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wenn stc die Waffen nicht niederlegen würden, und dieser energischen
Drohung, wie einer begütigenden Ansprache des Geh. Rais Mitter-
maier gelang es, die betijrten Leute zum friedlichen Abzug zu bewegen,
die von der Republik gehört und darunter die Güterteilung verstanden
hatten."
Es scheint ein Teil der Bürgerschaft Heidelbergs die Haltung des
Bürgermeisters Winter den Freischärlern gegenüber beanstandet zu
haben, denn in Nr. 114 und Nr. 115 des „H. Journals" erschienen je
2 anonyme Artikel, wodurch Winter zu einer Art von politischem Glau-
bensbekenntnis und zur Äeußerung aufgefordert wurde, ob und wie
weit er an einer Einladung an die Einwohner des Elsenzgaues be-
teiligt gewesen sei. Eine Erklärung Winters darauf konnte ich im
„Journal" nicht finden; dagegen hatte Winter bereits in Nr. 114 eine
kurze Erklärung abgegeben, wodurch er sich dagegen verwahrte,, daß er
durch Verleumder und Denunzianten in Karlsruhe und Frankfurt als
revolutionärer Bürgermeister dargestellt werde. Offenbar war er bei
der Regierung in Karlsruhe wegen seiner liberalen Gesinnung nicht
gut angsschrieben und wurden auch seine nicht unerheblichen Ver-
dienste um das Wohl der Stadt nicht anerkannt, wie wir aus der
Arbeit von Herrn K. Roth: „Die Bürgermeister von Heidelberg" in
Nr. 4 der „Heidelberger Rundschau" ersehen.
Eine großartige Volksversammlung, welche am 26. März 1848 in
Heidelberg stattfand, und bei der Winter, Mittermaier, Welcher u. a.
in dem Schloßhof sprachen, war ohne Ausschreitungen und ohne über-
triebene Forderungen an die Regierungen verlaufen.
Einen unheilvollen Einfluß hatte im Amtsbezirk Sinsheim der
Apotheker Mayer, ein ganz rabiater Demokrat, ja nach heutigen An-
schauungen Anarchist, und ebenso seine gleichgesinnte Frau ausgeübt.
Mayer war nebst einem gewissen Bauer lgewesenem Ämtsrevisorats-
gehilfen) wegen Anzettelung und Leitung des Ostermontagszuges in
Untersuchung genommen, jedoch vor seiner Verhaftung nach Frank-
reich geflüchtet. Im Mai 1849, nach Ausbruch der Revolution, zog
Mayer sein geborener Württembergers als Zivilkommissar in Sinsheim
ein und ließ seinen politischen Leidenschaften vollauf die Zügel schießen,
er terrorisierte den Bezirk, setzte nach Belieben Beamte ab, plante auch
die Verhaftung einer Reihe von ihm mißliebiger Bürger und Beamten,
bis die Niederwerfung der Revolution und das Eintreffen der
Preußen dem ruchlosen Treiben ein Ende machten. Mayer entzog sich
seiner Verhaftung durch Flucht nach Amerika.*)
Im Jahre 1848 erschien auch in der „Leipziger Illustrierten
Zeitung" eine kleine Abbildung des Ostermontagsputsches mit kurzem
Bericht über den Vorgang. In den Städtischen Sammlungen findet
sich eine photographische Nachbildung dieses Holzschnittes und auch ich
besitze eine solche. Vor dem Eingang des Rathauses steht eine Reihe
Freischärler, die bereits ihre Waffen zu Boden gelegt haben. Gegen
die Mitte des Platzes steht einer der Leiterwagen, hinter dem einige
Berittene der Bürgerwehr hervorrAten, und im Hintergrund steht be-
waffnete Bürgerwchr zu Fuß. Von der Hauptstraße her ziehen 7 mit
Flinten und Schlägern bewaffnete Studenten heran. Oben auf dem
Balkon des Rathauses steht eine Anzahl Bürgerwehrschützen in
drohender Haltung gegen die Freischärler unten. Merkwürdigerweise
stehen vor dem Haupteingang zum Rathaus zwei Tannen, die fast noch
das zweite Stockwerk des Rathauses überragen. Möglicherweise waren
es sogenannte „Freihcitsbäume", die man öfters in jenen politisch un-
ruhigen Zeiten aufzurichten pflegte.
Als geborener Sinsheimer, der als lOjähriger Junge den Aus-
zug der Freischärler aus Sinsheim mit ansah, habe ich spezielles per-
sönliches Interesse, zu erforschen, was man über das gesamte Ereignis
in der Folge berichtet hat.
Wer eigentlich eine Aufforderung an die Bewohner des Elsenz-
tales erlassen hatte, war mir nicht möglich aufzuklären aus dem mir
zu Gebot stehenden Material. Ein gewisser Johannes Rasp, der, wie
es scheint, einigermaßen eine politische Rolle in Heidelberg spielte, ver-
wahrte sich in einer längeren Erklärung am 27. April im „Heidelb.
Journal" dagegen, daß er: 1. von niemandem angegangen worden sei,
eine Volksversammlung lbewaffnet oder unbewaffnet) in Heidelberg an-
zuordnen, 2. daß er niemanden direkt oder indirekt ausgesendet habe,
zu einer solchen Versammlung einznladen. Also muß ein gewisser
Verdacht auf genanntem Herrn Rasp geruht haben.

