Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1875

DOI Kapitel:
No. 18 - No. 26 (3. März - 31. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43706#0108

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
+E 1⁰0 —

beſſeren Sachverſtänbniß ſeine Vorſchläge erzwinge und
durchſetze.
ſchleunige Abhülfe. Wirklich erſchien ſchon zwei Tage
ſpäter der Oberingenieur Soldmann auf dem Bauloos
meines Vaters, und ließ, wie wir hörten, ſämmtliche be-
theiligte Grundſtücksbeſitzer im Gaſthof zu Madbach zu-
ſammenkommen, um mit ihnen über die Expropriation
zu unterhandeln. Was dort ausgemacht wurde, war
nicht zu erfahren. Jedenfalls aber war dem Oberingenieur
die Expropriation in Güte nicht geglückt. Vielmehr er-
fuhr mein Vater durch ein Schreiben des Bauamts, daß
ſämmtliche Grundſtücksbeſitzer auf ſachverſtändige
Schaͤtzung der Parcellen provocirt hatten, welche ſie zur
Bahn hergeben ſollten. Dieſes Verlangen war auffallend
genug, da die Preiſe, die der Staat bot ſehr gut waren,
und auf der ganzen Bahnlinie von B. bis zur Haupt-
ſtadt ſonſt überall von den Bauern gern angenommen
wurden. Mein Vater konnte ſich des geheimen Arg-
wohns nicht erwehren, daß Soldmann ſelbſt den Bauern
Hoffnung auf Preisſteigerung infolge ſachverſtändiger
Schätzung gemacht habe — nur um die Expropriation
von Neuem hinauszuzögern. Die Bauern wenigſtens
ſprachen offen aus, daß ſie durch amtliche Schätzung
beſſere Preiſe zu erzielen hofften. Die Schätzung ſelbſt
wurde ſo läſſig und nachtheilig wie möglich betrieben,
bald hier bald dort expropriirt, nirgends zuſammenhän-
gend, wie der Bau erforderte. Mitte November trat der
Froſt ein: die Zeit des Bauens war nun faſt ganz vor-
uͤber. Mein Vater ſchrieb an die Direction, daß er für
die Verzögerung durchaus das Bauamt verantwortlich
mache, und gegen jede nachtheilige Folge, welche man
ihm gegenüber aus dieſer Verzögerung etwa abzuleiten
gedenke, im Voraus eniſchiedenſte Verwahrung einlegen
müſſe.
priationswerk zu Ende! Ein Vierteljahr von ſeinem

Bau⸗ und Vertragsjahr hatte mein Vater alſo faſt ganz

verloren, ganz ohne eigene Schuld!“

(Fortſetzung folgt.)

*

Verſchiedenes.

Berlin, 23. März. Der neue Börſenkalauer gibt
auf die Frage, welche Bahn iſt jetzt am ſchlechteſien da-
ran? die Antwort: die Halle⸗Sorau⸗Gubener, denn die
Direction muß ſelbſt im Winter Pilze ſuchen. —
Auf der Eiſenbahnlinie Berlin⸗Stendal⸗Uelzen ſind jetzt
Speiſecoupes eingerichtet worden. Die Reiſenden können
ſich in Berlin auf dem Lehrter Bahnhofe ſofort eine ſo-
genannte Eßkarte löſen und beſtimmen, wann und wo ſie
ihr Mittagsmahl einzunehmen beabſichtigen. Telegraphiſch
werden die betreffenden Reſtaurationen benachrichtigt und
ſobald die Fremden eintreffen, wird ihnen das Verlangte
ins Coupe gereicht. Sie können ihr Mahl dann während

der Fahrt mit aller Gemüthsruhe verzehren. Die Koſten

eines ſolchen Mittagseſſens betragen 2 Mark.

ö Leipzig, 24. März. Geſtern ging im Stadttheater
vor ausverkauftem Hauſe der zweite Theil des Fauſt in
der Bühnenbearbeitung von Dr. Wollheim und mit der
Muſik von H. H. Pierſon neu einſtudirt in Szene. Die
Darſtellung war

Doch verſprach der Director in dieſem Fall

ſein.

