Verkündigungs-Blatt für dir Bezirke Heidelberg, Meinheim, Schmehmgen, Mieslvch, Sinsheim, Eppingrn, Mosbach, Neckarbischofsheim, Eberbach, Küche«,
Buchdruckerci und Expedition: Brunnengasse 24. MalldÜrN, AdklshkiM, Kü^KkkA, CllUberbifchöfshriM NNd MklihriM. Buchdruckerei und Expedition: Brunnengasse 24-
HA Berantwortl. Redakteur PH. Klausner IN Druck und Verlag von Wurm L Pfeffer !
«/»L « In Heidelberg. N. ^aNUttr in Heidelberg. !
Wochenschau.
Heidelberg, 31. Januar.
Das achtzigjährige militärische Dienstjubiläum des
Kaisers Wilhelm wurde in großer Stille begangen, doch
zeigte sich der greise Jubilar sehr frisch und rüstig bei den
verschiedenen Empfängen.
Die politisches Kundgebungen, welche anläßlich des
Neujahrstages in Paris und Pest stattfanden, lauteten
durchaus friedlich, so daß im Zusammenhang mit der fried-
lichen Betonung in der Ansprache des Deutschen Kron-
prinzen beim Jubiläum des Kaisers augenblicklich die all-
gemeinen Friedenshoffnungen wieder überwiegen.
Der Reichstag trat am 24. ds. wieder zusammen
und ging zur zweiten Etats-Berathung über.
Das Wiener ministerielle „Fremdenblatt" gedenkt
sehr schwunghaft des achtzigjährigen Militärdienstjubiläums
des Deutschen Kaisers und sagt: „So begeht Kaiser Wil-
helm, ein Schirmer und Schützer der Ruhe unseres Welt-
theils, in den Tagen des Friedens sein großes mili-
tärisches Erinnerungsfest, und nicht Preußens Armee,
nicht Deutschlands Volk allein nimmt Antheil an diesem
Jubelfeste, auch Oesterreich-Ungarns Völker, deren Sym-
pathien dem Freundschaftsbunde der Herrscher und Reiche
gehören, gedenken an diesem Tage in reger Theilnahme
dieses seltenen Jubiläums."
Dem „Temps" zufolge hätten Freycinet und Jules
Ferry anläßlich einer kürzlich bei dem französischen
Präsidenten Grevy stattgehabten Begegnung die Nothwen-
digkeit einer Annäherung der verschiedenen Fraktionen der
republikanischen Partei anerkannt, um dem Konseilpräsidenten
Goblet seine Aufgabe zu erleichtern. Beide Staatsmänner
sollen ihre Geneigtheit kundgcgeben haben, ein bezügliches
Einvernehmen unter den Fraktionen herzustellen.
Der Generaldirektor des luxemburgischen Justiz-
departements Dr. Eyschen theilte in einer der letzten Kammer-
sitzungen mit, daß letzthin zwischen Vertretern Deutschlands,
Belgiens, Hollands, Frankreichs und Luxenburgs Verhand-
lungen wegen eines internationalen Uebereinkommens zur
Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit in Fällen von
Arbeiterunruhen stattfanden. Die Konferenz wurde zu
Luxemburg abgehalten. Von französischer Seite ist die
Nachricht von der Theilnahme an einer solchen Konferenz
bestritten worden.
Die englische Ministerkrisis ist vorläufig beigelegt,
indem Goschen an Stelle des ausscheidenden Churchill das
Schatzkanzleramt übernahm, während die Führerschaft im
Unterhause einstweilen dem Kriegsminister W. H. Smith
obliegen würde. Goschen macht seinen Eintritt von einigen
Bedingungen abhängig, über welche heute mit Salisbury
eine Verständigung erziehlt werden dürfte. Falls Goschen
in das Kabinet eintritt, sollen auch für zwei liberale Peers
Sitze im Kabinet gefunden werden. — Gladstone richtete
an den Redakteur einer neuen liberalen Zeitung in Edin-
bürg eine Zuschrift, in welcher er die Beweggründe des
Rücktritts Churchills billigt und die Liberalen ermahnt, an
der bisherigen Politik festzuhalten, jedoch keine Gelegenheit
zu versäumen, um eine Wiedervereinigung mit den ab-
trünnigen Liberalen anzubahnen.
