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Heidelberger Familienblätter — 1879

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No. 35 - No. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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und Wonne, und dieſe Erinnerung wird mir manche
Stunde erhellen. —
„Wenn ich dir nicht ſo furchtbares Weh bereiten
müßte! — Ich weiß, du ſiehſt, wie ich, ein, daß wir
nicht wieder zuſammenkommen können, aber ich weiß auch,
du wirſt mich und unſer Glück betrauern, wie es deine
Liebe fordert. Tauſend, tauſend Gedanken und Thränen
weihe ich dir — leb' ewig wohl, und wenn du ſpäter
überwunden haſt, was ſo ſchwer zu überwinden iſt, ſo
kommt vielleicht eine Stunde, wo du mir ſchreiben kannſt
„„Gabriele, ich bin jetzt wieder ruhig!““ Und das
ſchreibe mir dann, auf dies Wort hoffe ich, auf dieſen
Troſt richtet ſich meine ganze Seele, es wird der Tropfen
Waſſer ſein, an dem ſie ſich laben kann! —“
Der Brief war fertig, war geſiegelt und ſie trug ihn
hinab zur Hausfrau mit der Bitte, ihn ſofort, aber ſo-
fort durch einen Expreßboten beſorgen zu laſſen.
„Es iſt ein Wagen da, der Kutſcher kann ihn mit⸗—
nehmen!“ ſchlug die Oberförſterin vor.
„Nein, bitte, er muß per Expreß zur Poſt; als rekom-
mandirter Brief kommt er ſicherer an!“ lehnte die Ge-
neralin ab.
„Sie ſehen entſetzlich bleich aus, gnädige Frau!“
ſagte beſorgt die Hausfrau.
„Ich hätte gern heißen Thee und will mich nieder-
legen!“ erwiderte Gabriele und wandte ſich ſchon zum
Gehen. Aber das Bewußtiſein, daß nun der entſcheidende
Schritt geſchehen ſei, machte ſie doch ſchwindeln und die
Oberförſterin fing die Taumelnde auf.
„Es iſt nichts! Es iſt ſchon vorüber!“ betheuerte ſie
mit blaſſen Lippen.
„Excellenz ſollten morgen im Bett bleiben, ich habe
jetzt eben ein junges Mädchen zur Hilfe bekommen, die
gnädige Frau wird jetzt beſſer bedient ſein!“ meinte die
Oberförſterin noch. ö
Die Generalin Grodno ging wieder auf ihr Zimmer.
Es regnete jetzt ſtärker, und dies eintönige Geräuſch war
das Einzige, wovon ſie Notiz nehmen konnte. Eine faſt
lähmende Abſpannung war über ſie gekommen; ſie trank
raſch eine Taſſe des beſtellten Thees und legte ſich zu
Bett. — Ihr war wie einer Pilgerin, die bis zum Tode
erſchöpft iſt von dem ſchweren Wege und die erſt jetzt
begreift, daß die eigentliche Wüſte noch vor ihr liegt, daß
alle Qual und alle Schreckniſſe bis jetzt wenig waren
gegen das, was ihrer wartet. — Warum hatte ſie nicht
Gift genommen, nicht gewaltſamen Tod geſucht? Nein,
ſie hatte recht gehandelt; — nun mußte ſie weiter gehen,
wie ſchwer es auch wurde. — Vorläufig konnte ſie aber
nicht weiter, — ſie lag in völliger Abſpannung da; —
einen Tag, zwei Tage, und erſt am dritten wurde ihr
bewußt, daß Jemand um ſie war, ſich um ſie bemühte,
ſie pflegte.
Es war ein junges, ſchlankes Mädchen mit brünettem
Teint, dunklem Haar und dunklen Augen, ein liebes
ſympathiſches Geſicht, voll Herzensgüte und Sanftmuth.
Mit völliger Geräuſchlofigkeit ging dieſe junge Pflegerin
umher, wiſchte ſehr behurſam und leiſe den Staub von
den Möbeln, ordnete das Zimmer, öffnete das Fenſter
und ſtellte ein Bouquet von Aſtern und Reſeda ſo hin,
daß die Augen der Patientin ſich darauf richten konnten.
Dann nahm ſie eine kaum erſchloſſene Monatsroſe
und legte ſie ſchweigend, mit einem reizenden Lächeln
zwiſchen die weißen Finger der Generalin, deren Augen
ſie auf ſich gerichtet ſah. ö
Es war eine ſo einfache Freundlichkeit in dieſer kleinen
Handlung, und in dem Weſen des Mädchens lag dabei
eine ſo unbeſchreiblich wohlthuende Bereitwilligkeit, Liebe

