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Kampfes um Beſitz und Genuß baut ſich die Liebe aus
der Gemeinſchaft lauterer Herzen ihr goldenes Zelt und
ſchwingt die ſuchende Seele ſich auf zu den heiteren Re-
gionen, wo der der Sinnenwelt entrückte Gedanke ſich zu
freier und ewiger Geſtaltung entfaltet. —
Meine Erlebniſſe
als Fuhrmann beim Königl. Preußiſchen Garde⸗Corps
im Kriege gegen Frankreich 1870.
Aufgezeichnet von Friedrich Mampel in Kirchheim.
(Fortſetzung.)
Unſer Bivouak war, wie ſchon bemerkt, hart an
Mars⸗la⸗Tour und zwaͤr an der Straße, welche über
Vionville, Rezonville, Gravelotte nach Metz führt; hier
blieben wir liegen bis Samſtag den 20. Auguſt. Am
18., um 10 Uhr Vormittags fing es wieder ganz in
unſerer Naͤhe fürchterlich an zu ſchießen. Von uns durfte
Niemand ſeinen Wagen verlaſſen, die ganze Gegend vor
uns hüllte ſich in Pulverdampf, der Erdboden zitterte
vor dem ſchrecklichen Donner. In unſer Bivouak wurde
um 5 Uhr eine Colonne gefangener Franzoſen herüber
gebracht, transportirt von ſächſiſchen Jägern (108. Reg.);
es waren ungefähr 900 Mann, darunter viele Elſäſſer,
aber auch einige Schwarzen (Turkos), lauter Infanterie.
Sie wurden neben unſerm Bivouak in einen Garten ge-
ſperrt, welcher mit einer niedrigen Mauer umzäunt war.
Wir unterhielten uns bis in die Nacht hinein mit ihnen;
ſie erzählten uns, daß ſie bei St. Privat, zum Theil im
Dorfe Jeruſalem in Gefangenſchaft gerathen und von
dem Corps des Generals Canrobert ſeien, und waren
froh, daß ſie jetzt aus der Gefahr erlöſt waren. Die
Elſäſſer tranken mit uns Wein, wir erhielten nämlich
an dieſem Tag. Sie fingen ſogar an zu ſingen („Wenn
die Schwalben heimwärts zieh'n“), in welchen Geſang
wir Fuhrleute und die Soldaten mit einſtimmten. Aber
von unſeren Wägen aus ſah man noch die Artillerie
Abends nach 8 Uhr, als es bereits dunkel war, fleißig
kanoniren; mehrere Dörfer ſtanden in hell aufloderndem
Brande. Endlich hörten ſie mit der Nacht auf; auch
auch das klappernähnliche Knallen hörte auf, welches
von Mitrailleuſen⸗Salven herrührte, wie uns die Elſäſſer
erklärten.
Andern Tags den 19. ging ich hinüber auf das
Schlachtfeld; es war ein ſchrecklicher Anblick. Die Ver-
wundeten waren weggeſchafft, aber haufenweiſe lagen die
Todten herum, in nächſter Nähe nämlich die noch vom
16., welche meiſt ſchon ſchwarz waren, viele gräßlich ver-
ſtümmelt, Deuiſche und Franzoſen durcheinander. Pferde,
Wagen, Waffen, Alles lag durcheinander; Kugeln in
Maſſe. Wo viele Gefallene waren, wurden große tiefe
Gräber ausgeworfen. Aber auch an Marodeurs glaube
ich fehlte es nicht; ich ſah Viele herumſchleichen, welche
große lederne Taſchen anhängen hatten; ſie ſahen aus
wie Marketender; ſie ſchnitten den todten Pferden die
Mähnen und Schwänze ab und ſchoben dieſe in ihre
Taſchen, aber wahrſcheinlich auch noch andere Sachen.
VII.
Durch das Champagnerland.
(Von Mars⸗la⸗Tour über Vaubecourt und Clermont nach
Nantillois. 20.—30. Auguſt.)
Samſtag den 20. Auguſt marſchirten wir ab nach
St. Benoit bei Thioncourt, wo wir bis Dienſtag den 23.
lieben blieben. St. Benoit iſt ein Schloß mit einigen
Bauerngehöften; auch eine Wirthſchaft iſt daſelbſt, wo ö
man für einen halben Frank eine gute Flaſche Wein be-
kam. Es iſt überhaupt eine gute Gegend. Es hatte da
vieles und edies Obſt, gutes Waſſer. Der Diviſions-
ſtab, General von Pape, und die Feldpoſt lagen im
Schloß. Ein anderes großes Haus war zum Lazareth
eingerichtet, wo viele Bleſſirte lagen. In dieſen Tagen
wurden noch Maſſen von Verwundeten, Deutſche und
Franzoſen bunt durcheinander, an uns vorbeigeführt.