In der bulgarischen Angelegenheit herrscht augen-
blicklich tiefe Stille. Wie die „Neue Freie Presse" ver-
nimmt, hätte der bulgarische Kriegsminister behufs leich-
terer und verständlicher Jnstruirung der Mannschaft und
um Mißverständnissen bei der Abrichtung der Recruten
vorzubeugen, angeordnet, daß anstatt der russischen die
bulgarische Sprache in der Armee einzuführen sei. Sämmt-
liche einschlägigen Reglements sind in die bulgarische
Sprache zu übersetzen. Das Kommando wird bis zur er-
folgten und von dem Kriegsministerium approbirten Ueber-
setzung dieses Reglements russisch sein.
Deutsches Reich.
Berlin, 6. Jan. Die Nachricht von einem deutsch-
russischen Vertrage, der kürzlich abgeschlossen sein soll,
wurde gestern in der Militäreommission des Reichstags
vom Kriegsminister Bronsart von Schellendorff als höchst
fragwürdige Zeitungsnachricht bezeichnet. Nach dem „Pester
Lloyd" handelt es sich um eine Annäherung des deutschen
Reichskanzlers an die Petersburger Machthaber, die fälsch-
licherweise zu einem Sonderbündniß aufgebauscht worden
sei. — Das „Deutsche Tageblatt" verzeichnet ein Gerücht,
wonach der Erlaß eines Pferdeausfuhrverbots in Vorbe-
reitung sei.
Berlin, 7. Jan. (Reichstag: Etat des Reichsamts
des Innern.) Im Laufe der Berathung erklärte Staats-
sekretär Bötticher, das Musterschutzgesetz habe bisher keine
Klagen veranlaßt. In Betreff der Markenfrage werde
eine Prüfung, wenn nöthig, eine Reform erfolgen. Die
Verhandlungen der Patentuntersuchungskommission werde
demnächst veröffentlicht. Ein Ueberblick über das finanzielle
Ergebnis) der Unfallversicherung sei noch nicht möglich.
Die Kosten würden jedoch durchschnittlich nicht höher sein,
als bei Privatgesellschaften. Die Kostspieligkeit bei der
Geschäftsführung einzelner Berufsgenossenschaften sei nicht
ein Fehler des Gesetzes, sondern Folge unzweckmäßiger
Ausführung des Gesetzes. Der Reichstag genehmigte nach
unerheblicher Verhandlung die Position des Reichspatent-
amts und des Reichsversicherungsamts. Die nächste
Sitzung findet morgen 1 Uhr statt.
Die Perle des Schmrzwaldes.
Roman von Ed. Wagner.
77) (Fortsetzung.)
„Uebrigens", fuhr Lady Trevor mit scheinbarer Offen-
heit fort, „bin ich nicht so unwillig, wie ich früher war.
Lord Glenham verhöhnte meine Liebe, und ich will ihm
zeigen, daß ich mich nicht um ihn gräme. Mehr aber,
als dies Alles, ich habe zu große Angst ausgestanden in
Betreff des Mädchens, daß ich Dich gern heirathe, schon
aus Dankbarkeit, weil Du mich von ihm befreit hast."
Diese Erklärung war einleuchtend. Pulford's Miß-
trauen war beseitigt.
„Es freut mich, daß Du endlich vernünftig wirst",
bemerkte er. „Ich liebe Dich, Edith, und nichts in der
Welt könnte mich veranlassen oder zwingen, Dich aufzu-
geben; also ist es das Beste, daß Du Dich in das Un-
vermeidliche fügst."
Sie hatten sich neben einander auf ein Sopha gesetzt,
und nun wagte die Wittwe die Frage zu äußern, welche
ihr seit Pulford's Eintritt auf den Lippen geschwebt hatte.
„Sage mir", flüsterte sie, „was hast Du ausge-
richtct? Lebt das Mädchen, oder ist es todt?"
„Es ist todt!" antwortete Pulford. „Todt, meine
liebste Edith!"
