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WIMMÄS-VeilAe M „WSOWll WMtt"
B. IS. S. AM!-MM 1914.

Inhalt: Die Bensheimer Malerschule. Von Otto Maag
(Heidelberg). — Zum Heidelberger Schloßbrand. Von K. R. — Emil
Gött. (Schluß.) Von W. Alberts. — Feuerzauber in der Jo-
hannisnacht. Von Franz Pflüger. — Allerlei: Eine Verfügung
von Anno dazumal. Von Major z. D. O. Huffschmid. Die
Königswahl Ruprechts von der Pfalz. Die Nachtglocke in Heidelberg.

Heidelberger Tagebuchblätter.
10. — 24. Juni.
Von der Universität. 14. Juni. Geheimer Hofrat Dr. Uhlig ch. —
16. Juni. Geheimer Rat Prof. Dr. Ferdinand Kehrer f. —
16. Juni. Prof. Dr. Karl Hampe erhält einen Ruf nach Frank-
furt a. M. — 16. Juni. Professor Hermann Oncken lehnt einen
Ruf nach Freiburg ab. — 18. Juni. Professor Dr. Karl Stäh-
lin nimmt einen Ruf nach Straßburg an. — 22. Juni. Die theo-
logische Fakultät ernennt den Professor Dr. Grützmacher zum
Ehrendoktor.
Versammlungen und Kongresse. 13. und 14. Juni. Hauptversamm-
lung des Verbandes deutscher Privateisenbahn-Beamten.
Verschiedenes. 20. Juni. Sonnwendfackelzng der Studentenschaft.

Die Bensheimer Malerschule.
Von Otto Maag (Heidelberg).
Es wird heute visl von Erziehung und Kunst geredet, und auch
mancherlei, ost mit erheblichem Aufwand von Mitteln, getan, Kunst
ins Volk zu tragen. Daß man nun allerdings in den Kreisen, die wir
mit dem Ausdruck Volk zu bezeichnen uns gewöhnt haben, doch recht
wenig vom Erfolg dieser Bestrebungen zu merken bekommt, liegt nicht
allein an dem, was man den aristokratischen Charakter der Kunst
nennt, also daran, daß eine bestimmt geartete Kunst nur unter be-
stimmten Kultur, und Geschmacks-Voraussetzungen verstanden und
ungeeignet werden kann, sondern es liegt offenbar auch zum großen
Teil an den Wegen, die man bei dem Versuch, nach dieser Seite zu
erziehen, einschlägt. Handelt es sich doch bei dem ganzen Problem
„Kunst fürs Volk" nicht in erster Linie um die Vermittlung von vor-
handenen Kunstwerken, gleichviel welcher Gattung, sondern in der
Hauptsache um die Erziehung des Geschmacks, der dann in der Aus-
wahl dessen, womit man sich etwa in seinen eigenen Räumen umgibt,
oder in freien Stunden beschäftigt, als ein erheblich veränderter —
eben „erzogener" sich betätigen soll. Auch nach dieser Seite stehen
die Forderungen und Aufwendungen zum Erfolg in keinerlei Verhält-
nis. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daß solche Bestrebungen,
wie sie etwa die Mannheimer „Akademie für Jedermann" unter
Wicherts Leitung durch die Uebermittlung von Kunstwerken (Bildern,
guten Reproduktionen etc.) in die Häuser oder durch belehrende Vor-
träge verfolgt, schon allerhand Gutes gewirkt haben, so wird doch auch
auf diesem Wege weniger systematisch als spontan Erfolg erzielt —
und es ist sehr die Frage, ob der Glaube, daß z. B. ein gutes Bild in
einer mit sonst klitschigen Gegenständen ungefüllten Wohnung so stark
für das Gute werbend wirke, daß allmählich das Schlechte von selbst
verschwinde,^ nicht doch eine Ueberschätzung der immanenten Stoß- und
Expansionskraft wahrhaftiger Kunst dem Schundigen und Mittel-
mäßigen gegenüber bedeutet. Man wird hier den Begriff Volk sogar
recht erweitern dürfen, wenn man Gelegenheit hat zu sehen, wie in
Häusern des Bürgertums und auch der oberen Kreise etwa --wirklich
gute Bilder — oft Originale namhafter Künstler — in völlig unmög-
licher Umgebung auf völlig unmöglichen Tapeten hängen, und —
jahrelang hängen bleiben, also offenbar, ohne die Wirrung auszuüben,
Kie man von ihnen erwartet hat. Auch von der Verbilligung guter
Kunstwerke — und was wird hierin bei uns in letzter Zeit geleistet! —
hat man sich zu viel versprochen, und wer etwa beobachtet, daß das
Volk --- nun im allerweitesten Sinne — da, wo es z. B., sogar für recht