Sie kamen nach Thioncourt und Pont⸗a-Mouſſon. Auch
der Kronprinz von Sachſen mit ſeinem Stabe ritt hier
an uns vorbei, welcher jetzt unſer Oberbefehlshaber war.
Das Garde⸗Corps, welches bisher zur zweiten Armee
unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl gehört
hatte, wurde nach der Schlacht vom 18. Auguſt der neu-
gebildeten Armee, der vierten oder Maas⸗Armee des Kron-
prinzen von Sachſen zugetheilt. ö
Dienſtag den 23. ging es hier weiter über Vigneulles
nach der Stadt St. Mihiel an der Maas, wo wir in die
Lanciers⸗Kaſerne gelegt wurden. Hier konnte man wie-
der Alles, was man nöthig hatte, kaufen. Ich kaufte
mir, da es faſt beſtändig naßkaltes Wetter war und ich
kein Halstuch hatte, einen baumwollenen Shawl, deß-
gleichen auch für Peter Treiber einen ſolchen. Bier
konnte man auch haben, es war aber ſehr ſchlecht; die
Franzoſen trinken faſt immer Branntwein dazu. Im
Bivouak bei St. Benoit hatte ich von den Pferden, welche
uns vom Schlachtfelde des 18. Auguſt (bei St. Privat,
St. Marie aux Chaons und Gravoelotte) nachgelaufen
waren, eine kräftige braune Stute gefangen, welche ſo
groß wie die meinige war. Es waren auch einige ſchöne
Hengſte da, namentlich ein ſchöner Fuchshengſt und ein
blutjunger Braun, welche Nachts ſehr viel Spektakel ge-
macht hatten. Da wir aber wenig Futter hatten, ließ
ich mein gefangenes Pferd wieder laufen. Ein bairiſcher
Fuhrmann hat es hernach genommen und eines der ſeini-
gen laufen laſſen. Auf dem Kaſernenſpeicher in St.
Mihiel lag noch ſehr viel Hafer, welchen die Franzoſen
im Stich laſſen mußten. Wir faßten denſelben am an-
dern Tag, den 24. Auguſt. Ich hatte dabei die Arbeit
des Sackbindens zu verſehen; es mußte Alles zuſammen-
helfen: ein Theil mußte faſſen, ein anderer Theil hinunter-
tragen und auf die leeren Wagen laden. Der Hafer
wurde immer in Säcken zu 125 und 150 Pfund abge-
geben. Hier hatten wir Gelegenheit mal wieder unter
Obdach zu ſchlafen; doch zog ich es vor, auch dieſe Nacht
auf meinem Wagen zu bleiben, da es nicht regnete. Es
ekelte mir, in einer Franzoſenkaſerne zu übernachten. Die-
ſelbe war zwar faſt noch ganz neu, ſehr ſchön eingerichtet,
namentlich ſind die Stallungen ſehr ſchön, die Hofräume
mit ſchönen überdachten Brunnen, mit langen ſauberen
Cementtrögen äußerſt geſchmackvoll. Die Kaſerne liegt
hart an der Maas. ö
Von hier ging es andern Tags (25. Auguſt) nach
Rembergeourt, von da nach Vaubecourt unweit Bar le
Duc, 5 Meilen von Chalons, wo bereits in dem alt-
bekannten feſten Lager unſere Truppen waren. Hier wa-
ren wir nun in dem berühmten Champagnerland. Dieſe
Gegend zeichnet ſich von den anderen namentlich aus
durch mehr Säuberlichkeit in den Dörfern, auch haben
dieſelben einen ganz anderen Bauſtil. Alle Häuſer,
meiſtens einſtöckig, haben weite Dachvorſprünge, unter
deren Schatten zu den Seiten der Hausthüren Ruhebänke
angebracht ſind. Es nehmen ſich dieſe Verandas ſehr
ſchön aus. In und bei Vaubecourt lag die ganze erſte
Garde⸗Infanterie⸗Oiviſion — eine Brigade (1. und 3.