„Todt!"
Edith zitterte in ihrer übermäßigen teuflichen Freude.
Ihre Augen flammten, ihr Gesicht glühte und ihre zit-
ternde Hand fuhr nach der Brust und griff nach dem
Fläschchen mit ihrem todbringenden Inhalt.
„Du dachtest doch nicht, daß ich den eigentlichen
Zweck meiner Reise verfehlen würde, Edith! Mir schlägt
nichts fehl, was ich mir einmal vornehme", sagte Pulford
selbstgefällig. „Das Mädchen ist nicht nur todt, sondern
ihr Leichnam ist auch buchstäblich vernichtet — nicht ein
Ueberrest, so groß wie das Diamantengehängc an Deinem
Halsband, ist von ihr übrig geblieben."
Lady Trevor sah ihn ungläubig an.
„Es ist eine lange Geschichte," fuhr Pulford fort,
„aber ich will sie in so wenig wie möglich Worte fassen.
Meine Reise nach Schottland war das glücklichste Unter-
nehmen meines Lebens; ohne sie wären wir Beide unfehl-
bar verloren gewesen."
„Was meinst Du?"
„Das Mädchen war aus Black Nock entkommen."
„Entkommen?"
„Ja. Ich kam nach Jnverneß und miethete mir ein
Pferd, in der Absicht, die Reise zu Land auf den rauhen
Gebirgspässen nach der Nordwestküste zu machen, aber am
Abend desselben Tages, an dem ich von Jnverneß abreiste,
traf ich in der Nähe eines kleinen Dorfes Jarvis — ein
ganz wunderbarer Zufall. Er sagte mir, daß das Mäd-
chen mit dem alten Gretchen in einem nahen Bauernhause
sei und daß sie schon über eine Woche dort gewesen wären;
daß Gretchen an Crafton geschrieben habe, er möge ihnen
zu Hilfe kommen, und daß dieser mit jeder Stunde er-
wartet werde. Der alte Narr — ich meine Jarvis —
hatte keine Gelegenheit gehabt, nach mir zu schicken, ohne
selbst nach Jnverneß zu gehen, da das Dorf nur einmal
in der Woche Postverbindung hat. Er wagte aber nicht,
sich weit von dem Hause zu entfernen, damit er das
Mädchen nicht aus dem Auge verliere. Er wußte nicht,
was er thun sollte, als ich mit meinem gewöhnlichen Glück
auf dem Schauplatz erschien."
„Und Crafton?" fragte Lady Trevor hastig. „Hast
Du ihn gesehen?"
„Ich begegnete ihm an andern Morgen — oder besser:
er fuhr an mir vorbei, als ich mich in einem Gebüsch
verborgen hielt. Aber das Mädchen war schon vorher
beseitigt."
Er erzählte nun die ganze Geschichte, wie die Flüchtlinge
in das Haus Mac Dougal's gekommen waren, was Jar-
vis den Bauern erzählt hatte, sowie von seiner Ankunft
Isrankreich.
Paris, 6. Jan. General Boulanger hat 200,003
Stück mit Melinit geladene Granaten bestellt. Die neuen
Geschosse werden am 13. und 14. in Bourges in An-
wesenheit des Kriegsministers gegen eigens hierzu gebaute
Festungswerke versucht werden. Herr Pierre Gisiard vom
„Figaro", der diese Werke gesehen hat, sagt, die Offiziere,
welche sie gebaut, hegten die Ueberzeugung, daß das
Melinit sie in weniger Zeit, „als man zu schreiben braucht",
zerstören würden. Zwei der Kanonengießerei von Bourges
zugetheilte Offiziere, die Hauptleute Locard und Hinondard,
sind die Erfinder des Menilits.
Ans Nah und Fern.
* Karlsruhe, 7. Jan. Der Großherzog und die
Frau Großherzogin, unermüdlich in der Theilnahme und
Förderung der Vereinsthätigkeit, haben gestern der Weih-
nachtsbescheerung des Militärvereins angewohnt, an der
auch die Angehörigen der Mitglieder sich bethciligten. —
Die Verwaltung der Residenz hat aus dem letzten großen
Schneefall bereits ihre Lehren gezogen. Gestern bei neuem
Schneegestöber wurden sofort die Straßenübergänge her-
gestellt und es erfolgte theilweise Abfuhr des Schnees
mittels Wagen.