billiges Geld, in ein gutes Oratorium oder Symphonie-Konzert oder
etwa in ein klassisches Schauspiel gehen könnte, doch viel lieber in
„Püppchen", „Walzertraum" oder in den Kintopp geht, ist auch nach
dieser Seite recht skeptisch geworden. So wird man den allgemeinen
Eindruck nicht los, daß ein guter Teil unseres Mißerfolgs darauf
zurückzuführen ist, daß wir immer noch zu sehr an den Symptomen
kurieren.
Unter diesen Gesichtspunkten soll für alle, denen diese Fragen am
Herzen liegen, die bemüht sind, Wege zu suchen, hier auf ein Unter-
nehmen aufmerksam gemacht werden, das, auf einem ganz bestimmten
Gebiet einmal die Sache anders — und man kann nach alledem, was
davon bisher sichtbar ward, ohne weiteres sagen, von erheblich rich-
tigeren Ausgangspunkten her anfängt. Es hat auch hier, wie in letzter
Zeit bei künstlerischen Dingen meistens, das gute Neue seinen Ursprung
in Hessen, und zwar handelt es sich um die schon seit einer Reihe von
Jahren in Bensheim bestehende Malerschule, hauptsächlich
für Dekorationsmalerei, die nun, seit sie unter der Leitung eines
Künstlers steht, der sich auf diesem Gebiete in den letzten Jahren einen
bedeutenden Namen erworben hat, Jean Hammann, ganz neue Wege
zu neuen Zielen verfolgt. Diese Schule hat seit einigen Wochen eine
kleine Ausstellung von Schülerarbeiten eröffnet, die einen genügenden
Ueberblick über das geben, was da geleistet wird, und über die Art und
Weise, wie es zu diesen zum Teil außerordentlichen Leistungen kommt.
Das staatliche Hessen hat — offenbar unter der Initiative seines kunst-
sinnigen Fürsten — den Wert dieser Sache schon durchaus erkannt,
denn der Lehrplan der Bensheimer Malerschule soll nun allen derar-
tigen Anstalten im ganzen Großherzogtum zu Grunde gelegt werden,
und die betreffenden Lehrer werden jährliche Kurse dort zur Ein-
führung absolvieren.
Der Grundgedanke dieser Schule ist in kurzem etwa folgender:
Es sollen Handwerker — denn um solche handelt es sich in erster
Linie — und zwar Dekorationsmaler, im Laufe eines auf etwa drei
bis sechs Semester berechneten Lehrgangs dahin gebracht werden, voll-
kommen selbständig dekorative Malereien aller Art auszuführen, und
zwar, das ist das Wichtigste dabei, rein aus eigenem Vermögen, nach
eigenem mehr oder weniger stark ausgeprägten künstlerischem Instinkt.
Es ist also einerseits der Kampf gegen Fabrikschablone.und Imitation,
andererseits das Heraushvlen der eigenen Erfindung und Indivi-
dualität, was bezweckt wird. Wie wertvoll dieser Kampf gegen
Schablone und Imitation schon als solcher ist, wird jeder zu würdigen
wissen, der malerische Arbeiten, Tapeten, Wand-, Säulen-, Decke-
bemalung etc., sich einmal unter diesen Gesichtspunkt ansieht. Was da
an Ungeheuerlichkeiten in privaten und öffentlichen Gebäuden geleistet
wird — man denke nur etwa an die lächerlichen und zu gleicher Zeit
für die Handwerker außerordentlich zeitraubenden Marmor- oder
Holz-Imitationen an Säulen und Wänden — das ta-m einem wohl in
jeder Stadt deutlich genug aufgehen, von Farbenabstimmungen etc.
ganz zu schweigen.
Das alles wird dort ersetzt durch die Erlernung dekorativer
Flächenbehandlung. Den Ausgangspunkt bildet naturgemäß das
Ornament. Dabei ist das Interessante, zu beobachten, wie im Gegen-
satz zu allen derartigen Schulen, die mit einer Fülle von Vorlagen -
arbeiten, deren sich dann später, wenn sie sie abgelernt haben, die Maler
bedienen sollen, die Bensheimer Malerschule nur eine einzige Vorlage
kennt, und von da aus selbständig weitergeht, je nach Anlage und
Erfindungsgabe der Schüler. Diese Vorlage besteht in den einfachsten
Grundmotiven aller Linienornamentik, die angeeignet und beliebig
variiert werden. Aus ihnen wachsen dann vollkommen selbstverständ-
lich die Grundmotive der Flächenornamentik -heraus. Mit der rein
äußerlichen Beherrschung und dieser Grundstruktur des Ornaments —
in klaren einfachen Farben immer gleich, auf einfache Friese, Rosetten-
decken oder Rosetten angewendet — ist das Rüstzeug für eine ganz
selbständige Weiterentwicklung gegeben, und es ist erstaunlich, zu beob-
achten, wie sich allmählich in immer freierer Lösung des Ornaments
der Erfin-dungstrieb zeichnerischer oder malerischer Art, je nach der
Begabung, bei den Schülern rsgt, über denen nur die hinzuweisende
und helfende, nie die vorschreibende oder, schablonengebende Hand des
Lehrers waltet, der allerdings offenbar hervorragend pädagogisch
begabt ist.
Die Wege also, die der Lehrplan in dieser Hinsicht geht, hängen schon
hier von der Individualität des Schülers ab und führen sozusagen
bei jedem auf andere Dinge. Es folgt weiter das Natursiudium: aber
immer unter dem Gesichtspunkt der nachherigen stilisierenden Ein-
beziehung des Natürlichen in die Dekoration, um die es sich ja haupt-
sächlich handecht, Die Schüler zeichnen und malen etwa einen Bogel
 
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