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1913


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Inhalt: Heidelberger Tagebuchblätter. — Des Winterkönigs
Pruukhochzeit. Eine 300jährige Erinnerung aus Heidelberg. —
Schloß Favorite bei Rastatt. — Alt-Heidelbergs Straßen, Gassen und
Märkte. (Schluß.) Von K. Roth. — Allerlei: Heidelberger Studen-
tentracht. Körperübungen der Studenten.

Heidelberger Tagebuchblätter.
3. bis 16. Dezember 1913.
Personalien. (3. Dez.) Der Stadtrat verleiht dein scheidenden Ober-
bürgermeister Wilckens das Ehrenbürgcrrecht. — (14. Dez.)
Großh. Oberbaurat Koch f.
Universität. (3. Dez.) Der Staatsvoranschlag sieht 1268 000 Mk. an
ordentlichen Dotationen für die Universität vor. (10. Dez.) Be-
rufung von Professor Perron-Tübingen zum Nachfolger Koenigs-
bergers. (12. Dez.) Die Zahnmedizinischen Studierenden treten
zur Erlangung des zahnärztlichen Doktortitels in den Streik.
Kommunales. (3. Dez.) Wahl der Kreisabgeordneten. — (4. Dez.)
Der Bürgerausschuß genehmigt den Rücktritt des Oberbürger-
meisters, Annahme der Arbeitslosenfürsorge-Vorlage.
Vorträge und Versammlungen. (3. Dez.) 18 wirtschaftliche Verbände
halten eine Protestversammlung gegen die Arbeitslosen-Vorlage
ab. — (4. Dez.) Roald Amundsen spricht über seine Entdeckung
des Südpols.
Verschiedenes. (6.—15. Dez.) Landes-Tuberkulose-Ausstellung. —
(5. Dez.) Erster Schneefall auf dem Königstnhl. — (14. Dez.) Auf-
führung von Wolfrums Weihnachtsmysterium im Bachverein.

Des Winterkönigs
Prunkhochzeit.
Eine Ivvjährige Erinnerung aus Heidelberg.
Die nachstehende Schilderung kommt zwar etwas
post kestum, wird aber trotzdem das Interesse un-
serer Leser erregen, umso mehr, als ja das Schloßfest,
bas Anfangs Juli dieses Jahres die Hochzeit verherr-
lichte, noch in der Erinnerung der Heidelberger sein
dürfte. Die Red.
In den Städtischen Sammlungen in Heidelberg befinden sich zwei
alte Kupferstiche, die ein junges Fürstenpaar zeigen; ein Jüngling
noch ist der Manu, hübsche Augen leuchten aus schönen Zügen, aber
eine leicht stutzerhafte Kleidung beeinträchtigt dies sympathische Ge-
icht. Reifer und stolzer scheint die Frau, die mit Schmuck und Edel-
teinen reich beladen ist. Beide Bilder stellen den Kurfürsten
Friedrich V. und seine Gemahlin, die Kurfürstin Elisa-
beth, dar. Elisabeth war eine Engländerin, die Tochter König Ja-
kobs, um di: 1612 zwei kurpfälzische Gesandte durch Ueberbringung
eines Briefleins ihres damals erst 15jährigen Gebieters warben.
Mit dem jungen, auf dem Schlosse von Bouillon in Sedan erzo-
genen Fürsten kam auch an den Heidelberger Hof der aalglatte
Konversationston und die weltmännischen Formen, die bis dahin dort
nicht üblich waren. Statt der sporenklirrenden Nitterstiefel bewegten
sich jetzt feine Schühlein über das Parkett und auf die wüsten Trink-
gelage folgte zierliche französische Etikette. Es war die Kultur der
Nachahmung, die der in allen „eleganten Wissenschaften" wohl instru-
ierte junge Fürst pflegte. Seine Eitelkeit war seine Liebe. Der Schön-
heitsruhm der englischen Prinzessin Elisabeth Stuart reizte seine
Eitelkeit und er schrieb ein im französischen Hofstil fein gekünsteltes
Brieflein nach London. Daraus entstand eine galante Korrespondenz,
die schließlich auch zur Hochzeit führte.
1613 wehte auf dem Tower in London die Hochzeitsfahne, in
Gravesend wurde der pfälzische Bräutigam mit „gewaltigen Freuden-
schüssen" empfangen und in 24 Schiffen wurde die Hochzeitsgesellschaft
die Themse hinauf befördert. Was London damals zu sehen bekam,
war eine so prunkvolle Hochzeit, daß sie der Geschichtsschreiber zu den
glänzendsten Festen des Jahrhunderts zählt. Die Ankunft des hüb-