* Mannheim, 7. Jan. Der fahrplanmäßige, um 12
Uhr Mittags hier fällige Personenzug der Rheinthalbahn
entgleiste heute Mittag um 11 Uhr 54 Min. vor der
Station Neckarau in Folge Bruchs einer Schienenzunge.
Nur dem Umstande, daß der Zug mit ganz minimaler
Geschwindigkeit in die Station Neckarau einfuhr, ist es zu
verdanken, daß keine Passagiere Verletzungen davontrugen.
Entgleist sind außer der Locomotive der Tender und der
Packwagen. Die Locomotive fuhr nach der Entgleisung
noch unfähr 10 Meter weiter und rannte sich auf dem
Bahnkörper fest. Außer einem unerheblichen Material-
schaden dürfte der Bahn-Verwaltung keine weitere Ausgabe
erwachsen.
* Edingen, 6. Jan. Ueber die hiesigen Ausgrabungen
schreibt das Correspondenzblatt der „Westdeutschen Zeit-
schrift' für Geschichte und Kunst: In Edingen (bei Hei-
delberg) veranstaltet der Mannheimer Alterthumsverein
derzeit Ausgrabungen. In den letzten Jahren stieß man
bei Anlegung einer neuen Straße (Louisenstraße) in ge-
nanntem Ort wiederholt auf fränkische Gräber; die dabei
gemachten Funde an Waffen, Schmuck und Hausgeräthen
wurden theils durch den leider inzwischen verstorbenen
Pfarrer Böhringer, der dieselben sorgfältig sammelte; theils
durch die Finder selbst der Mannheimer Alterthumssamm-
lung überwiesen. Infolgedessen hat man in diesen Tagen
mit einer systematischen Ausgrabung begonnen. Bis jetzt
in dem Hause und wie er und Jarvis das Haus in Brand
gesteckt hätten.
Lady Trevor hörte in der größten Spannung zu.
„Und Du bist vollkommen sicher, daß sie nicht wieder
entkommen ist?" fragte sie.
„Ich wünsche, ich erlangte so sicher die Titel, nach
denen ich trachte," antwortete Pulford. „Wenn Du das
Feuer gesehen hättest, wie es so rasch um sich griff und
diese ungeheure Gluth, so würdest Du eine solche Frage
nicht stellen. Das Mädchen ist todt und mit ihr die alte
Frau; ja, die Familie, welche unten schlief, kam kaum
mit dem Leben davon."
„Es war eine gewagte That, aber sie war gut voll-
endet," sagte Lady Trevor. „Ich hätte es selbst thun
können. Ich möchte Wohl wissen, was Maldred dachte,
als er an die Ruinen des Hauses kam und hörte, daß
das Mädchen todt sei. Glaubst Du, daß er von Deinem
Besuch dort hören wird?" —
„Er wird meinen Namen nicht erfahren, da ich den
seinigen annahm und mich Crafton nannte," sagte Pulford
lachend. „Aber wenn er doch ermitteln sollte, daß ich es
war, der seinen Namen borgte, könnte er doch nicht be-
weisen, daß ich das Haus in Brand steckte. Ich habe mich
vorgesehen, daß man mir nichts anhaben kann, Edith. Was
Crafton auch vermuthen mag, er wird es für sich behalten,
da er nichts beweisen kaun."
„Wann trug sich das Alles zu? Du kamst direkt
nach London nach diesen Ereignissen?"
„Nein. Ich war gezwungen, zwei oder drei Tage
in Jnverneß zu bleiben. Als ich von Loch-Low, so heißt
das Dorf, zurückkehrte, stürzte mein Pferd dicht vor der
Stadt und ich erhielt eine kleine Verletzung, jedoch schlimm
genug, daß cs mit nothwendig schien, ein Paar Tage mich
ruhig zu verhalten und mich in die Pflege eines Arztes
zu geben. Du kannst Dir denken, daß ich mich nicht
außerhalb des Hauses sehen ließ, da ich fürchtete, Mr.
