargestellt werden können.
2. Die Schaubilder
In den antiquarischen Werken hat sich eine
Darstellungsweise entwickelt, die wohl aus einem
»Mangel« an authentischen Zeugnissen entstan-
den ist: Viele Monumente, Sitten und Gebräuche
waren durch die literarische Überlieferung be-
kannt, es ließen sich aber häufig keine umfassen-
den bildlichen Belege auf archäologischen
Denkmälern dafür finden. Für die Rekonstruk-
tion einer Abbildung werden daher einzelne
Figuren oder Gegenstände graphisch getreu aus
ihrem ursprünglichen Zusammenhang heraus-
gelöst und dann neu - entweder szenisch (Abb.
Illustrationen in antiquarischen Werken 183