eiMtyer Tageblatt
Erscheint täglich außer Msnrag. Abonnementspreis mir * Anzeigen: die 1-spaltige Vetitzerle »der deren Raum für aus«
dem wöckenrl. Unterhaliungsblatt „Alt Heidelberg", für Heidel- I vZÄI n-arts 16 Pfg., Lokalanzeigen 5 Pfg., Stellengesuche und
berg: monatlich 5V Pfg. mit Tragerlohn, durch die Post be- III- 1^ II II II114 1^ Wohnungs-Anz. 3 Pfg. Reclame SV Pfg. Bei mehrm. Erschein.
zogen viertelj. Mk. 1.25 ohne Zustellungsgebühr. * bedeutenden Rabatt. Gratis-Berbreitung durch Mauer-Anschlag.
Verkündigunirs-SlLtt für die Bezirke Keidriderg, WrirrhriN, SchNktziugeu, Wiesloch, Sinsheim, Eppingerr, Mosbach, Necharbifchofsherm, Eberbach, Küche«,
Buchdruckerci und Expedition: Brunnengasse 24. WllÜÜÜtU, AbklshkiM, ös.iüel!), TaaberbifchofshklM Mb MkrlhtiA. Buchdruckern und Expedition: Brurmengafsc 21-
M 167 j
Berantwortl. Redakteur PH. Klausner
in Heidelberg.
Donnerstag, 21. Juli
Druck und Nerlag von Wurm L Pfeffer
i« Heidelberg.
1887.
werden wird. — Wie sieht es nun, im Gegensätze hiezu, >
im Osten aus, und zwar zunächst im Südosten, dem i
Wetterloche Europa's? Da werden sich diejenigen Wohl
schwer täuschen, welche da wähnen, es sehe jetzt wenig-
stens die bulgarische Frage, in Folge der Erwählung des
Coburgers zum Fürsten von Bulgarien, einer endlichen
Erledigung entgegen. Die Annahme dieses Prinzen ist
auch äußerst verclausulirt und von der Zustimmung aller
Großmächte abhängig gemacht. So lange aber Rußland
seine Einwilligung nicht ertheilt, wird dieses sicher auch
Frankreich nicht thun, und wohl auch Deutschland (wenn
es dieselbe Politik wie zu Zeiten des Battenbergers ein-
hält) nicht unbedingt. Rußland wird aber allem Anscheine
nach, eine feste, entscheidende Einwilligung nie crtheilen.
Ihm isi es ja nicht darum zu thun, diese brennende Frage s
aus der Welt zu schaffen (außer es müßte ein ganz ge-
fügiges Werkzeug als bulgar. Fürst eingesetzt werden), ?
vielmehr will es dieselbe, allem und jedem Anscheine nach,
bis zu einer passenden Gelegenheit offen erhalten, — einer
Gelegenheit, die bei den jetzigen unsicher» Verhältnissen
unseres Welttheils nicht ausbleiben kann, um dann seine
eigennützigen Absichten mit offener Gewalt durchzusetzen,
welches plumpe Mittel man aus verschiedenen Gründen -
im jetzigen Augenblicke doch nicht gerade anwenden will.
Dergleichen tendenziöse Absichten sind von russischer Seite
selbst auch in neuerer Zeit nicht nur diplomatisch verhüllt,
sondern zum Theile ziemlich offen in ofsiciöser Weise aus-
gesprochen worden.
Hesterreich-Msgar«.
Innsbruck, 19. Juli. Der deutsche Kaiser be-
gab sich heute Morgen von dem Tyroler Hof zum Bahn- l
Hof, auf dem Wege von der dichtgedrängten Menge ehr-
erbietigst begrüßt. Auf dem Bahnhofe sprach der Kaiser i
dem Statthalter v. Widmann seinen Dank für den Em- i
pfaug aus, bestieg darauf auf dem Bahnhofe, die Anwesen- s
den huldvoll grüßend, den Salonwagen und fuhr um 9 s
Uhr ab. s
Irankreich. ;
Paris, 18. Juli. Sitzung der Deputirtenkammer. >
Bei Berathung der Mobilmachungsvorlage bekämpft ?
