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1913

Inhalt: Heidelberger Tagebuchblätter. — Alt-Heidelbergs
Straßen, Gassen und Märkte. Von K. Roth. (Fortsetzung.) — Goethe
und Stift Neuburg. — Der Jäger aus Kurpfalz. Von Graf Karl
v. Klinckowström. — Neues von Treitschke und Bismarck.

Heidelberger Tagebuchblätter.
18. November bis 2. Dezember 1913.
Personalien. 28. Nov. Der Stadtrat genehmigt das Rücktrittsgesuch
des Oberbürgermeisters Dr. Wilckens. — 30. Nov. Stadtrat
Dr. Bauer f.
Universität. 22. Nov. Jahresfeier der Universität. — 22. Nov. Pro-
fessor Kurt Herbst wird zum Ehrendoktor der Universität Halle
ernannt. — 22. Nov. Die amtliche Endziffer der Besucherzahl im
Wintersemester beträgt einschließlich der Hörer 2507.
Kirchliches. 23. Nov. Die Diözesansynodc erläßt eine von allen Kan-
zeln verlesene Kundgebung gegen das übertriebene Festefeiern u. das
Filmunwesen. — 25. Nov. Pfarrer Heinrich Schmith-Maulburg
wird als Nachfolger des ß Stadtpfarrers Schneider zum Pfarrer
der Johanneskirche gewählt.
Vereine und Versammlungen. 20. Nov. Vorstandswahl im „Lieder-
kranz". — 22. Nov. Hauptversammlung des Vereins West-Heidel-
berg. — Zahlreiche Versammlungen an verschiedenen Tagen gegen
die stadträtliche Vorlage betreffend die Arbeitslosensürsorge.

(Nachdruck verboten.!
Alt-Heidelbergs Straßen,
Gaffen und Märkte.
Von K. Roth.
(Forschung.)
Die Gassen, welche süd-nördlich auf die östliche Hauptstraße zu-
führen, sind die Plankengasse, das Kisselgäßchen, die Kanzleistraße, der
Burgweg, die Sporergasse,' zum Neckar führen Jakobsgasse, Leher-
' gasse, die beiden Mönchsgassen, Simelsgasse, Fischergasse und Stein-
gasse. Wir kennen einige von ihnen schon aus früheren Mitteilungen
und wollen uns daran erinnern. Die Plankengasse ist das erste
Beispiel einer Alt-Heidelberger Gewohnheit, die Straßen und Gassen
nach Familien-Namen zu benennen. Denn sie heißt so nicht etwa von
Planken oder Palissaden, die dort nicht gestanden haben, sondern von
einer Familie Plank, die darin wohnte. Eigentlich hieß die Straße
schon von der Hauptstraße an mit frühestem Namen „Eselspfad",
nach den Eseln, die das Mehl der Herrenmühle zur Herrenbäckerei im
Schlosse, auch Brennholz, Rebhölzer und Dung in die Weinberge am
Ziegelriet und Sonstiges nach oben tragen mußten, benannt. Aus
einem Steuerbuch aus den Jahren 1350—61 wissen wir, daß zu diesen
Diensten zwölf Esel verwendet wurden, zu deren Unterhalt einige
Pfälzer Städte wie Mannheim, Schwetzingen u. a. verpflichtet waren.
Der Eselspfad reichte natürlich zum Burgweg hinauf.
Das Kisselgäßchen hat wohl seinen Namen daher, weil es
mit Kieselsteinen belegt war, während die anderen Straßen noch
Pfützen und Löcher hatten, worin sich Schweinchen, Enten und Gänse
puddelten, wie in allen alten Städten. Die K a n z l c i st r a ß e hat
den Namen von der großen Kanzley, die auf dem Platze der jetzigen
Kinderanstalt stand. Der Burgweg ist bekannt; er lief aber da-
mals bis zur Hauptstraße und zur Linde und dem Brunnen hinab,
wo auch die „obere Straße zu der Linden" endigte; der heutige Korn-
markt war mit Häusern bedeckt bis auf diese nordöstliche Ecke; es stand
das alte Spital darauf mit seinem Kirchhof und etliche andere Häuser;
sie gehörten ungeteilt der Stadt, der Universität und der Sapienz. Die

