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Heidelberger Familienblätter — 1864

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No. 14 - No. 25 (3. Februar - 28. Februar)
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Heideiberger Tamilienblätter.

25. Sonntag, den 28. Februur 5.

Die Pſyche.

Von H. C. Anderſen.
(Schluß.)

„Das iſt ein Teufel, ein perſönlicher Teufel! ich ſah ihn heut!“
murmelte der Mönch. „Ich reichte ihm einmal einen Finger, er nahm
meine ganze Hand. — Nein,“ ſeufzte er, „das Böſe iſt in mir ſelbſt, und-
das Böſe iſt in dieſem Menſchen, aber er wird davon nicht geplagt, er geht
mit aufgerichteter Stirn, hat ſein Wohlbehagen; — und ich greife nach dem
Troſt der Kirche zu meinem Wohlſein! — Aber wenn das nur Troſt iſt!
Wenn hier Alles, wie die Welt, der ich entſchlüpfte, nur ſchöne Gedanken
ſind? Es iſt Betrug, wie die Schönheit der rothen Abendwolken, wie das-
wellenblaue Schöne der fernen Berge! Nahebei ſind ſie anders. Ewigkeit,
Du biſt wie der große, unendliche, windſtille Ocean, der uns winkt, ruft,
und mit Ahnungen erfüllt; und gehen wir hinaus, da ſinken wir, wir
verſchwinden — ſterben — hören auf zu ſein! — Betrug! fort! hinab!“
Und er ſaß ohne Thränen auf ſeinem harten Lager, in ſich ſelbſt.
verſunken, kniend — vor wem? Vor dem Steinkreuz, das in der Mauer
ſaß? Nein, die Gewohnheit ließ den Körper in dieſe Beugung niederſinken.
Je tiefer er ſich ſelbſt erkannte, deſto finſterer ſchien es ihm. „Nichts
drinnen, nichts draußen! Dieſes Leben verſpielt! Und dieſer Gedanken-
ſchneeball rollte, wuchs, zermalmte ihn — ſtrich ihn aus.
„Von dieſem nagenden Wurm in mir darf ich Niemand etwas ver-
trauen! Mein Gefangener iſt mein Geheimniß und laſſ' ich ihn entſchlüpfen,
bin ich der Seine!“
Und die Gotteskraft litt und ſtritt in ihm.
„Herr! Herr! rief er in ſeiner Verzweiflung aus, „ſei barmherzig,
gib mir Glauben! — Ich warf Deine Gnadengabe, meine Sendung für
dieſe Welt, von mir! Mir fehlte die Kraft, Du gabſt ſie mir nicht.
Unſterblichkeit, die Pſyche in meiner Bruſt — fort! hinab! — ſie ſoll wie
jene Pſyche, mein beſter Lebensſchein, begraben werden. — Niemals aus
dem Grabe erſtehen!“
Der Stern in der roſenrothen Luft leuchtete, der Stern, der zuverläſſig
verlöſchen und vergehen wird, während die Seele lebt und leuchtet, dieſer
zitternde Strahl fiel auf die weiße Wand, aber von der Herrlichkeit in
Gott, von der Gnade, von der ewigen Liebe, die in der Bruſt jedes Gläu-
bigen Oi ſchrieb er nichts dahin.
„Die Pſyche darin niemals ſterben? — Mit Bewußtſein leben? —
Kann das Unglaubliche geſchehen? — Ja! ja! Unbegreiflich iſt mein Ich.
Unbegreiflich Du, o Herr! Deine ganze Welt unbegreiflich! — Ein
Wunder von Macht, Herrlichkeit — Liebe!“
 
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