Prozeſſe gegen 18 ſozialdemokratiſche Reichstagzab⸗
geordnete. Bis zum Wiederzuſammentritt des
Reichstages kann das doch eine ganz huͤbſche Liſte
werden.
Deſterreich⸗ Uugaru.
Wien, 21. Sept. Die „Bolit. Correſp.“ ver⸗
bffentlicht folgende Proklamation des Fürften von Bul⸗
garien aus Tirnova vom 20. Sept.: Wir Alexan⸗
der Fürſt von Nord⸗ und Südbulgarien durch den
Villen des allmächtigen Gottes und des Volkes
geben unſerem Volke bekannt, daß die Bevoͤlkerung
Sſtrumeliens am 18. Sept., nachdem fie ihre Re—
gierung geſtuͤrzt, eine proviſoriſche Regierung ein⸗
ſetzte und Uns einſtimmig zum Fuͤrſten der Pro-
vinz proklamirte. Dem Volkeswunſche, beide Bul⸗
garienländer in eines zu vereinigen und derart ſein
Ideal zu erfuͤllen, nachkommend, erkennen wir dieſe
Union als vollzogene Thatſache an, nehmen den
Titel eines Fürften von Nord⸗ und Sud⸗Bulgariens
an, übernehmen die Regierung der Provinz und er-
klären, daß wir Leben, Freiheit und Eigenthum aller
friedlichen Burger ohne Unterſchied des Glaubens
und der Nationalität ſchuͤtzen werden. Das Mani⸗
feſt erklärt, es ſeien alle Maßregeln ergriffen, die
Landesruhe ſicherzuſtellen. Dasſelbe ſchließt mit der
Hoffnung, das Volk werde bereit ſein, alle Opfer
für die Vertheidigung der Union und die Unab—
hängigkeit des Vatexlandes zu bringen.
Rumünien.
Bulareſt, 19. Sept. Meldung der „Agence
Havas.“ Eingegangenen Nachrichten zu Folge hätten
die Rumelier die ſtrategiſch wichtigen Puͤnkte an
der tuͤrkiſchen Grenze beſetzt, die Telegraphenlei—
tungen zerſtört und die Bruͤcke bei Muſtapha Paſcha
in die Luft geſprengt.
Frankreich.
Paris, 21. Sept. Das Madrider Blatt „El
Cerreo“ meldet heute, daß der Streit um die
Carolineninſeln folgenderart werde beigelegt werden:
Deutſchland mürde die Marſchall⸗ und Gilbertsinſeln
und die öſtlichen Carolinen bebalten, Spanien den
Reſt der Carolineninſeln mit Yap und den Polao-
inſeln. Die 17 Perſonen, welche an dem Angriffe
auf die deutſche Geſandtſchaft betheiligt wären, wür-
den, weil fie das Vaterland in die Gefahr eines
Krieges mit dem Auslande gebracht hätten, vor
Gericht geſtellt werden. — Der „Temps“ meldet
aus Philippopel von heute: Der Aufftand, welcher
in der Nacht vom 16. zum 17. ds. Ms. ausbrach,
wurde von Dr. Stransky vorbereitet. Gavril Paſcha
wurde in Compriſchtizza verhaftet. Angriffe auf
das Leben und Gut von Ausländern oder Mohame⸗
danern kamen nicht vor.
Lugland.
Loudon, 21. Sept. „Times“ bezweifelt, daß
die bulgariſche Erheburg von ruſſiſchen Agenten
inſpirirt oder von den Kaiſermächten geplant ſei.
Die Bulgaren hätten auf eigene Fauſt gehandelt
in Vorausſetzung der Parteinahme oder des Schutzes
von Seiten Rußlands. Der Sultan werde ſchwer—
lich die Möglichkeit eines Krieges involtrende Maß⸗
nahmen treffen, ohne Befragung der Signatar—
mächte, welche zweifellos die Störung auf die engſte
Grenze beſchränken und eine mit dem Berliner
Vertrag vereinbarliche Löſung herbeiführen würden.
„Daily News“ und „Standard“ befürworten die
Nichteinmiſchung Englands.
Aus Nal und fern.