*) Vgl. S. 15 der Schrift: „Aus dem Kraichgau. Eine Skizze
zur Geschichte der Revolution in Baden. Heidelberg, E. Mohr, 1850.
Verfasser ist Adolph Wilckens, Amtsrichter.
Der Klag- und Lrauer-Amgaug an
Ostern in ML-Heidelberg.
In Heidelberg, wie an vielen anderen Orten, war es üblich, daß
an Stelle der früheren Osterfestspiele Umgänge gehalten wurden, bei
denen hauptsächlich Figuren aus dem alten und neuen Testament,
namentlich alle, die in irgendwelche Beziehung zu Christus traten,
vorgeführt wurden. In Göckings „Journal von und für Deutschland",
Jahrgang 1784, findet sich eine interessante Beschreibung eines solchen
Umzuges, die wohl verdient, daß man sie der Vergessenheit entreiße.
Es möge darum ein kurzer Auszug aus dem genannten Bericht hier
Platz finden. Wir lesen:
In Heidelberg wurde am 4. April 1784 als am Palmsonntag von
der akademischen Versammlung der Verkündigung Mariae, bei den

Weltgeistlichen des größeren Seminartums, das Leiden Christi
in einem Klage- und Trauerumgang vorgestellt. Es geschah dies in
10 Ordnungen, von denen nur einige mitgeteilt sein sollen, da sich die
anderen in ganz ähnlicher Weise anreihen. Es waren also zu sehen:
Eingang: Verderben des menschlichen Geschlechts durch die
Sünde Adams. Erlösung desselben durch das Kreuz Christi.
U. 1. Ein Führer mit dem Stabe, in Trauer gekleidet.
2. litulus: Orristus Mtieu«. Christus, der Leidende.
3. Die peinlichen Werkzeuge des Leidens Christi in der Gestalt
des Namens j versetzet.
4. Der noch unschuldige Adam mit einer Lilie in der Linken
und mit einem Wanderstabe in der rechten Hand, der Freund Gottes
vor dem Falle.
5. Jesus der Sohn Gottes unter den Lilien, von 8 aus Heidel-
berg getragen.
6. Der Baum der Wissenschaft des Guten und Bösen vom Neide
getragen, daran das Bild der alten verführerischen Schlange mit dem
Apfel im Munde hängt. Der Anfang des zeitlichen und ewigen
Todes.
7. Adam, der erste sündhafte Wandersmann und unglückselige
Vater, trägt eine Erdschaufel samt einem Todtenkopf, der einen Apfel
im Munde hat.
8. Ein Cherub verfolgt den Adam mit dem flammenden Schwert.
9. Jesus unter den Rosen, wie er das Kreuz umfängt.
10. Die erste Ordnung kleiner Kreuzträger.
11. Der zwölfjährige Jesus, mit Dörnern gekröhnt, tragend sein
Marterzeug in einem Körbchen samt dem Kreuze auf der Schulter.
12. Die zweite Ordnung kleiner Kreuzträger.
Sittenlehre. Erste Ordnung. Einsetzung des hochwürdig-
sten Sacraments des Altares.
1. Ein Führer mit dem Stabe, darauf Kelch und Hostie.
2. litulus: lustitutio lruedaristiss.
3. Johannes der Täufer, führend einen Kreuzstab mit den Worten
Ikcce agnus ckei.
4. Das Osterlämmchen, aus dessen Brust das Blut in den Kelch
fließt.
5. Melchiscdech, des Allerhöchsten Priester und König Zu Salem,
mit einem Rauchfaß.
6. Die Fruchtgarbe des unschuldigen Josephs von den brüderlichen
Garben verehrt.
7. Der Robzweig mit den Trauben aus dem gelobten Land au
einer Stange.
8. Christi unsers Herrn Bildnis mit einem Kelche, von 16 aus
Edingen getragen.
Zweite Ordnung. Die Angst und das Gebet Christi im Garten
und Oelberg.
1. Ein Führer mit einem Partisan.
2. litulus: Lliristus oraos.
3. Der betrübte König David mit seiner Harfe. Ein Vorbild
des in tödtlicher Angst betenden Heilandes. Folgen zween Edelknaben
und einige Bedienten des Königs.
4. Der auf dem Berge betende Moyses, wie seine Hände von
Aaron und Hur unterstützt werden, bis Amelek, der Feind Israels,
geschlagen ist.
5. Ein Kreuz, an welchem verschiedene Passionswappen sind.
6. Bildnis des betenden Heilands, von 24 Schriesheimern ge-
tragen.
Dritte Ordnung: Die Gefangennchmung und Verhöhnung
Christi.
1. Ein Führer mit einer Partisane.
2. litulus: Lkristus captivus.
3. Der unschuldige Joseph von seinen Brüdern gebunden.
4. Samson, von Philistern gefangen, von einem Knaben geführt
und verhöhnet.
5. Herodes, welcher Christum verspottet.
6. Bildnis des von Herodes verspotteten Herrn, von 16 aus
Wißloch getragen.
In ähnlicher Art reihen sich die weiteren 7 Ordnungen an, die
des Bunten und Mannigfaltigen genug bringen.
 
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