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W. 10.

1. WM-MM.

1914.

Inhalt: Der Freischärler-Putsch zu Heidelberg am Oster-
montag 1848. Von Th. Wilckens, Finanzrat a. D. — Der Klag- und
Trauer-Umgang an Ostern in Alt-Heidelberg. — Neues aus Scheffels
Dichterwerkstatt. — Die Beleuchtungsverhältnisse Heidelbergs vor
einem Jahrhundert. Von W. Sigmund. — Allerlei: Der Name der
Stadt Heidelberg. Studentenkompagnien und -aufzügc in Heidelberg.
Das Hnngerjahr 1817.


Heidelberger Tagebuchblätter.
24. März — 7. April.
Kommunales. 25. März. Beginn der dreitägigen Etatbcratungen im
Bürgerausschub. 27. März. Annahme des städtischen Voran-
schlags unter Ablehnung der beantragten Umlageerhöhung. —
1. April. Eröffnung der Straßenbahn nach Neckargemünd.
Von der Universität. 27. März. Prof. Dr. Gustav Nadbruch nimmt
einen Ruf nach Königsberg an. — 2. April. Geheimer Rat Dr.
Fleiner wird an das Krankenlager des Königs von Schweden
nach Stockholm berufen.
Verschiedenes. 27. März. Bei einem Gernsteinsturz der Straßen-
überführungsbrücke an der Ringstraße werden 8 Arbeiter ver-
letzt, einer getötet. — 4. April Kreisversammlung des Kreises
Heidelberg. — 4.—5. April. Hauptversammlung des Verbandes
süddeutscher Zeichenlehrer. — 5. April. Der Fußballklub Heidel-
berg-Neucnheim gewinnt im Spiel gegen den Fußballklub Frank-
furt die süddeutsche Rugbymeisterschaft.


Der Freischärler-Putsch zu Heidelberg
am Ostermontag 1848.
Von Th. Wilckens, Finanzrat a. D.
Da sich wohl wenige Einwohner Heidelbergs mehr an die Ereig-
nisse, die sich am O st er montag 1848 dahier abspiclten, erinnern,
so dürfte cs vielleicht angezeigt erscheinen, einen Bericht darüber, den
ich im „Heidelberger Journal" Nr. 114 vom 26. April 1848 vorfand,
abzudrucken. Derselbe hat die Ueberschrift: Bericht über den Putsch
zu Heidelberg am 24. April; als Verfasser ist unterzeichnet: „Ein
Wehrmann." Der Bericht selbst lautet:
„Schon am 24. April in der Frühe ging durch Heidelberg das
Gerücht, daß Aussendlinge auf das Land gezogen seien, welche die
Bauern und Bewohner anderer Städte bewegen sollten, auf 24. Avril
mittags 1 Uhr nach Heidelberg zu kommen, wo die Republik proklamiert
werden würde. Man fühlte, daß, weil von feiten der Gemeindebe-
hörden zum Vollzug des Bürgerwehrgesetzes und zur Wahl eines Kom-
mandanten der ganzen Bürgerwehr noch nichts geschehen war, das
erste Bedürfnis die Wahl eines solchen Kommandanten sei.
Das Korps der Offiziere und Unteroffiziere der Bürgerwehr trat
gleich morgens früh um 10 Uhr an zur Wahl eines Kommandanten.
Fast einstimmig wurde Herr Rümmer, Professor an der Höheren Bür-
gerschule, ein ehemaliger ausgezeichneter Artillerieoffizier, zum Kom-
mandanten erwählt. Nach der Wahl wurde zwar beantragt, die Stadt
an allen Eingängen zu besetzen und Patrouillen gegen Neckargemünd
streifen zu lassen, allein der Bürgermeister war dagegen, indem er
meinte, man könne den Einzug solcher Besucher nicht verhindern und
solle ihnen freundlich Spalier machen, um sie durchpassieren zu lassen,
wohin sie wollten, und so unterblieben alle Vorsichtsmaßregeln.
Plötzlich aber, mittags gegen 1 Uhr, erschien ein langer Wagen-
zug von Sinsheim und der Umgegend, an dessen Spitze mit Gewehren
und Sensen Bewaffnete in die Stadt zogen. Viele Wagen mit, wie
man sagt, wenigstens 500 bewaffneten Bauern blieben noch außerhalb
aus der Straße von hier nach Neckargemünd, des Winkes harrend, um
in die Stadt nachzukommen. Als der Sinsheimer Zug an das Amts-
baus kam, trat der Kommandant dem Apotheker Mayer, dem Führer

