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Heidelberger Familienblätter — 1864

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No. 77 - No. 90 (1. Juli - 31. Juli)
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— 356 —

„Wäre er von Adel, ſo würde ich ihn fordern und Genugthuung von
ihm verlangen,“ fügte er hinzu. „Meine Ehre verbietet mir dies.“
Die Dame trieb ihr Pferd wieder zur größeren Eile an, augenſcheinlich,
um dieſem Geſpräche auszuweichen. Sie erreichte ihren Zweck, denn ihr
Begleiter hatte Mühe, ſein Pferd neben dem ihrigen zu halten und das
ſchnelle Reiten machte eine weitere Unterhaltung läſtig.
Wie ſie ſchnell über die Hochebene dahinſprengte, machte ſie einen
imponirenden und intereſſanten Eindruck. Leicht und doch ſicher ſaß ſie
in dem Sattel, feſt ruhte der Zügel in ihrer Hand und das Pferd ſchien
zu wiſſen, daß ſie eine kühne und entſchloſſene Reiterin war. Sie war
eine große, ſchlank gebaute Geſtalt. Ihr Geſicht konnte man ſchön nennen,
die Formen deſſelben waren regelmäßig, ſogar edel, dennoch lag wenig
Feſſelndes in ihm. Die dunkeln Augen verriethen innere Leidenſchaftlichkeit
und doch ſprach zugleich ein Ueberwiegen, ja Alleinherrſchen des Verſtandes
aus und ihr fehlte deßhalb jene Anmuth und Weichheit des weiblichen
Charakters, welche vorzugsweiſe durch die Macht der milderen und zarteren
Empfindungen hervorgerufen werden. ö
Man ſah ihr an, daß ſie einer rückſichtsloſen Härte, die ſich durch
nichts von dem einmal geſteckten Ziele abbringen ließ, fähig war. Und in
Wirklichkeit entſprach der Charakter dieſer jungen Dame dieſen äußeren

Anzeichen.

Vielleicht hatten die Verhältniſſe, in denen ſie zum Theile aufgewachſen

war und jetzt lebte,
ohne Einfluß für ſie geblieben.

denſelben ſo herangebildet. Jedenfalls waren ſie nicht

CjFortſetzung folgt.)

Vermiſchtes.

Zu Aci Reale bei Catania in Sicilien
wurde in den jüngſten Tagen ein ſcheuß-
liches Verbrechen entdeckt. Vor ſieben Jah-
ren verlor ein gewiſſer Salvator Lanza ſeine
Frau, die ihm eine Tochter mit einem müt-
terlichen Erbe von 6000 Franken hinterließ.
Lanza verheirathete ſich wieder, und um die
6000 Fr. ſeiner Tochter bei ihrer Volljäh-
zrigkeit nicht herausgeben zu müſſen, machte
er dieſe aus dem Hauſe verſchwinden, unter
dem Vorwande, ſie ſei närriſch geworden
und er habe ſie in eine Heilanſtalt bringen
müſſen. Bald darauf hieß es, ſie ſei geſtor-
ben. Nach nunmehr ſieben Jahren *
durch Zufall das unglückliche Geſchöpf

dem unterirdiſchen Gewölbe eines dem Lanza

gehörigen unbewohnten Hauſes aufgefunden.
Aber in welchem Zuſtande! Völlig nackt
auf einem Koth- und Aſchenhaufen liegend,
voll Wunden, Beulen, Inſecten und Wür-
mern. Es war ein noch lebender Leichnam.
Seit ſieben Jahren lag das Opfer in dieſem

dunklen Raum; ihre tägliche Nahrung war

nichts als Brod und Waſſer.
ſofort in das Gefängniß abgeführt.

Lanza wurde

bedeckt werden mußte.

Noch

verdient erwähnt zu werden, daß das Ge—⸗
wölbe neben der Hauptkirche gelegen war,
daß man dort oftmals Weheklagen hörte und
auch die Geiſtlichen darauf aufmerſam machte,
dieſe aber von nichts wiſſen wollten.
(Aus der Geſchichte der Jeſuiten.) Der
Papſt Clemens XIV. decretirte am 21. Juli
177³3 durch ein Breve die Aufhebung der
Jeſuiten in allen Staaten der Chriſtenheit.
Er unterſchrieb hiermit ſein eigenes Todes-
urtheil. Schon in der Charwoche 1774 wirkte
das Gift in den Eingeweiden des energiſchen,
einſichtsvollen Mannes. Alle Gegenmittel
zeigten ſich erfolglos. Am 22. Sept. ſtarb
er. Der Körper war ſo durch das Pift zer-
ſtört, daß ſelbſt das Einbalſamireñ nichts
half. Die Haare fielen aus und die Haut
löste ſich vom Kopfe, ſo daß bei der Aus-
ſtellung der Leiche das Geſicht mit einer Maske
Die Geſchichte ſagt,
daß dem Papſt das Gift durch die Jeſuiten
beigebracht worden ſei. — Auf dieſen Leich-
nam ſchaut, ihr Fürſten und ihr Völker!

Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
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