Crafton zu begegnen, und als ich mit dem Eisenbahnzug
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HA Berantwortl. Redakteur PH. Klausner IN Druck und Verlag von Wurm L Pfeffer !
«/»L « In Heidelberg. N. ^aNUttr in Heidelberg. !
Wochenschau.
Heidelberg, 31. Januar.
Das achtzigjährige militärische Dienstjubiläum des
Kaisers Wilhelm wurde in großer Stille begangen, doch
zeigte sich der greise Jubilar sehr frisch und rüstig bei den
verschiedenen Empfängen.
Die politisches Kundgebungen, welche anläßlich des
Neujahrstages in Paris und Pest stattfanden, lauteten
durchaus friedlich, so daß im Zusammenhang mit der fried-
lichen Betonung in der Ansprache des Deutschen Kron-
prinzen beim Jubiläum des Kaisers augenblicklich die all-
gemeinen Friedenshoffnungen wieder überwiegen.
Der Reichstag trat am 24. ds. wieder zusammen
und ging zur zweiten Etats-Berathung über.
Das Wiener ministerielle „Fremdenblatt" gedenkt
sehr schwunghaft des achtzigjährigen Militärdienstjubiläums
des Deutschen Kaisers und sagt: „So begeht Kaiser Wil-
helm, ein Schirmer und Schützer der Ruhe unseres Welt-
theils, in den Tagen des Friedens sein großes mili-
tärisches Erinnerungsfest, und nicht Preußens Armee,
nicht Deutschlands Volk allein nimmt Antheil an diesem
Jubelfeste, auch Oesterreich-Ungarns Völker, deren Sym-
pathien dem Freundschaftsbunde der Herrscher und Reiche
gehören, gedenken an diesem Tage in reger Theilnahme
dieses seltenen Jubiläums."
Dem „Temps" zufolge hätten Freycinet und Jules
Ferry anläßlich einer kürzlich bei dem französischen
Präsidenten Grevy stattgehabten Begegnung die Nothwen-
digkeit einer Annäherung der verschiedenen Fraktionen der
republikanischen Partei anerkannt, um dem Konseilpräsidenten
Goblet seine Aufgabe zu erleichtern. Beide Staatsmänner
sollen ihre Geneigtheit kundgcgeben haben, ein bezügliches
Einvernehmen unter den Fraktionen herzustellen.
Der Generaldirektor des luxemburgischen Justiz-
departements Dr. Eyschen theilte in einer der letzten Kammer-
sitzungen mit, daß letzthin zwischen Vertretern Deutschlands,
Belgiens, Hollands, Frankreichs und Luxenburgs Verhand-
lungen wegen eines internationalen Uebereinkommens zur
Aufrechterhaltung der staatlichen Sicherheit in Fällen von
Arbeiterunruhen stattfanden. Die Konferenz wurde zu
Luxemburg abgehalten. Von französischer Seite ist die
Nachricht von der Theilnahme an einer solchen Konferenz
bestritten worden.
Die englische Ministerkrisis ist vorläufig beigelegt,
indem Goschen an Stelle des ausscheidenden Churchill das
Schatzkanzleramt übernahm, während die Führerschaft im
Unterhause einstweilen dem Kriegsminister W. H. Smith
obliegen würde. Goschen macht seinen Eintritt von einigen
Bedingungen abhängig, über welche heute mit Salisbury
eine Verständigung erziehlt werden dürfte. Falls Goschen
in das Kabinet eintritt, sollen auch für zwei liberale Peers
Sitze im Kabinet gefunden werden. — Gladstone richtete
an den Redakteur einer neuen liberalen Zeitung in Edin-
bürg eine Zuschrift, in welcher er die Beweggründe des
Rücktritts Churchills billigt und die Liberalen ermahnt, an
der bisherigen Politik festzuhalten, jedoch keine Gelegenheit
zu versäumen, um eine Wiedervereinigung mit den ab-
trünnigen Liberalen anzubahnen.
