Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1864

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 38 (2. März - 30. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43185#0141

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Familienblätter..

V 35. Mittwoch, den 23. März 1864.

Der Hanusarzt.
Novelle von Auguſt Schrader.
(Fortſetzung.)

„Das wird geſchehen. Und nun antworten Sie mir, Urban.“
Der Arzt fragte flüſternd:
„Begeht Walburg bei der großen Abſpannung nicht ge ſchäftliche Ver-
ſehen
„Im Gegentheil; ich bewundere die Accurateſſe, mit der er arbeitet
Seine Briefe ſind kurz und bündig und die Aufträge, die er ertheilt, ſo
präcis, daß ein Irrthum nicht möglich iſt. Auch in der Wahl der zu
machenden Unternehmungen vergreift er ſich nicht; er nimmt die herrſchenden
Conjuncturen mit einem wunderbaren Scharfblick wahr. Dieſen Mittag.
will er ſelbſt, nach langer Zeit wieder einmal, die Börſe beſuchen.“
Der Doctor Martini drückte dem Correſpondenten die Hand und ging.
grüßend durch die Reihe der Commis. Als der Freund und Arzt vom
Hauſe trat er ohne Umſtände in das Cabinet. Walburg empfing ihn ernſt,
faſt verdrießlich; er ſah ihn fragend an, ohne die Feder aus der Hand zu
legen. Der Arzt ſchien dies nicht zu bemerken, er ſtellte Hut und Stock
in einen Winkel, rieb ſich die Hände und ſagte heiter:
„Freund Walburg, ich komme dieſen Morgen in einer Geſchäftsange-
legenheit zu Ihnen. Darum ſuche ich Sie in Ihrem Cabinete auf. Aber-
wie — ſind Sie krank?“ ö ö ö
„Nein, durchaus nicht“, antwortete ein wenig verlegen der Kaufherr.
„Sie ſehen bleich aus.“
„Ich habe in den letzten Nächten viel gearbeitet.“
„Alſo mehren ſich die Geſchäfte?“
„Maſſenhaft, maſſenhaft!“ rief Walburg. „Ich muß meine ganze
Energie aufwenden, um nicht in Rückſtand zu. gerathen. Doch bald wird
es überſtanden ſein, dann werde ich mir Ruhe gönnen. Ich beabſichtige
dieſen Sommer eine Reiſe nach der Schweiz und Italien zu machen.“
„Vortrefflich! Dazu kann ich als Arzt nur rathen. Verändertes
Klima, die Zerſtreuungen der Reiſe werden Ihnen wohlthun. Doch bleiben
wir bei der Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt.“
„Was iſt es ?“ fragte Walburg geſpannt.
„Ich kenne ſeit einem Jahre eine alte Dame aus Newyork, die in
unſerer Stadt ſtill und zurückgezogen von einer beſcheidenen Penſion lebt.
Sie iſt eine Deutſche und war in der neuen Welt verheirathet. Faſt den
ganzen Winter lag ſie krank und ich habe ſie behandelt. Madame Siebold
iſt eine brave, achtungswerthe Wittwe ...“
„Ich erlaſſe Ihnen die Empfehlung, lieber Doctor“, unterbrach ihn
 
Annotationen