schen jungen Deutschen versöhnte auch die, welche in dem zu geringen
Titel eines Kurfürsten so etwas wie eine Mesalliance sahen. „Die vor
Ihrer Churfürstlichen Gnaden Ankunft etwas sinistre von dero Per-
son judiziert, dieselben höchlich zu rühmen Ursach genommen," verzeich-
net der Chronist. Der Hochzeitszeremonie voraus ging die Verleih-
.ung des Hosenbandordens an Ihre Churfürstliche Gnaden. Der Hoch-
zeitszug, in dem Bischöfe, Kanzler, Grafen, Ritter und zuletzt das
Königspaar schritten, funkelte im Schimmer der Diamanten und
Perlen. Das Brautpaar war in Weißen Atlas gekleidet. Während
der Hochzejtsfeier und der folgenden Nacht brannten in allen Straßen
Londons Freudenfeuer und die Glocken läuteten bis Mitternacht.
In Heidelberg kam Frievrtch vor seiner Gattin an, um mit
höchsteigenem Kopf die Vorbereitungen für den Empfang zu leiten-
Er lud eine Menge Gäste ein und machte seinen Bürgern einfach die
Auflage, für die nötigen „Losaments" zu sorgen. Friedrich sandte
seiner Gattin und ihrem Troß ein eigens erbautes Prunkschiff ent-
gegen, das in Deutz die von Holland kommende Hochzeitsgesellschaft
traf. Die Lustjacht ist einiger beschreibender Worte wert. Ein ge-
schnitzter, grün bemalter Lorbeerkranz schlang sich um das Schiff, das
vornen und hinten je zwei Kanonen trug; den Bug zierte der pfälzische
Löwe, das Heck eine Figur der Glücksgöttin. Die Segel waren aus
grüner Seide. Die sieben Kabinen waren mit Samt, Teppichen und
goldenen Tapeten ausgeschlagen. Bunte Fahnen und Wimpel schmück-
ten das ganze Schiff, das neben den Segeln dnrch 8 Ruderer bewegt
wurde. So zog die Fürstin den Rhein herauf, überall geehrt und fest-
lich empfangen. In Oppenheim wurde das Schiff verlassen und die
Reise in ebenso prächtig gezierten Wagen unter Begleitung vieler
Reiter fortgesetzt. Oppenheim und Frankenthal feierten große Feste,
die Straßen waren grün geschmückt und mit Rosen bestreut, Feuer-
werke wurden abgebrannt und allenthalben wurden Freudenschüsse ab-
gegeben, von denen geschrieben steht: „welche mit einem schrecklichen
Donner und Blixen daß Salve gesungen." Triumphgassen waren er-
richtet von Säulen, Maien- und Pomeranzbäumen, brennende Oel-
und Pechtonnen verbreiteten nachts eine große Helligkeit.
Auf Friedrichs Einladung waren gegen 2000 Gäste in Heidelberg
erschienen, Fürsten und Herzöge, Markgrafen und andere Edelinge.
Sie alle zogen zum Empfange nach Ladenburg, wo durch Militär ein
richtiges bewaffnetes Feldlager aufgeschlagen worden war. Nach einem
Kupferstich von Georg Keller gleicht dieses Lager einem Kricgslager,
nur die feierliche Empfangsszene im Vordergründe unterscheidet das
Bild von ähnlichen Stichen aus dem 30jährigen Kriege.
Der Einzug inHeidelberg wurve nach zeitgenössischer Sitte
mit Abfeuern der Stücke und Feldschlangen auf den Türmen der Stadt
und am Neckar begrüßt. Mitten im Neckar standen zahlreiche Häus-
chen, und Fischer fuhren mit ihren Nachen daran vorbei, um mit Spie-
ßen die Türen der Häuschen zu treffen. Gelang der Stich, so öffnete
sich die Tür und ein Huhn flog heraus. Bisweilen stürzten auch
die Speerwerfer ins Wasser, weil sie „zuvor aus Churfürstlicher Be-
gnadigung ziemlich in den Weingläsern gestochen". Gänse, „welchen
die wassersüchtigen Thurnierer die Hälß abreißen sollten", hingen über
dem Neckar. „So doch viel Gefahr genommen; denn mancher darüber
zeitlich im Neckar gelegen". In den Straßen drängten sich die Men-
schen Kopf an Kopf, Soldaten mußten den tief mit Blumen bestreuten
Weg frei halten. Äon der Ehrenpforte auf dem Markt wurde eine
goldene Krone auf den Thronwagen der Prinzessin herabgelassen, die
auf dem Wege zum Schlosse durch weitere Ehrenpforten (darunter vier
der Fakultäten) hindurchfuhr. Die Ehrenpforten der Universität wa-
ren so groß, daß auf ihren Plattformen ganze Musikkapellen Platz
fanden. Der Rektor Magnificus begrüßte die Prinzessin und bat,
daß „Ihrs Churfürstliche Gnaden sich die alte Lehrstätte wolle in
Gnaden befohlen sein lassen".
Im Schlosse erwartete das „gesambte Frawenzimmer" die
Fürstin. Es begann nun die Reihe der Feste in Heidelberg, Tage voll
des Glanzes und der Verschwendung, Prunkmahle folgten auf Prunk-
mahle; in der Vorstadt waren Lusthäuser und Zelte aufgeschlagen
und Tribünen rahmten den Turnierplatz. Die fürstlichen Kämpen
trugen goldene Harnische und ihre Pferde waren mit perlenbesäten
Decken und Zügeln geschmückt. Ein Kupferstich von W. Harnister ist
erhalten, der die Unterschrift trägt: „Abriß deß Triumphfeuerwercks.
Der Churfürstlich Pfaltz Hcimführung." Nach diesem waren auf dem
Neckar ganze Burgen erbaut, die in Feuer und Raketen aufgingen.
Pauker und Bläser am anderen Neckarufer verstärkten den festlichen
Lärni. Aufführung und Maskenumzüge, bei denen der ganze „Olymp
 
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