der Sinsheimer Zuzüger, entgegen und fragte ihn, was dieser be-
waffnete Einzug zu bedeuten habe? Waffen seien durchaus unnötig,
auch sei keine Volksversammlung in Heidelberg, und darum falle dieser
Zug sehr auf. Allein der Führer Mayer gab dem Kommandanten
Rümmer gar keine Antwort, sondern speiste ihn mit trotzigen Blicken
ab. Indem der Zug weiter durch die Straße vor das Rathaus ging,
schrie derselbe: „Es lebe die Republik!" Mittlerweile wurde überall
der Generalmarsch geschlagen, die Fähnlein sammelten sich rasch auf
ihren Alarmplätzen und zogen daun vor das Rathaus, wo Komman-
dant Nummer von der sämtlichen Mannschaft, darunter auch dem
Fähnlein der Studenten, so ein Viereck bilden ließ, daß der Sinsheimer
Zug mit einigen Wagen, wovon einer sogar Munition führte, davon
eingeschlossen war. Nachdem eine Zeitlang parlamentiert worden
war, wurden die Sinsheimer aufgefordert, die Waffen abzulegen,
allein sie gehorchten nicht, sie luden vielmehr ihre Gewehre. Nun lud
auch von der Bürgerwehr ein Teil seine Gewehre. Als die Besucher
diese Gegenmaßregel sahen, ergriffen sie die Flucht, indem sie zum
Teil ihre Waffen wegwarfen, zum Teil durch das Viereck durchzu-
brechen suchten. Da man nicht wußte, was sie vorhatten, so verfolgte
die städtische Reiterei die Fliehenden, nahm ihnen die Waffen ab und
brachte solche nach dem Rathaus zurück. Leider sind beim Durchbruch
der Fliehenden durch das Viereck auch einige Verwundungen auf Heiden
Seiten vorgekommen, doch nicht von Bedeutung. In wilder Flucht
gingen aber die Zuzüger teils über die Neckarbrücke, teils durch die
Bergstadt dem Wolfsbrunnen zu auf und davon.
Ein Wehrmann."
Außer vorstehendem Bericht des „Heidelberger Journals" finde
ich die Angelegenheit auch erwähnt in einem Schriftchcn von Max
Weiß, Pastorationsgeistlicher in Waldshut, 1897 erschienen, unter dem
Titel: „Die Revolutionsjahre 1848 und 1849". Herr Weiß sagt:
„Freischärlerbanden brachen zu Sinsheim in die Obereinnehmerei und
in die evangelische Stiftsschaffnei ein und erpreßten Geld. Am 24.
April, es war Ostermontag, zogen ungefähr 150 Männer und Burschen
aus Sinsheim und den umliegenden Ortschaften, ausgerüstet mit Ge-
wehren, säbeln, Pistolen, aufgerichteten Sensen, Mistgabeln, Dolchen,
Metzaermessern usw. nach Heidelberg, um einer Volksversammlung an»
zuwohncn, auf welcher, wie sie glaubten, beraten werden sollte, ob und
wie man durch gewaltmäßiges Eingreifen die erforderten Rechte er-
zwingen könne. Wenige Tage zuvor hatte Bürgermeister Winter von
Heidelberg durch die Zeitung das Projekt zu einer Staaten-Bundes-
Nepublik als seine Privatmeinung kundgeaeben. Vielleicht hat diese
Veröffentlichung die bewaffnete Schar noch bestärkt, nach Heidelberg
zu gehen. Gegen 1 Uhr mittags zogen die unterwegs noch durch zu-
ziehende Gleichgesinnte verstärkten und durch Getränke aufgeregten
Freischärler in Heidelberg ein und machten bei der Heiliggeistkirche
Halt."
Die Entwaffnung der Freischärler durch die Heidelberger Bür-
gerwehr und bewaffnete Studenten wird von Max Weiß in ähnlicher
Weise wie von dem genannten „Wehrmann" dargestellt. Der Ge-
meinde Sinsheim war der Vorfall natürlich sehr unangenehm und nach
Ak. Weiß erschien in der Karlsruher Zeitung vom 5. Mai eine Notiz
aus Sinsheim, worin es u. a. hieß: „Der von hier ausgegangene Zug
nach Heidelberg ist öfter aus eine für unsere Stadt sehr nachteilige Art
erzählt worden. Es war keineswegs eine große Anzahl hiesiger Bür-
ger, die an jenem Zuge teilnahmen. Es mögen deren 25—30 gewesen
sein, die anderen Teilnehmer waren ledige Burschen, Handwerksge-
sellen und Lehrjungcn. Mehr Anteil nahmen die umliegenden Orte.
Der Gemeinderat tat alles, was in seiner Kraft stand; er stellte auch
schon am Dienstag früh das von den Freischärlern in der Oberein-
nchmerei und dem Stift geholte Geld zurück, sein Bedauern über den
Vorfall aussprechend."
Von Dr. F. Bissing, einem geborenen Heidelberger, erschienen
im Jahre 1907 in der „Straßburger Post" einige Aufsätze über Heidel-
berger Ereignisse unter dein Titel: „Erinnerungen ans längst vergan-
genen Tagen". Auch Dr. Bissing schildert den Ostermontags-Putsch
wie folgt:
„Am Ostermontag 1848 zogen durch das Karlstor mehrere hund.nt
mit Gewehren, Sensen usw. bewaffnete Landleut: aus Sinsheim und
Umgegend in die Stadt ein; sie waren vielfach vvn ihren Weibern be-
gleitet, die große sacke trugen, um darin die Stadtbewohner ihres
überflüssigen und daher der Gleichheit der Bürger schädlichen Wohl-
standes zu entledigen. Zum Glück stand an der Spitze der Heidelberger
Bürgerwehr ein energischer Mann, der Bürgerschulprofessor Rüm-
mer, ein ehemaliger Artillerieoffizier. Dieser ließ sofort die zügellose
Bande umzingeln und drohte den Leuten, sie niederschieben zu lassen,
 
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