Garde⸗Reg. zu Fuß) lag in der Stadt ſelbſt — davon
heide Muſikkapellen uns Abends ein Concert gaben. An-
—— —I eeee —
Kampfes um Beſitz und Genuß baut ſich die Liebe aus
der Gemeinſchaft lauterer Herzen ihr goldenes Zelt und
ſchwingt die ſuchende Seele ſich auf zu den heiteren Re-
gionen, wo der der Sinnenwelt entrückte Gedanke ſich zu
freier und ewiger Geſtaltung entfaltet. —
Meine Erlebniſſe
als Fuhrmann beim Königl. Preußiſchen Garde⸗Corps
im Kriege gegen Frankreich 1870.
Aufgezeichnet von Friedrich Mampel in Kirchheim.
(Fortſetzung.)
Unſer Bivouak war, wie ſchon bemerkt, hart an
Mars⸗la⸗Tour und zwaͤr an der Straße, welche über
Vionville, Rezonville, Gravelotte nach Metz führt; hier
blieben wir liegen bis Samſtag den 20. Auguſt. Am
18., um 10 Uhr Vormittags fing es wieder ganz in
unſerer Naͤhe fürchterlich an zu ſchießen. Von uns durfte
Niemand ſeinen Wagen verlaſſen, die ganze Gegend vor
uns hüllte ſich in Pulverdampf, der Erdboden zitterte
vor dem ſchrecklichen Donner. In unſer Bivouak wurde
um 5 Uhr eine Colonne gefangener Franzoſen herüber
gebracht, transportirt von ſächſiſchen Jägern (108. Reg.);
es waren ungefähr 900 Mann, darunter viele Elſäſſer,
aber auch einige Schwarzen (Turkos), lauter Infanterie.
Sie wurden neben unſerm Bivouak in einen Garten ge-
ſperrt, welcher mit einer niedrigen Mauer umzäunt war.
Wir unterhielten uns bis in die Nacht hinein mit ihnen;
ſie erzählten uns, daß ſie bei St. Privat, zum Theil im
Dorfe Jeruſalem in Gefangenſchaft gerathen und von
dem Corps des Generals Canrobert ſeien, und waren
froh, daß ſie jetzt aus der Gefahr erlöſt waren. Die
Elſäſſer tranken mit uns Wein, wir erhielten nämlich
an dieſem Tag. Sie fingen ſogar an zu ſingen („Wenn
die Schwalben heimwärts zieh'n“), in welchen Geſang
wir Fuhrleute und die Soldaten mit einſtimmten. Aber
von unſeren Wägen aus ſah man noch die Artillerie
Abends nach 8 Uhr, als es bereits dunkel war, fleißig
kanoniren; mehrere Dörfer ſtanden in hell aufloderndem
Brande. Endlich hörten ſie mit der Nacht auf; auch
auch das klappernähnliche Knallen hörte auf, welches
von Mitrailleuſen⸗Salven herrührte, wie uns die Elſäſſer
erklärten.
Andern Tags den 19. ging ich hinüber auf das
Schlachtfeld; es war ein ſchrecklicher Anblick. Die Ver-
wundeten waren weggeſchafft, aber haufenweiſe lagen die
Todten herum, in nächſter Nähe nämlich die noch vom
16., welche meiſt ſchon ſchwarz waren, viele gräßlich ver-
ſtümmelt, Deuiſche und Franzoſen durcheinander. Pferde,
Wagen, Waffen, Alles lag durcheinander; Kugeln in
Maſſe. Wo viele Gefallene waren, wurden große tiefe
Gräber ausgeworfen. Aber auch an Marodeurs glaube
ich fehlte es nicht; ich ſah Viele herumſchleichen, welche
große lederne Taſchen anhängen hatten; ſie ſahen aus
wie Marketender; ſie ſchnitten den todten Pferden die
Mähnen und Schwänze ab und ſchoben dieſe in ihre
Taſchen, aber wahrſcheinlich auch noch andere Sachen.
VII.
Durch das Champagnerland.
(Von Mars⸗la⸗Tour über Vaubecourt und Clermont nach
Nantillois. 20.—30. Auguſt.)
Samſtag den 20. Auguſt marſchirten wir ab nach
St. Benoit bei Thioncourt, wo wir bis Dienſtag den 23.
lieben blieben. St. Benoit iſt ein Schloß mit einigen
Bauerngehöften; auch eine Wirthſchaft iſt daſelbſt, wo ö
man für einen halben Frank eine gute Flaſche Wein be-
kam. Es iſt überhaupt eine gute Gegend. Es hatte da
vieles und edies Obſt, gutes Waſſer. Der Diviſions-
ſtab, General von Pape, und die Feldpoſt lagen im
Schloß. Ein anderes großes Haus war zum Lazareth
eingerichtet, wo viele Bleſſirte lagen. In dieſen Tagen
wurden noch Maſſen von Verwundeten, Deutſche und
Franzoſen bunt durcheinander, an uns vorbeigeführt.