Stadt ließ eine Teilung vornehmen, brach ihren Teil ab und machte
einen Milch- und Kornmarkt daraus; so entstand der heutige Korn-
markt. Auch der Brunnen wurde abgebrochen und sein Wasser in den
Fuß der Marienstatue geleitet, die wohl im Friedhof stand. Vom
Burgweg aus gingen dann die beiden linksseitigen Parallelstraßen zur
Hauptstraße ab: die Zwingerstraße und die Jngramstraße. Die
Zwingerstraße hieß vorher „Gasse zum heißen Stein"; denn in
ihr treten die Wasser zu Tage, die in die 3 städtischen Bäder, welche
in den Badgassen lagen, geleitet waren. Dort sind jetzt noch laufende
Brunnen. Wegen des erwärmten Badewassers nannte man die aus
Steinen gebauten Badehäuser „zum heißen Stein"; auch in anderen
Städten, wie Frankfurt, Mainz, Straßburg. Noch im Jahre 1813
gab es in der Mittelbadgasse ein Haus sTraitenr), das „zum heißen
Stein" genannt wurde. Die Namen Ober- und Mittelbadgasse sind
dadurch erklärt. Die Jngramstraße trägt ihren Namen von
einer alten, in Wieblingen und Bergheim begüterten Familie Ingram,
die ein Haus am Anfang dieser Straße besaß. Es gab übrigens auch
eine adelige Familie „von Heidelberg", deren Glieder alle Ingram mit
ihrem Vornamen hießen.
Die Apotheker gasse hieß früher „zum Breidenstein". Sie
hat ihren Namen von der Hofapotheke, die a. 1403 Kurfürst Ruprecht
der Erste seinem Apotheker Johannes Schönthal als Lehen übergab.
Nach der Zerstörung kaufte 1695 der Or. meäic. Johann Dietrich
Hofstatt den Platz des Hauses und erbaute eine neue Apotheke; nach
ihm trat 1778 Johann Heinrich Henking als Lehensträger ein, in
dessen Familie sie bis 1854 blieb. Der Nachfolger Karl Leimbach ver-
legte sie a. 1877 an die Sophienstraße. Die Krämergasse wird
am 1. Juni 1513 zum ersten Mal erwähnt; sie heißt so, weil das
Zunfthaus der Krämer in ihr lag, und zwar an der Ecke der Krämer-
und Jngramstraße. Es wurde 1822 seitens der hiesigen „Handlungs-
Innung und Krämer-Professionisten-Zunft", wie sie sich nannte, ver-
steigert und gelangte seitdem in mehrere Hände. Mehr ist von der
Floringasse zu sagen. Sie sollte eigentlich Flor-Gasse genannt
werden nach dem Besitzer eines großen Hauses in derselben. Schon
1459 gab es einen Gastwirt Konrad Flor in dieser Straße. Im ge-
nannten Jahre nahm der Pfälzer Fritz einen widerspenstigen, oder
sich für seine Freiheit wehrenden Lehensträger, den Ritter tzorneck von
Hornberg in der Burg Stolzeneck gefangen- Er verpflichtete ihn, mit
seinen Angehörigen und Knechten sich in das Flornhaus einzulagern
und diese Herberge nicht zu verlassen, bis der Pfalzgraf es ihm er-
laube. Im Jahre 1460 machten die Heerführer Friedrichs eine An-
zahl württembergischer Grafen und Herren bei Beilstein zu Gefange-
nen und auch sie mußten sich verpflichten, sobald sie der Pfalzgraf dazu
auffordere, sich in Heidelberg im Flornhaus einzustellen. Das Florn-
haus muß also eine bedeutende Herberge mit Stallungen usw. gewesen
sein. Später gab es einen Nechtsgelehrten und Rektor der Universität,
Hieronymus Flor, und a. 1526 wohnte eine Frau Beatrix Florin in
dieser Gasse; von dieser Frau dürfte das i in den Namen der Straße
gekommen sein. Wenn man in diese Gasse hineinschaut, scheint das
Haus Jngramstraße 8 sie abzuschließen. Im Verzeichnis v. I. 1588
ist dieses Haus fälschlicherweise zur Florngasse gezählt; in ihm wohnte
die jüdische Familie Oppenheimer und da soll denn auch der durch
Wilhelm Hauff allgemein bekannt gewordene „Jiid Süß", eigentlich
Joseph Oppenheimer, geboren sein. Seine Mutter soll eine Jüdin
von außerordentlicher Schönheit gewesen sein-
Die K e t t e n g a s s e hat ihren Namen von den Ketten der Zug-
brücke des Marktbrunnentores, welches Wohl auch Kettentor geheißen
haben wird; di« Heugasse kennen wir bereits aus früher Gesagtem.
Woher der Namen der A u g u st i n e r g a s s e stammt, ist ebenfalls
bekannt. Ein jetzt ganz vergessenes Gäßchen, das jetzt nicht einmal
mehr die Ehre hat, einen Namensschild zu tragen, ist das „kleine
Au g u sti n e r g äß ch en", das doch schon so alt ist und schon anno
1396 erwähnt wird. Es wird in jener Zeit „die kleine Gasse bei den
Augustinern" oder auch „die Mönchgasse neben den Augustinern", in
Universitätsurkunden auch „Augustinergässel" genannt. Es ist bas
Gäßlein zwischen den Häusern Hauptstraße 128 und 130, das bis zum
Hoftor der Universität läuft, früher aber bis zum Augustinerkloster
lief. Die Grabengasse kennen wir zur Genüge und erinnern
uns bei ihrer Namensnennung an die westliche Stadtmauer der Alt-
stodt, an den Schießgrabeu, das alte Schießhaus, an die Klingentcich-
senkung, die den Wasserlauf in seinen breiten Graben verursachte.
Hier war das Ende der südlichen. Hälfte der Altstadt,
 
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