In der bulgarischen Angelegenheit herrscht augen-
blicklich tiefe Stille. Wie die „Neue Freie Presse" ver-
nimmt, hätte der bulgarische Kriegsminister behufs leich-
terer und verständlicher Jnstruirung der Mannschaft und
um Mißverständnissen bei der Abrichtung der Recruten
vorzubeugen, angeordnet, daß anstatt der russischen die
bulgarische Sprache in der Armee einzuführen sei. Sämmt-
liche einschlägigen Reglements sind in die bulgarische
Sprache zu übersetzen. Das Kommando wird bis zur er-
folgten und von dem Kriegsministerium approbirten Ueber-
setzung dieses Reglements russisch sein.
Deutsches Reich.
Berlin, 6. Jan. Die Nachricht von einem deutsch-
russischen Vertrage, der kürzlich abgeschlossen sein soll,
wurde gestern in der Militäreommission des Reichstags
vom Kriegsminister Bronsart von Schellendorff als höchst
fragwürdige Zeitungsnachricht bezeichnet. Nach dem „Pester
Lloyd" handelt es sich um eine Annäherung des deutschen
Reichskanzlers an die Petersburger Machthaber, die fälsch-
licherweise zu einem Sonderbündniß aufgebauscht worden
sei. — Das „Deutsche Tageblatt" verzeichnet ein Gerücht,
wonach der Erlaß eines Pferdeausfuhrverbots in Vorbe-
reitung sei.
Berlin, 7. Jan. (Reichstag: Etat des Reichsamts
des Innern.) Im Laufe der Berathung erklärte Staats-
sekretär Bötticher, das Musterschutzgesetz habe bisher keine
Klagen veranlaßt. In Betreff der Markenfrage werde
eine Prüfung, wenn nöthig, eine Reform erfolgen. Die
Verhandlungen der Patentuntersuchungskommission werde
demnächst veröffentlicht. Ein Ueberblick über das finanzielle
Ergebnis) der Unfallversicherung sei noch nicht möglich.
Die Kosten würden jedoch durchschnittlich nicht höher sein,
als bei Privatgesellschaften. Die Kostspieligkeit bei der
Geschäftsführung einzelner Berufsgenossenschaften sei nicht
ein Fehler des Gesetzes, sondern Folge unzweckmäßiger
Ausführung des Gesetzes. Der Reichstag genehmigte nach
unerheblicher Verhandlung die Position des Reichspatent-
amts und des Reichsversicherungsamts. Die nächste
Sitzung findet morgen 1 Uhr statt.
Die Perle des Schmrzwaldes.
Roman von Ed. Wagner.
77) (Fortsetzung.)
„Uebrigens", fuhr Lady Trevor mit scheinbarer Offen-
heit fort, „bin ich nicht so unwillig, wie ich früher war.
Lord Glenham verhöhnte meine Liebe, und ich will ihm
zeigen, daß ich mich nicht um ihn gräme. Mehr aber,
als dies Alles, ich habe zu große Angst ausgestanden in
Betreff des Mädchens, daß ich Dich gern heirathe, schon
aus Dankbarkeit, weil Du mich von ihm befreit hast."
Diese Erklärung war einleuchtend. Pulford's Miß-
trauen war beseitigt.
„Es freut mich, daß Du endlich vernünftig wirst",
bemerkte er. „Ich liebe Dich, Edith, und nichts in der
Welt könnte mich veranlassen oder zwingen, Dich aufzu-
geben; also ist es das Beste, daß Du Dich in das Un-
vermeidliche fügst."
Sie hatten sich neben einander auf ein Sopha gesetzt,
und nun wagte die Wittwe die Frage zu äußern, welche
ihr seit Pulford's Eintritt auf den Lippen geschwebt hatte.
„Sage mir", flüsterte sie, „was hast Du ausge-
richtct? Lebt das Mädchen, oder ist es todt?"
„Es ist todt!" antwortete Pulford. „Todt, meine
liebste Edith!"
„Todt!"
Edith zitterte in ihrer übermäßigen teuflichen Freude.