© Ziegelhauſen, 21. Sept. Geſtern herrſchte
wieder einmal in unſerem Orte ein ziemlich lebhaftes
Treiben. Es feierte nämlich der hiefige Turnverein
ſein V. Stiftungsfeſt verbunden mit einem kleinen
Preisturnen, wozu mehrere Vereine des Rhein⸗
Neckar⸗Gaues eingeladen waren. Man verſammelte
fich im Garten „zum Ochſen“, von wo aus nach
ſtattgehabter Kampfrichterfitzung und nach Abſpielen
einiger Mufikſtücke der Sinsheimer Feuerwehrkapelle
der Feſtzug fich in Bewegung ſetzte. Obwohl die
Turner nicht allzuſehr mit Blumenzuwerfen aus
holder Jungfrauenhand bedacht wurden, ſo zeigten
dieſelben doch heitere und fröhliche Gefichter. Als⸗
dann auf dem Feſtplatze angelangt, begrüßte der
Vorſtand des Vereins, Herr H. Schubert, in kurzen
Worten die Feſtgäſte und eröffnete ſodann der feſt⸗
gebende Verein das Preisturnen durch Vorfuͤhrung
einer Gruppe Stabübungen. Am Preisringen, zu
welchem nur ſolche Turner mitzumachen berechtigt
waren, welche weder bei einem Kreis-, Gau⸗ oder
ſonſt einem Feſte ſchon Preiſe errungen hatten, be—
theiligten fich etwa 30 an der Zahl. Der Heidel⸗
berger Turnverein, welcher es in beſcheidener Weiſe
vorzog keine Preisturner zu ſtellen, (was leider ein
größerer Verein bei ähnlichen Feſten dieſes Jahres,
trotz vorzüglicher Kräfte, doch that) trat nach Be—
endigung des Preisturnens beim Kuͤrturnen mit
einigen Riegen auf, deſſen Leiſtungen den Leſern
dieſes Blattes ſchon allzuoft geſchildert wurden.
Da ſonſt kein größerer Verein anweſend, ſo hatten
die kleineren Vereine Gelegenheit, ſich unter ſich
ſelbſt zu meſſen. Nach Zuſammenſtellung der Punkten⸗
zahlen wurde, nachdem in Vertretung des I. Gau⸗
turnwarts der II. Gauturnwart, Herr Zentmayer
von Ladenburg an die Preisturner und verſammel⸗
ten Gäſte eine Anſprache nach echt deutſcher Art
hielt, in welcher er hauptſaͤchlich den Werth des
Turnens in klaren Worten darlegte, die Preisver⸗
theilung noch auf dem Feſtplatze vorgenommen.
Die für die auswärtigen Turner beſtimmten Preiſe
(beſtehend in 3 Kraͤnzen und 5 Diplomen) erhielten:
Joh. Lauer von Kirchheim den erſten Preis mit 30
Punkte, Karl Schmitt von Ladenburg den zweiten
mit 27 P., Karl Häußer von Neuenheim den dritten
mit 25!/, P., Ludwig Häuſer den vierten mit 255
P. und Jak. Hopphan von Neckargemünd den fünf-
ten mit 237/, P. Die für den Turnverein Ziegel⸗
hauſen beſtimmien 3 Preiſe, nebſt einem Ehrenpreis
für den erſten Sieger derſelben, errangen: Johann
Reiſel den erſten Preis mit 255 Punkten, Leonh.
Buſſemer den zweiten mit 245 P. und Philipp
Reiſel den dritten mit 205/; P. Hierauf ging's
vom Feſtplatz zuruͤck in die „Pfalz“, woſelbſt am
Abend ein ſolenner Ball die Theilnehmer recht ver⸗
gnügt bis zur fruͤhen Morgenſtunde zuſammenhielt.
X Bammenthal, 21. Sept. In dem Orte
D....bachH wollte der dortige Metzger auf Kirch⸗
weihe ein Schwein ſchlachten. Als dasſelbe kunſt—
gerecht abgeſtochen war und der Metzger den Strick
loſte, ſprang plötzlich das todtgeglaubte Schwein
auf und dadon. Mit vieler Mithe wieder einge—
fangen, wurde dasſelbe vom Sohne des Metzgers
nochmals geſtochen. Beſſer gegen den Hals g“
ſtochen, ſprach der Vater, daß es nicht noch einmal
davonfpringt, und der Sohn gigfte noch einmal M
den Hals der armen Sau. Alsdann wurde die⸗
ſelbe in den bereitſtehenden Zuber geworfen zZUM
Abbrahen Aber o Schtecken zum zweitenmale ent
prang das gequälte Thier aus dem Zuber. Unter
größtem Halloh der Zuſchauenden wurde das zun
Tode veruͤrtheilte Borſtenvieh wiederum eingefangen
um endlih unter dem graufamen Mefjer ſeine
Quaͤlers ſein Leben vollends auszuhaucher. So *
ſchehen im Jahre des Heils 1885 am 18. Seytbt
Gehört dieſer Akt nicht vor das Forum des Thier⸗
ſchutzvereins?