— 136 —

lich erhöhte.

zu erweiſen, daß der tief unglücklichen Frau die Thraͤnen
in die Augen traten.
Sie wußte ſelbſt nicht wie es kam, aber ſie hatte den
Kopf des Mädchens zu ſich nieder gezogen und küßte es
auf die friſchen Lippen.
„Wie gut ſind Sie, liebes Kind,“ flüſterte ſie. —
„Geht es beſſer, gnädige Frau?“ fragte dieſes und
die Stimme war ſanft und doch belebend, wie eine heitere
Muſik etwa.
„Ja, mein Kind, ich danke Ihnen, Sie haben mich
ſo hübſch gepflegt! Iſt kein Brief für mich gekommen?“
fragte dann die Generalin lebhaft und mit einem unruhi-
gen, angſtvollen Ausdruck. ö
„Nein, noch nicht, Excellenz, aber es wird wohl heute
einer kommen, gegen Abend, wenn der Poſtbote vorbei
geht!“ tröſtete ſofort das junge Mädchen.
Ein Seufzer, halb des Kummers, halb der Erleich-
terung, entſchlüpfte den Lippen Gabrielens.
Dann lag ſie wieder ruhig da und verſenkte ſich in
ihre jetzt wiederkehrenden trüben Gedanken. Ihre junge
Pflegerin ſaß am Fenſter und ſtickte; die Sonne lag hell
und warm auf den bunter werdenden Blättern, draußen
unter den Fenſtern gockerten die Hühner, in der Tenne
wurde gedroſchen und das eintönige Klappern der Dreſch-
flegel klang in ſeiner taktfeſten Weiſe beinahe beruhigend.
Wie lange, lange hatte Gabriele nicht mehr ſolches
Dreſchen gehört. Auf den großen Gütern, wo ſie allen-

falls einmal lebte, hatte man nur Maſchinen dazu, hier

war auf einmal der ganze Zauber des ländlichen Still-

lebens.
(Fortſetzung folgt.)

Die ſilberne Hachzeit des öſterreichiſchen
Raiſerpaars.
(Soirée bei Hofe.)
Seit Jahren war die kaiſerliche Burg nicht der Schau-
platz eines derart pompöſen und zahlreich beſuchten Feſtes,
wie es die am 23. Abends gehaltene Soirée bei Hof ge-
weſen. Das Oberhofmeiſteramt hatte 3500 Einladungen
zu derſelben ergehen laſſen, und von den Auserwaͤhlten
wie von den Berufenen fehlte faſt Niemand. Bald nach
Eröffnung der Säle herrſchte in denſelben ein koloſſales
Gedränge, hervorgerufen durch die faſt allzu große, glän-
zende Geſellſchaft. Die Uniform und das Nationalkoſtüm
überwogen entſchieden, was den Glanz des Feſtes weſent-
Beſonders ſtark vertreten waren die Ge-
neralität in großer Uniform, die fremden Botſchafter und
Geſandten mit ihreu Damen und Beamten. Man ſah
auch Kirchenfürſten in ungewöhnlich großer Zahl, Mal-
teſer⸗ und deutſche Ritter in ihrem Ordenshabit. Ein
beſonderes Relief erhielt das Feſt durch die Anweſenheit
ſämmtlicher, anläßlich des Jubiläums nach Wien entſen-
deten Deputationen, unter welchen die Polen durch Zahl
und Pracht der Nationalgala zunächſt auffielen. Auch
die Mitglieder der bosniſchen Deputation waren erſchienen,
unter ihnen der Bürgermeiſter von Serajewo und der
Prior der dortigen Franziskaner; dieſer hochwürdige Herr
unterſcheidet ſich weſentlich von ſeinen weſtlichen ſeßhaften
Ordensbrüdern dadurch, daß er einen mächtig und mar-
tialiſch aufgezwirbelten Schnurrbart traͤgt. Allgemeines
Aufſehen erregte auch Herr Ritter v. Schmerling, der in
der Oberſtenuniform des Schützencorps paradirte. Die
weibliche Ariſtokratie war verhältnißmäßig nur ſpärlich
durch ihre höchſtgeborenen und ſchönſten Mitglieder ver-
 
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