Ihre Augen flammten, ihr Gesicht glühte und ihre zit-
ternde Hand fuhr nach der Brust und griff nach dem
Fläschchen mit ihrem todbringenden Inhalt.
„Du dachtest doch nicht, daß ich den eigentlichen
Zweck meiner Reise verfehlen würde, Edith! Mir schlägt
nichts fehl, was ich mir einmal vornehme", sagte Pulford
selbstgefällig. „Das Mädchen ist nicht nur todt, sondern
ihr Leichnam ist auch buchstäblich vernichtet — nicht ein
Ueberrest, so groß wie das Diamantengehängc an Deinem
Halsband, ist von ihr übrig geblieben."
Lady Trevor sah ihn ungläubig an.
„Es ist eine lange Geschichte," fuhr Pulford fort,
„aber ich will sie in so wenig wie möglich Worte fassen.
Meine Reise nach Schottland war das glücklichste Unter-
nehmen meines Lebens; ohne sie wären wir Beide unfehl-
bar verloren gewesen."
„Was meinst Du?"
„Das Mädchen war aus Black Nock entkommen."
„Entkommen?"
„Ja. Ich kam nach Jnverneß und miethete mir ein
Pferd, in der Absicht, die Reise zu Land auf den rauhen
Gebirgspässen nach der Nordwestküste zu machen, aber am
Abend desselben Tages, an dem ich von Jnverneß abreiste,
traf ich in der Nähe eines kleinen Dorfes Jarvis — ein
ganz wunderbarer Zufall. Er sagte mir, daß das Mäd-
chen mit dem alten Gretchen in einem nahen Bauernhause
sei und daß sie schon über eine Woche dort gewesen wären;
daß Gretchen an Crafton geschrieben habe, er möge ihnen
zu Hilfe kommen, und daß dieser mit jeder Stunde er-
wartet werde. Der alte Narr — ich meine Jarvis —
hatte keine Gelegenheit gehabt, nach mir zu schicken, ohne
selbst nach Jnverneß zu gehen, da das Dorf nur einmal
in der Woche Postverbindung hat. Er wagte aber nicht,
sich weit von dem Hause zu entfernen, damit er das
Mädchen nicht aus dem Auge verliere. Er wußte nicht,
was er thun sollte, als ich mit meinem gewöhnlichen Glück
auf dem Schauplatz erschien."
„Und Crafton?" fragte Lady Trevor hastig. „Hast
Du ihn gesehen?"
„Ich begegnete ihm an andern Morgen — oder besser:
er fuhr an mir vorbei, als ich mich in einem Gebüsch
verborgen hielt. Aber das Mädchen war schon vorher
beseitigt."
Er erzählte nun die ganze Geschichte, wie die Flüchtlinge
in das Haus Mac Dougal's gekommen waren, was Jar-
vis den Bauern erzählt hatte, sowie von seiner Ankunft
Isrankreich.
Paris, 6. Jan. General Boulanger hat 200,003
Stück mit Melinit geladene Granaten bestellt. Die neuen
Geschosse werden am 13. und 14. in Bourges in An-
wesenheit des Kriegsministers gegen eigens hierzu gebaute
Festungswerke versucht werden. Herr Pierre Gisiard vom
„Figaro", der diese Werke gesehen hat, sagt, die Offiziere,
welche sie gebaut, hegten die Ueberzeugung, daß das
Melinit sie in weniger Zeit, „als man zu schreiben braucht",
zerstören würden. Zwei der Kanonengießerei von Bourges
zugetheilte Offiziere, die Hauptleute Locard und Hinondard,
sind die Erfinder des Menilits.
Ans Nah und Fern.
* Karlsruhe, 7. Jan. Der Großherzog und die
Frau Großherzogin, unermüdlich in der Theilnahme und
Förderung der Vereinsthätigkeit, haben gestern der Weih-
nachtsbescheerung des Militärvereins angewohnt, an der
auch die Angehörigen der Mitglieder sich bethciligten. —
Die Verwaltung der Residenz hat aus dem letzten großen
Schneefall bereits ihre Lehren gezogen. Gestern bei neuem
Schneegestöber wurden sofort die Straßenübergänge her-
gestellt und es erfolgte theilweise Abfuhr des Schnees
mittels Wagen.