Cavaignac den Versuch als unnütz, da eine solche Mobil- !
machung nicht unter denselben Bedingungen vor sich gehen -
könne, wie eine allgemeine. Kriegsminister Ferron legt !
die Bedingungen dar, unter denen sich die Mobilmachung s
vollziehen werde; es werde zwar eine geringe Arbeits- i
störung in der Gegend, wo die Uebung statlfinde, eintreten; ;
aber übertrieben sei, wenn man das mit dem Kriegszustände i
vergleiche; nur 20000 Mann und 10000 Pferde würden -
eingestellt; der Eisenbahndienst werde nicht vollständig ge-
hemmt. Der Minister bittet, den Entwurf anzunehmen. '
Baron Reille ist gegen die Annahme. Für die Berathung
wird mit 394 gegen 131 Stimmen die Dringlichkeit er-
klärt. Bis Artikel 8 wird der Entwurf genehmigt. Ar-
tikel 9, der bestimmt, daß der Zahlungs- und Lieferungs-
termin in der betreffenden Gegend um einen Monat ver-
längert werden soll, wird vom Handelsminister bekämpft
und infolge dessen abgelehnt. Der ganze Entwurf wird
mit 329 gegen 118 Stimmen angenommen.
Bulgarien.
Sofia, 17. Juli. Der Minister des Innern, Dr.
Stransky, ist gestern Nacht hier eingetroffen. Die
serbische Regierung stellte demselben einen Extrazug bis
Pirot zur Verfügung. — Aus Tirnowa wird dem „Berl.
Tgbl." gemeldet, daß gestern Abend, nachdem die Sobranje
officiell bereits aufgelöst war, noch eine letzte Zusammen-
kunft der Mitglieder stattgefunden hat. Diese Zusammen-
kunft hatte einen privaten Character und war der Be-
sprechung der durch die reservirte Haltung des Coburgers
geschaffenen Lage gewidmet. Ministerpräsident Dr. Stoi-
low legte die Situation folgendermaßen klar: Die Action
von Seiten Bulgariens sei vorläufig beendet, nunmehr
habe Europa seine Aufgsbe zu beginnen. Stoilow ist voll
Vertrauens auf die Großmächte, welche eine Lösung der
Krisis herbeizuführen wünschen. Wenn es sich dennoch
zeigen sollte, daß die Vereinigung beider Bulgarien unter
einem Fürsten nicht durchführbar sei, dann werde auch die
Sobranje wieder mitzusprechen haben. Vorläufig müsse
Bulgarien alles Handeln dem neugewählten Fürsten über-
lassen. Die Versammlung ging auseinander mit Hoch-
rufen auf Stoilow.
Ans Nah rrrrd Zemr»
* Karlsruhe, 18. Juli. Der 50 Jahre alte Schuh-
macher Johann Schmitt entleibte sich am Samstag Abend
in seiner Wohnung in der Durlacherstraße dadurch, daß
er sich den Hals durchschnitt. Der Verlebte, der schon
längere Zeit dem Trünke ergeben ist, war am Nachmittag
wieder angetrunken nach Hause gekommen. Er hinterläßt
eine brave Wittwe mit erwachsenen Kindern.
* Schwetzingen, 17. Juli. Die lang ersehnten starken
Gewitterregen der letzten Wochen haben mit der hohen
Temperatur auf die Pflanzenwelt außerordentlich günstig
eingewirkt. Hopfen, Tabak, Kartoffeln und Futterpflanzen
stehen zur Zeit sehr schön. Die Halmfrüchte, besonders
Gerste und Roggen, werden bereits geschnitten und geben
nach Menge und Güte einen sehr guten Ertrag. Im Gr.
Schloßgarten hofft man von gedeckten Reben noch diesen
Monat reife Trauben zu erhalten. Auffallend stark war
diesen Sommer der üppige Trieb der Holzgewächse.
Deutsches Reich.
Berlin, 17. Juli. Der „Sches. Ztg." schreibt
man: Wie bekannt, wurde der dänische Kapitän a. D.
