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Heidelberger Familienblätter — 1881

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Nr. 35 - Nr. 42 (4. Mai - 28. Mai)
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nung.

Hridelberger ganilienblätter.

Benetrifiſhe Balage zur Keidecberger Btung.

ur. 41.

wittuuch, den 25. Mai

1881.

Saat und Erute.
Novelle von S. v. d. Horſt.
(Fortſetzung.)

„Evers,“ rief Bornau halb außer ſich. „Sie können

nicht behanpten wollen, daß Max Harland um ſein Eigen-

thum betrogen wurde und daß alſo ſeine Tochter —“
Er ſchwieg, ihm fehlte der Athem, ſeine Bruſt keuchte,
ſeine Zähne ſchlugen hörbar aufeinander, ſeine Hände
ſchüttelten den Todfeind, der lächelnden Blickes dieſer furcht-
baren Verzweiflung zu ſpotten ſchien —
Evers ließ ihn gewähren, er freute ſich, er ſchwelgte

im Hochgenuß des vollendeten Sieges, zehnmal wiederholte

er für ſich die Antwort, welche jetzt ſeinen Gegner moraliſch
vernichten mußte: „Seine Tochter iſt die rechtmäßige Be-
ſitzerin von Arnſtein, die, welche du geknechtet und mit
Beleidigungen überhäuft haſt, ſie, die du zur Magd be-
ſtimmteſt, iſt Herrin über jeden Pfennig, den du früher
oder ſpäter ausgabſt!“
Eine lange Pauſe ſolgle dieſer Enthüllung, ſo lang,
daß ſie den Buchhalter erſchreckte. Sein Opfer ſollte nicht

ſterben, jetzt nicht, er wollte es langſam foltern, wollte

Blutstropfen nach Blutstropfen erpreſſen und in vollen
Zügen die Seligkeit der Rache ſchlürfen.
„Als unſer Vater heirathete,“ ziſchte er halblaut, „ da
wurde mir das Einzige, was mein war, geraubt, da ſtarb
meine Mutter, nachdem ſie auf ihrem Todtenbett noch er-
Soren daß ihrem einſtigen Geliebten ein rechtmäßiger
Sohn geboren worden! — Ich haßte dich, denn du be-
faßeſt, was mir fehlte, du ſtahlſt mir, was nach dem
Recht der Erſtgeburt mein war, du trugſt den Namen
deines Vaters, während ich ſelbſt gebrandmarkt durch's
Leben ging, o ja, ich haßte dich bitter und unperſöhnlich,
miehr, immer miehr, je älter du wurdeſt! — Dich vergöt-
terte er, für dich war nichts zu koſtbar, nichts zu ſchwer,
ich dagegen blieb der rechtloſe Sklave, den zwar die eher-
nen Ketten gemeinſamer Schuld unlöslich an ihn banden,
den er gut bezahlte, der aber den Vaternamen nie aus-
ſprechen, ja nicht einmal kennen durfte. In ſeiner Todes-
ſtunde war ich bei ihm, er phantaſirte von dir, — ſeinen
letten Augenblick ſah ich, er trug mir Grüße auf an dich.“
Eine Sekunde lang ſchien die Stimme des Buchhalters
zu ſchwanken, vielleicht pochte es doch vornehmlich an ſein
haßerfülltes Herz, vielleicht rang das Menſchliche in ihm
zum Durchbruch, aber er erſtickte gewaltſam die leiſe Mah-
„Im Teſtament befahl er dir, den „„alten be-
währten Bener ſeines Hauſes““ bis ans Ende zu behalten
und zu bezahlen,“ fuhr er gehäſſig fort, „ich lernte dich
perſönlich kennen und ſah den Widerwillen, den dir der

ber waſimodo, das Leichengeſicht“, einflößte, ich ſah auch,
ſpöttiſch.
der Frau, der rechtmäßigen Frau unſeres Vaters — zum

daß die fünftauſend Thaler, welche dir alljährlich durch
meine Hand in alle Weltgegenden nachgeſchickt wurden,

auf deine Erziehung den verderblichſten Einfluß geübt

hatten. Du verachteſt die Arbeit, du haſt kein Herz, du
verſchwendeſt das Geld, welches nie dir gehörte!“

auf die Achſel deſſelben.