*Schwetzingen, 21. Sept. Hier ſpricht man
dem Wbl. zufolge, davon, daß das Leibdragonet
Regiment von Mannheim nach Karlsruhe verleg
werden und an deffen Stele das in Karlsrut
liegende Dragoner-Regiment. kommen ſoll. Vi
würden alfo dieſer Nachricht zufolge in Schwetzing?
wieder 2 Schwadronen ſchwaͤrze Dragoner erhalten
Bum Kommandeur des Leibdragoner - Regiment®
No. 20 fol S. K. H. der Erbgroßherzog auserſehel
fein, während der bisherige Oberft v. Frankenberg⸗
Proſchlitz zum Generalmajor vorrüden werde.
* MWeinheim, A. Sept. Für die hiefige LandW-
und gewerbl. Ausſtellung iſt folgende Feſtordnunb
ausgegeben worden: Freitag, den 25. d. Y
AbendS S Ubhr, gefelige Unterhaltung des Au“
ſchuſſes und Begrüßung der Feftgäfte und Preit⸗
richter in der Wirthſchafi von Bockftahler. Samftag
den 26. d. Vormiitags pünktlich S Uhr, Zufammen‘
fritt der Breisrichter in dem Ausftelungsgebäud
und fofort Beginn der Prämtirung in den einzeln?
Abtheilungen; Vormittags halb 11 Uhr: VerJamuw
lung der Vertreter der einzelnen Behörden und
Bereine, der Vorftände und Mitglieder der landW-
Bezirksbereine, der Preisrichter, Ausſchußmitgliede
und Ausſteller in dem Rathhausſaale, hier ve
theilung der Abzeichen und Begruͤßung der *
ſammluͤng durch den Buͤrgermeiſter der Stab!
Weinheim, ſodann Ordnung des Feſtzuges. Hieraul”
Feierliche Eröffnung der Ausſtellung durch Geſang
und Begrüßungsrede durch den 1. Vorſtand ?
Yandıv. Vereins, Herın Förfter, ſodann Befichtigund
der Ausſtellung. Nachmittags 1 Uhr: et
Bertheilung der den Thieren zuerkannten Preil‘
und Diplome auf dem Ausſtellungeplatz. NA
mittags 2 Uhr: Feſteſſen im Pfälzer Gof. Aben
halb S Uhr: Konzert bei elektriſchem Licht auf D°
Feſtplatze. Sonntag, den 4. Olktober, —
halb 2 Uhr, Preisbertheilung für landwirthſchal
— der Ausktelung. Um 2 —
Landwirthſchaftlich⸗gewerblicher Feſtzug vom 4
Hof durch die Bahnhofſtraße nach dem M
dann durch die neue Chauſſee nach der Hintergall“”
die Altſtadt herein nach dem Feſtplatz. Um 4 4 ß
Konzert in der Ausftelung. Abends augcmctfl;
Tanzvergnügen. Sonntag, den 12. Ott. 9EaÖtf
3 Uhr, Gau⸗Verſammlung im Saale zur Eintrachl
Gegenſtand der Berathung; Weinbau. u
5 Auns dem Ddenwald, 21. Sept. Am?
woch den 16. September fand in —
eine ſtaatliche Prämiirung für gute dindvie?
digen. Ich möchte nur die Frage erlauben, welche
Beweiſe Sie für die Begrundung Ihrer Behauptung
darbringen können? Ich ſowohl wie der Herr
Major beſtehen auf der ungeſaͤumten Darlegung
dieſer Beweiſe, da wir andernfalls uns zu der
Annahme berechtigt halten müßten, Sie hätten die
Geſchichte nur erfunden, um Ihr Verhaͤltniß zu Fräu⸗
lein Linden, das Ihnen aus irgend welchem Grunde
nicht mehr paſſen mag, auf eine bequeme Weiſe löſen
zu können und —“
„Mein Herr“, unterbrach ich ihn in lautem aber
ebenſo eifigem Tone, „ich habe die Wahrheit geſagt.
Wenn Sie oder Ihr Herr Vater meinen Worten
nicht glauben wollen, ſo giebt es hier ein paar
Stimmen, die noch deutlicher ſprechen.“ Damit er⸗
griff ich das Piſtolenkäſtchen, daß auf dem Schreib⸗
pulte ſtand, und warf es mit ſolcher Vehemenz auf
den Tiſch, daß der Deckel aufflog und die Schuß—
waffen dem Herrn Lieutenant in die Augen blitzten.
„Wählen Sie, wenn's beliebt,“ ſetzte ich hinzu,
„andere Beweiſe habe ich nicht!“
Der junge Herr wurde hierauf ſehr artig. „Ich
bitte, Herr Berg!“ entgegnete er in verbindlichem
Tone, „treiben Sie die Sache nicht auf die Spitze.
