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W. 7. Z. WkM- MZßOZ. 1914.


Inhalt: Die Traitteursche Wasserleitung Nom Rohrbacher
Gebirge nach der kurfürstlichen Residenz Mannheim. Von W. Sig-
mund. — Die Brnnnengemeindrn in Heidelberg. (Schluß.) Von K.
Roth. — Die Familie Wilckens. — Geschichte des Hauses Hauptstr. 97.

Heidelberger LagebuchbLätter.
4.—17. Februar.
Personalien. 6. Febr. Jakob Laubfried r. — 16. Febr. Fünfzigjäh-
riges Doktorjubiläum von Professor Adolf Mayer.
Von der Universität. 15. Febr. Verleihung des Viktor-Meyer-Preises
im chemischen Institut. — 15. Febr. Die Ilo/al ZiMronomiimt
Zocietv in London verleiht dein Leiter der Königstuhlsieruwarte,
Herrn Geheimrat Wolf, die goldene Medaille. — 16. Febr. Be-
kanntgabe des Vorlesungsverzeichnisses.
BersamrulungeA. 11. Febr. Versammlung des Zweigvereius Heidel-
berg des Verbandes südwestdeutscher Industrieller. — 15. Febr.
Generalversammlung des Vereins Handschuhsheim. — 16. Febr.
Generalversammlung des Vereins Alt-Heidelberg.
Stiftungen. 14. Febr. Bekanntgabe der 1VV VOO-Mark-Stiftung des
verstorbenen Fabrikanten Jakob Landfried zur Unterstützung in
Not geratener Kaufleute, Angestellter und Beamten.

Die Trawerrrfths WaMkkttmg
VOM Bohrbllcher Gebirge nach der kurfürstlichen
Residenz Mannheim.
Von W. Sigmund.
Der Wanderer, der vom Bierhelderhof auS seine Schritte durch
den Rohrbacher Wald hinab nach diesem freundlich gelegenen Dörf-
chen lenkt, ahnt nicht, daß er vielfach „historischen" Bode» unter
seinen Füßen hat: er weiß dies ebensowenig, wie mancher Nohr-
bacher Bürger, der ein wertvolles Stück Altertum von kunstgeschicht-
lichem Wert in der Form von Hohlziegeln oder steinernen Kamin-
röhren aus seinem alten Häuslein beherbergt. Und doch ist dies so.
„Trätterröhren" nennen die Rohrbacher diese so verwendeten Fund-
stücke auS der Zeit vor 12S Jahren, wo der kaiserliche und
R e i ch s ob r i st l eu t n a n t Johann Andreas Traitteur,
Uivkessonr cku Oenie, auf der Universität zu Heidelberg, ein scharf-
sinniger Denker und Forscher, die reichen Wasseradern un
Rohrbacher Wald fasten ließ und vermittelst einer sinnreich
eingerichteten Wasserleitung nach der damaligen kurfürstlichen
Residenz Mannheim leiten wollte.
Im Jahre 1720 hatte der Kurfürst Karl Philipp seine Residenz
von Heidelberg nach Mannheim verlegt. Neckar und Rhein durch-
strömten damals noch als wilde, ungebändigte Gesellen die heute im
Aehrenschmuck wogenden Felder, hier einen Arm bildend, dort seichte
Stellen in Sumpf verwandelnd, um wieder au anderen Orten als
langsames, schlammiges Gewässer die Niederung zu durchschneiden.
Diese verschiedenen Wasserarme bildeten für die damalige Festung
Mannheim natürliche Schutzwaffen; Karl Philipp aber ließ die Zita-
delle Niederreißen und die nicht besonders angenehm duftenden Grä-
ben zuwerfen, was sich in der Zukunft schwer rächen sollte. Krank-
heiten nnd Epidemien waren die Folge, und die durch Morast und
Erdreich geschlagenen Brunnen lieferten ein fast nicht genießbares
Trinkwasscr und gefährdeten so die Gesundheit der Bürger, Be-
satzung nnd Einquartierung aufs schwerste. Um sich nicht selbst in
Gefahr zu begeben, ließ die kurfürstliche Hofhaltung mittelst, eines
besonders gebauten Fuhrwerks täglich Wasser von dem tiefen Brunnen
des Heidelberger Schlosses hinüberführen.