welches ich Ihnen entgegengebracht, als Mittel,

einzogſt,

Er trat ſeinem Bruder näher und legte zwei Finger
„Jetzt gibt acht,“ ſagte er höh-
niſch, „was nun kommt, das geht dich an!
Bornau zuckte unter der Berührung ſeiner Haud. Was
gab es noch, das nach den erhaltenen Mittheilungen für
ihn von Intereſſe war!
„Schau her!“ fuhr Evers fort, und aus der Brief-
taſche fiel Blatt nach Blatt kniſternd herab auf den Tiſch,
„ſchau her, dich ſetzte er ein zu ſeinem Univerſalerben, und
ich wurde es, der rechtmäßige Sohn erhielt das väterliche
Gut, der unrechtmäßige wird alleiniger Herr deſſelben.
Das Schickſal iſt gerecht, es gab mir zurück, was von
je her mein war!“
Bornau lächelte ſonderbar, dieſe letztere Wittheilung
ſchien auf ihn den beabſichtigten Eindruck keineswegs her-
vorgebracht zu haben. „Sie ſind es, der die⸗ hier bezeich-
nete Summe vorſtreckte?“ fragte er.
Evers nickte, ſein ganzes Geſicht glänzte. „Ich bin
es, ich habe aus meinem Privatvermögen — Geldern, die
ich einmal erbte — deine tolle Verſchwendung unterſtützt,
um dich je eher deſto beſſer dein eigener Henker werden
zu laſſen, ich gab dir, was du verlangteſt, um heute die
Schlinge über deinen Kopf zu werfen, wahnſinniger Ver-

ſchwender, der es nie auch nur für nöthig fand, zu fragen,

wer ſeine Wechſel in Händen hielt. Bis der neue Tag
begonnen hat, kurze Stunden noch, biſt du Herr auf Arn-
ſtein, dann aber ein Bettler, den Hunderte verfluchen, ein
heimathloſer, verachteter Menſch, dem nichts mehr übrig
bleibt, als ſich mittelſt einer Piſtolenkugel ſeinen zahlreichen
Gläubigern zu empfehlen!
Alfred kreuzte die Arme. „Sie kämpfen nicht für ſich,
Evers,“ ſagte er trübe lächelnd, „Ihr Geheimniß iſt durch-
ſichtig! — Weiß das Mädchen, was in dieſem Augenblick

hier vorgeht? natürlich! ſie wartet im Nebenzimmer, um,

wenn ihr Stichwort kommt, einzutreten und —“
„Elender!“ rief außer ſich der Buchhalter, Loleben
du verleumdeſt einen Engel ꝰ
„Sekundenlang blitzte es auf in den Augen des jungen
Gutsherrn, er hob die Fauſt, wie um ſeinen Beleidiger
niederzuſtrecken, dann aber wandte er ſich, der beſſeren
Eingebung folgend, plötzlich ab. „Sie haben viel Unglück
ertragen, Evers,“ verſetzte er, „Ihre Bitterkeit iſt begreif-
lich, darum verzeihe ich Ihnen, darum überlaſſe ich Sie

Ihrem eigenen Gewiſſen, das ſchon ſeine Stimme erheben

wird, der Verurtheilung, welcher ſie nicht entgehen dürften.
Zehnmal größere Summen, als Sie mir vorſtreckten, hätte

der Gebieter von Arnſtein überall aufnehmen können, ge-

nügende Friſten zur Regulirung ſeiner Angelegenheiten
hätte er überall erlangt, — Sie benutzten das Vertrauen,
mich zu
ruiniren. Iſt es ſo oder. ſollte ich irren?“
Der Buchhalter lachte. „Keineswegs,“ verſetzte er
„Seit ich dich auf den Armen deiner Mutter —

erſten Male ſah, habe ich dich bitter und unberſöhnlich ge-
haßt, ſeit du als ſogenannter Gebieter von Arnſtein hier
habe ich an deinem Verderben gearbeitet. Das
 
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