Sie kamen nach Thioncourt und Pont⸗a-Mouſſon. Auch
der Kronprinz von Sachſen mit ſeinem Stabe ritt hier
an uns vorbei, welcher jetzt unſer Oberbefehlshaber war.
Das Garde⸗Corps, welches bisher zur zweiten Armee
unter dem Oberbefehl des Prinzen Friedrich Karl gehört
hatte, wurde nach der Schlacht vom 18. Auguſt der neu-
gebildeten Armee, der vierten oder Maas⸗Armee des Kron-
prinzen von Sachſen zugetheilt. ö
Dienſtag den 23. ging es hier weiter über Vigneulles
nach der Stadt St. Mihiel an der Maas, wo wir in die
Lanciers⸗Kaſerne gelegt wurden. Hier konnte man wie-
der Alles, was man nöthig hatte, kaufen. Ich kaufte
mir, da es faſt beſtändig naßkaltes Wetter war und ich
kein Halstuch hatte, einen baumwollenen Shawl, deß-
gleichen auch für Peter Treiber einen ſolchen. Bier
konnte man auch haben, es war aber ſehr ſchlecht; die
Franzoſen trinken faſt immer Branntwein dazu. Im
Bivouak bei St. Benoit hatte ich von den Pferden, welche
uns vom Schlachtfelde des 18. Auguſt (bei St. Privat,
St. Marie aux Chaons und Gravoelotte) nachgelaufen
waren, eine kräftige braune Stute gefangen, welche ſo
groß wie die meinige war. Es waren auch einige ſchöne
Hengſte da, namentlich ein ſchöner Fuchshengſt und ein
blutjunger Braun, welche Nachts ſehr viel Spektakel ge-
macht hatten. Da wir aber wenig Futter hatten, ließ
ich mein gefangenes Pferd wieder laufen. Ein bairiſcher
Fuhrmann hat es hernach genommen und eines der ſeini-
gen laufen laſſen. Auf dem Kaſernenſpeicher in St.
Mihiel lag noch ſehr viel Hafer, welchen die Franzoſen
im Stich laſſen mußten. Wir faßten denſelben am an-
dern Tag, den 24. Auguſt. Ich hatte dabei die Arbeit
des Sackbindens zu verſehen; es mußte Alles zuſammen-
helfen: ein Theil mußte faſſen, ein anderer Theil hinunter-
tragen und auf die leeren Wagen laden. Der Hafer
wurde immer in Säcken zu 125 und 150 Pfund abge-
geben. Hier hatten wir Gelegenheit mal wieder unter
Obdach zu ſchlafen; doch zog ich es vor, auch dieſe Nacht
auf meinem Wagen zu bleiben, da es nicht regnete. Es
ekelte mir, in einer Franzoſenkaſerne zu übernachten. Die-
ſelbe war zwar faſt noch ganz neu, ſehr ſchön eingerichtet,
namentlich ſind die Stallungen ſehr ſchön, die Hofräume
mit ſchönen überdachten Brunnen, mit langen ſauberen
Cementtrögen äußerſt geſchmackvoll. Die Kaſerne liegt
hart an der Maas. ö
Von hier ging es andern Tags (25. Auguſt) nach
Rembergeourt, von da nach Vaubecourt unweit Bar le
Duc, 5 Meilen von Chalons, wo bereits in dem alt-
bekannten feſten Lager unſere Truppen waren. Hier wa-
ren wir nun in dem berühmten Champagnerland. Dieſe
Gegend zeichnet ſich von den anderen namentlich aus
durch mehr Säuberlichkeit in den Dörfern, auch haben
dieſelben einen ganz anderen Bauſtil. Alle Häuſer,
meiſtens einſtöckig, haben weite Dachvorſprünge, unter
deren Schatten zu den Seiten der Hausthüren Ruhebänke
angebracht ſind. Es nehmen ſich dieſe Verandas ſehr
ſchön aus. In und bei Vaubecourt lag die ganze erſte
Garde⸗Infanterie⸗Oiviſion — eine Brigade (1. und 3.
Garde⸗Reg. zu Fuß) lag in der Stadt ſelbſt — davon
heide Muſikkapellen uns Abends ein Concert gaben. An-