Da wurde dem schon 1680 von dem Kurfürsten Karl Ludwig ver-
folgten Projekt einer Wasserversorgung aus dem Rohrbacher Ge-
birge aufs neue näher getreten; eine Menge Vorschläge tauchten auf,
wollte doch selbst der Küfermeister Mannsperger das
Wasser von Rohrbach in einem Weinschlanch bei-
leiten, ward aber „ins T o t l h a u s. v e r w i e s e u". Erst
Traitteur verfolgte die Sache mit Umsicht nnd Verständnis. Sechs
Jahre lang streifte er im Gebirge umher, beobachtete die Quellen
zn den verschiedensten Jahreszeiten auf ihre Ergiebigkeit und ihren
Lauf, nahm da und dort Vermessungen vor und stellte so in großen
Zügen den Plan einer Wasserleitung vom Rohrbacher Wald nach
Mannheim fest. Im Jahre 1790 endlich begann die eigentliche Arbeit.
Schachte und Stollen von 60 bis 200 Fuß Tiefe wurden in die Felsen
gebrochen nnd dem Ursprung der Quellen so lange nachgespürt, bis
der kostbare Schatz als sichere Ader gefaßt und nach dem zentralen
Brunnenhaus geleitet werden konnte. In steinernen Särgen klärte
sich das mit etwas Sand vermischte Wasser; besondere Kanäle, teils
ansgemauert, teils mit Pulver in die Felsen gesprengt und mit dicken
Platten gedeckt, beherbergten die W a ss e r t e i tu n g S r ö h re n,
welche aus Lettenerde zu Stein gebrannt waren und
mit dem eine» dünnere» Ende in dem weiteren Ende der nächsten
Röhre steckten. Nur 214 Schuh, also 75 Zentimeter, maß eine solche
Röhre, damit der Brunnenmeister beim Einlegen mit dem Arm
hineinlangen und mit den Fingern den Kitt von Unschlitt, Kalk,
Bolus, Glas, Hammerschlag usw. in die inwendige Fuge der Deichet
„wohl eindrücken und verstreichen" konnte. Ein jeder Deiche! ruhte
mit seinem dicken Ende auf einem Unterlagstein, und das ganze
Deichelrohr lag im Kanal von der Erde durchaus frei, wodurch das
Anwachsen der Wurzeln von Bäumen und Sträuchern vermieden
würbe.
Nach der Art griechischer Tempel erhob sich über der sorgfältig
ausgemanerten Brnnnenstube das dem Laudschaftsbilde angepaßte
Brunnenhaus, geschmückt mit einer Marmortafel, auf welcher der
Name der Quelle in goldenen Buchstaben prangte. Praktisch, wie
Traitteur war, ließ er den Aufbau gegen die Einwirkung von Hitze
und Kälte mit Erde bewerfen und einem grünen Rasen bepflanzen,
und schattige Wege mit Ruhebänken luden die Spaziergänger: znm
Besuche dieser „englischen" Gärten aufs freundlichste ein.
Der größte dieser Brunnen, der K a r l - Th e o d o r--B r ii n-
n e n, benannt nach dem damaligen Herrscher der kurfürstlichen Lande,
bildete das Reservoir für vier Quellen, die Karl-August-Quelle, die
Ludwig-, die Mar- und die kleinere Karl-Theodor-Ouelle. Aus der
Schildmauer fiel das Wasser 2^ Meter tief in den „Sarg mit ange-
nehmem Geräusch" herab, wo mittelst einer Schleuse der Abfluß in
die Hauptleitung geregelt werden konnte. Heute noch ist die Forst-
quelle, welche sich mit der Karl-August-Quelle vereinigte, eine der
Hauptwasseradern der modernen Rohrbacher Wasserleitung; sie war
damals so stark, daß sie eine Mühle treiben konnte. Nahe dabei war
ein Deichelbehälter für die hölzernen Deichel angelegt, um sofort die
zur Reparatur nötigen Ersatzstücke bei der Hand zu haben, und ein
reicher Fischbestand Ivar die Freude des anwohnenden Brunnen-
meisters.
Die Withetmqnelle lag von dem oben genannten Brunnen eine
starke Viertelstunde rechter Hand gegen Leimen und mündete mit
dem Wasser der Piusqnelle oberhalb der Hahnenmühle direkt iu die
Hauptleitung. Eine besondere Kraneuanlage füllte die tiefer unten
am Berg liegenden Brunnentröge zum Tränken des Viehs.
, Das heutige Rohrbach hat die meisten dieser Quellen für seine
Wasserversorgung auf moderne Weise gesammelt. In ausgemanerten
Schächten steigt man hinunter zu den Steintrögcu, in welche» das
Wasser von zwei, drei Quellen znsammenfließt, und wer einen Ein-
blick in einen solchen Felsensammelbebälter tun will, der findet i»
dem Rohrbacher Brunncnmeister Hoffmann einen zuverlässigen
Führer und umsichtigen Fachmann. Er kennt die Lage der Lrait-
teurschen Quellenanlagen und hat mit seinen Arbeitern selbst schv»
verloren gegangenen Wasseradern nachgespurt; er steigt ins „Berg-
mannsloch" voran, hinunter im engen Schacht in die Tiefe, führt den
Wanderer durch den ausgemanerten Stollen in das Berginnere uns
dann in das Felsenlnbyrinth, wo die Wasser rauschend und schäumend
aus den Felsenspalten hervorquellen, und wo der Mensch dem brausen-
den Element Fesseln anlegt und cs hiueinzwingr in eiserne Röhren,
die tief in den Felsen hinabführen zum großen Sammclbassin.
 
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