Sie find uns als ein Mann von Ehre bekannt.
Ich glaube Ihnen gern, daß Sie Veranlaſſung
hatten, mit dem Benehmen ihrer Fräulein Braut
unzufrieden zu ſein, ich beſtreite aber auf das Ent—
ſchiedenſte Ihre Behauptung, daß ich die Urſache
ſei. Ein Verhältniß zwiſchen mir und Fräulein
Thereſe beſteht nicht und hat nie beſtanden. Ich
muß daher Ihre Beſchuldigung für erfunden er⸗
achten und bin in Anbetracht der Beziehungen, in |
welchen das Fräulein zu unſerem Hauſe ſteht, ſowie
meinem, in Punkten der Ehre ſehr exacten Vater
gegenuber gezwungen, eine Erklärung von Ihnen
zu fordern. Sagen Sie mir einfach, welchen Grund
Sie haben, mich mit der Mondſcheinpromenade der
jungen Dame in Verbindung zu bringen, und dar⸗
nach wird ſich das Uebrige von ſelbſt ergeben.“
„Ich dächte,“ ſagte ich hierauf, „das liegt ſo
klar zu Tage, daß es einer Erörterung erſt gar
nicht bedarf. Haben Sie nicht am erſten Oſter⸗
feiertage mit meiner Braut eine lange Unterhaltung
gepflogen? Das iſt freilich nichts Tadelnswerthes,
indeſſen ſah ich Thereſe einige Mal erröthen. Ich
konnte nicht umhin, zu glauben, daß dies in Folge
von Galanterieen Ihrerſeits geſchehen ſein müſſe.
Doch dachte ich billig genug, auch hierin nichts zu
finden, was meiner Liebe Gefahr drohen konnte.
Als ich aber die für mich ſo entſetzliche Entdeckung
machte, daß meine Braut mich hinterging, was blieb
mir nach dem Wahrgenommenen anders ſibrig, als
die Annahme, daß Sie der Zerſtörer meines Gluͤckes
ſeien? Welcher Mann in meiner Lage hätte anders
gehandelt?“
Ich, Herr Berg! ſagte der Herr von Steindorf
in ſo beſtimmtem Tone, daß ich betroffen wurde.
Ich wuürde ganz gewiß erſt noch uͤberzeugendere
Beweiſe für meinen Verdacht abgewartet haben.
Manches iſt in der Wirklichkeit anders, als es auf
den erſten Blick erſcheint. Sagen Sie mir doch,
Herr Berg, ob Ihnen denn gar nicht der Gedanke
gekommen iſt, daß Ihre Fräulein Braut unfreiwillig
jene nächtliche Wanderung unternommen haben könnte.
Kann ſie nicht zu denjenigen räthſelhaften Menſchen
gehören, auf die eine höhere, bisher noch nicht ent—
2
Mit einem Wort, find Ihnen niemals in dem Weſẽ
des Fraͤulein Symptome aufgefallen, die Sie
der Vorausſetzung berechtigten, fie ſei, was m
ſagt, eine Nachtwandlerin? B
Jetzt wurde es Licht, furchtbar Licht in wene
Innern. Das ganze Bild des Madchens, W y
e8 in jener Nacht zeſehen, trat wieder in ſelſi
Feinjten Einzelheiten vor meine Seele und
mir keinen Zweifel ubrig, daß der junge Hert 4
ſeiner Anficht Recht halle. Rur begriff ich M
wie ich auf dieſe einfache und naheliegende 74
jache nicht Längft gefommen war. Ih war 7y
Schmerz und Beſchaͤmung ſo außer mir, daß
fein Wort erwidern konnte. Ler⸗
„Vergeſſen Sie nicht, daß es nur ein
muthung ift, die ich ausſpreche,“ fuhr Stein *
fort, „mweder ich noch mein Vaier haben dey
für die Richtigkeit derfelben, und es iſt ebenſo *
moͤglich, daß eine andere ürfache jener Begebel
n
zu Grunde liegt. Das indeſſen kann ich *
auf mein Ehrenwort verfichern, ich habe nie, *
nicht- im Entfernteften, die Abficht gehegt, S
Fraͤulein Braut mit anderen Gefühlen —
treten, als denen der Ehrerbietung und volller ſie
ſier Hochachtung. Ich wußte ebenſo wohl, DA 8
mit Ihnen veriobt war, wie ich deutlich *
waz meine Geſchwiſter ihrer vorzuͤßlichen Erpeh 2
methode verdankten. Wahr iſt e8, daß ihr 44
Geiſt, ihre anregende Unterhaltung mich
Gedanken und Ideenverbindungen in mir erw!
welde auch mich beredfamer, al8 fonjt, machten
Echluß folat.)