Nach faſt vollen zwölf Wochen kam das Expro-

eine vorzüͤgliche, die Inſcenirung höchſt

glänzend und mit feinem Geſchmack von Hrn. v. Sirentz
ausgeſtattet. Vorzüglich der Muſik brachte das Tageblatt
ſchon vor der Ausführung einen längeren Arltikel, um
auf die große Bedeutung dieſer genialen Tonſchöpfung hin-
zuweiſen, welche in hohem Grade zum Gelingen des großen
Wageſtücks, den zweiten Theil des Fauſt auf der Bühne
darzuſtellen, beiträgt. Das Publikum folgte dieſer hoch-
intereſſanten Aufführung mit geſpannter Aufmerkſamkeit
und äußerte ſeine hohe Zufriedenheit durch wiederholten
ſtürmiſchen Beifall. Nachdem ſchon im verfloſſenen Winter
der zweite Theil 5 Vorſtellungen erlebt hat und ſich auch
jetzt wieder ſeine Zugkraft bewährt, dürften die lange
gehegten Zweifel über die Aufführbarkeit dieſes wunder-
baren Werkes wohl als nicht mehr begründet anzuſehen

Wien, 15 März. Die Theatercenſur wird hier noch
ſtreng gehandhabt; als unlängſt ein neues Stück u. d. T.
„Fräulein Schwarz“ im Carl⸗Theater zur Aufführung
kam und einige Mitwirkende ſo unglücklich waren, mehrere
von der Cenſur geſtrichene Stellen aus Verſehen zu eiti-

ren, wurden ſie ſämmtlich von der Polizei vorgeladen.

Frau Kurz ſollte ſogar das eine harmloſe Wörtchen „da-
für“ büßen müſſen. Frau Kurz, die in dem Srücke mit-
gewirkt, ſpielt in demſelben die Rolle einer Hausfrau,
welche einen liberalen und äußerſt gemüthlichen Pfarrer
zu den Freunden ihres Hauſes zählt. Zwiſchen beiden
entſpinnt ſich nachfolgender Dialogpaſſus: „Nicht wahr,
Frauerl, Sie laſſen mir Palatſchinken bereiten, aber mit
Himbeerſaft, nur mit Himbeerſaft?“ — „Ja wohl, und
Sie werden mir dafür Abſolution ertheilen.“ Das ver-
hängnißvolle „dafür“ war geſtrichen, Frau Kurz hatte es
ferl unwillkürlich geſprochen ... und das Unglück war
ertig. ö

Von Kaiſer Wilhelm wird in den „Memoires d'un
Journaliſte“ von H. de Villemeſſant, vierte Seite, folgen-
der Vorfall, den Villemeſſant in Baden⸗Baden beobachtete
erzählt: „Bekanntlich iſt den preußiſchen Offizieren das

Spiel, auch mit dem allergeringſten Einſatz, verboten.

Ein ſolcher ober, in Civilkleidung, hatte 10 Louisd'or
auf eine Farbe geſetzt, die zwei Mal heraus kam; eben
wollte er ſeine 40 Goldſtücke vergnügt einſtreichen, als
ſein Blick auf den König von Preußen fiel, der ſich da-
mit unterhielt, dem Spiele zuzuſehen. In ſeinem Schreck
wagte der Offizier nicht, die Summe einzuziehen. Die-
ſelbe Farbe kam noch ein drittes, viertes und fünftes
Mal heraus, es ſtehen 3200 Francs, aber der Glückliche
ſteht unbeweglich, den kleinen Finger an der Hoſennaht,
in Paradeſtellung, der Gefahr ins Auge ſehend, wenn
die Kugel das nächſte Mal minder günſtig rollt, die
ganze Summe wieder zu verlieren. Der König machte
der geſpannten Situation ein Ende, indem er näher
trat und ihm gütig ſagte: Ich rathe Ihnen, Ihren Ge-
winn einzuziehen und ſich ſchnell davon zu machen, noch
ehe ich Sie bemerkt habe; das Glück könnte Ihnen nicht
ſo günſtig bleiben“. ö

Komiſches Inſerat. Die Kreuzzeitung vom 24.
Auguſt v. J. enthält Folgendes: „Ein gebildetes, gläu-
biges Mädchen, das den Herrn lieb hat, wird zur
Unterſtützung der Hausfrau zum 4. October d. J. ge-
ſucht. Anſprechendes Aeußere und gute Geſundheit
Haupterforderniſſe.“ ö

Druck und Verlagtvon Adolph Emmerlin g in Heidelberg, unter deſſen Beramwortlichkeit.
 
Annotationen