* Mannheim, 7. Jan. Der fahrplanmäßige, um 12
Uhr Mittags hier fällige Personenzug der Rheinthalbahn
entgleiste heute Mittag um 11 Uhr 54 Min. vor der
Station Neckarau in Folge Bruchs einer Schienenzunge.
Nur dem Umstande, daß der Zug mit ganz minimaler
Geschwindigkeit in die Station Neckarau einfuhr, ist es zu
verdanken, daß keine Passagiere Verletzungen davontrugen.
Entgleist sind außer der Locomotive der Tender und der
Packwagen. Die Locomotive fuhr nach der Entgleisung
noch unfähr 10 Meter weiter und rannte sich auf dem
Bahnkörper fest. Außer einem unerheblichen Material-
schaden dürfte der Bahn-Verwaltung keine weitere Ausgabe
erwachsen.
* Edingen, 6. Jan. Ueber die hiesigen Ausgrabungen
schreibt das Correspondenzblatt der „Westdeutschen Zeit-
schrift' für Geschichte und Kunst: In Edingen (bei Hei-
delberg) veranstaltet der Mannheimer Alterthumsverein
derzeit Ausgrabungen. In den letzten Jahren stieß man
bei Anlegung einer neuen Straße (Louisenstraße) in ge-
nanntem Ort wiederholt auf fränkische Gräber; die dabei
gemachten Funde an Waffen, Schmuck und Hausgeräthen
wurden theils durch den leider inzwischen verstorbenen
Pfarrer Böhringer, der dieselben sorgfältig sammelte; theils
durch die Finder selbst der Mannheimer Alterthumssamm-
lung überwiesen. Infolgedessen hat man in diesen Tagen
mit einer systematischen Ausgrabung begonnen. Bis jetzt
in dem Hause und wie er und Jarvis das Haus in Brand
gesteckt hätten.
Lady Trevor hörte in der größten Spannung zu.
„Und Du bist vollkommen sicher, daß sie nicht wieder
entkommen ist?" fragte sie.
„Ich wünsche, ich erlangte so sicher die Titel, nach
denen ich trachte," antwortete Pulford. „Wenn Du das
Feuer gesehen hättest, wie es so rasch um sich griff und
diese ungeheure Gluth, so würdest Du eine solche Frage
nicht stellen. Das Mädchen ist todt und mit ihr die alte
Frau; ja, die Familie, welche unten schlief, kam kaum
mit dem Leben davon."
„Es war eine gewagte That, aber sie war gut voll-
endet," sagte Lady Trevor. „Ich hätte es selbst thun
können. Ich möchte Wohl wissen, was Maldred dachte,
als er an die Ruinen des Hauses kam und hörte, daß
das Mädchen todt sei. Glaubst Du, daß er von Deinem
Besuch dort hören wird?" —
„Er wird meinen Namen nicht erfahren, da ich den
seinigen annahm und mich Crafton nannte," sagte Pulford
lachend. „Aber wenn er doch ermitteln sollte, daß ich es
war, der seinen Namen borgte, könnte er doch nicht be-
weisen, daß ich das Haus in Brand steckte. Ich habe mich
vorgesehen, daß man mir nichts anhaben kann, Edith. Was
Crafton auch vermuthen mag, er wird es für sich behalten,
da er nichts beweisen kaun."
„Wann trug sich das Alles zu? Du kamst direkt
nach London nach diesen Ereignissen?"
„Nein. Ich war gezwungen, zwei oder drei Tage
in Jnverneß zu bleiben. Als ich von Loch-Low, so heißt
das Dorf, zurückkehrte, stürzte mein Pferd dicht vor der
Stadt und ich erhielt eine kleine Verletzung, jedoch schlimm
genug, daß cs mit nothwendig schien, ein Paar Tage mich
ruhig zu verhalten und mich in die Pflege eines Arztes
zu geben. Du kannst Dir denken, daß ich mich nicht
außerhalb des Hauses sehen ließ, da ich fürchtete, Mr.
Crafton zu begegnen, und als ich mit dem Eisenbahnzug