Sara uw vor mehreren Jahren vom Reichsgericht in
Leipzig wegen Landesverraths zu 12 Jahren Zuchthaus
verurtheilt. Sarauw wurde zur Abbüßung seiner Zucht-
hausstrafe nach Halle gebracht; vor etwa Jahresfrist wurde
Sarauw's 12jährige Zuchthausstrafe in eine 6jährige Ge-
fängnißstrafe umgewandelt. Es wurde diese Strafmilderung
u. A. auch darauf zurückgcführt, daß Sarauw eine Anzahl
Geständnisse gemacht und der Regierung mannigfache
Fingerzeige hinsichtlich der systematisch betriebenen Spio-
nage gegeben habe. Sarauw wurde nach dem Gefängnisse
in Plötzensee übcrgcführt; cs war Anfangs für ihn ein
anderes Gefängniß bestimmt; aber man wählte deßhalb
Plötzcnsec, um bei etwaigen Verhören und Fragen Sarauw
gleich zur Hand zu haben. Bei den letzten, vor dem
Reichsgericht verhandelten Prozessen wegen Landesverraths
soll nun Sarauw wieder der Regierung nicht zu unter-
schätzende Dienste geleistet haben. Angesichts dieser Tat-
sachen und des Umstandes, daß Sarauw im Gefängnisse
sich außerordentlich gut geführt, ist nun Sarauw völlig
begnadigt und bereits in Freiheit gesetzt worden.
Straßburg, 19. Juli. 152 angesehene Altdeutsche,
worunter auch höhere Beamte, viele Professoren und zahl-
reiche Geschäftsleute, veröffentlichen eine Aufforderung an
die Eingewanderten, bei der Reichstagsersatzwahl am 21.
Juli für Petri zu stimmen, durch dessen Wahl die deut-
schen Interessen durchaus gewahrt würden. — Ein Auf-
ruf des Wahlvereins stellt förmlich die Candidatur Moltke's
auf, um ein klares Bild von der Stärke der Parteien zu
erhalten.
s-s Aus Süddeutschland, 19. Juli. Ein gutes Wetter-
zeichen am westlichen politischen Horizonte war es, daß
in der tonangebenden Hauptstadt Frankreichs bei der be-
kannten Jahresfeier vom 14. Juli die extreme Roche-
fort'sche Partei mit den Maffen-Ovationen für ihren jetzigen
Götzen: Boulanger nicht durchdringen, vielmehr durch die
Ruhe der eminenten Mehrheit der Bevölkerung: Hoch die
Republik und hoch Grevy! Überboten und zum Schweigen
gebracht wurde. Es ist dieses nicht nur ein gutes Zeichen
für die inneren Zustände Frankreichs, sondern zugleich für
die äußeren, und bekundet vorerst soviel: daß, so lange
die gebildeten und wohlhabenden Classen in Frankreich noch
Oberwasser haben und das Heft nicht — wie seit 1790
schon oftmals — in der Hand der Hefe des Volkes von
Paris ist, blindlings geleitet von gewissenlosen Dema-
gogen — auch Wohl noch auf Frieden zu rechnen ist und
wenigstens ganz grundlos kein Krieg vom Zaune gebrochen
Magda.
6) Historische-Original-Novelle aus der Neuzeit.
(Fortsetzung.)
Nach wenigen Secunden ertönte in dem stillen Raume
Nur das Wort: „Gerettet!", während die Baronin, über-
wältigt von dem Gefühl des Dankes gegen den allmäch-
tigen Helfer ihr von Wonnethränen überströmtes Gesicht
W die Kissen grub, nachdem sie aufblickend nur die Worte
stammeln konnte: „O Gott wie dank ich Dir!"
Es ging nun von Tag zu Tag besser mit dem Kranken,
fühlte mehr und mehr seine Kräfte zurückkehren und
ließ sich von seiner Mutter und Cousine-pflegen, wie ein
Kind. Wie wohl that's ihm, wenn Helene ihm mit sanfter
Hand die Kissen zurechtrückte; wie oft dankte er ihr durch
Blick und Wort.
Ganz versunken schien die Vergangenheit, wenn er
später, geführt von beiden, im Park die köstliche Früh-
stngsluft cinathmete. Kurz, Arthur fühlte sich wie neu-
geboren und wenn auch seine Liebe zu Magda noch keines-
wegs erloschen, so war sie doch zurückgcdrängt und ganz
lief im Herzen hatte er ihr ein Plätzchen geweiht, welches
Riemand anders mehr einnehmen sollte.
Ein stiller Friede war über ihn gekommen und mit
ihm eine Empfänglichkeit für die uns in der Natur geoffen-
iwrten Wunder, wie er sie früher nicht gekannt hatte;
nicht lange dauerte es und er hatte seine früheren Kräfte
wiedererlangt.
Zufällig erfuhr er von dem Verluste, den sein Onkel
glitten, und nun trieb ihn sein zur Versöhnung geneigtes
Hwrz, den Verwandten mit Rath und That beizustchcn;
weßholb er nochmals nach Steinthal reiste.
, Wie ganz anders fand Arthur das frühere Besitzthum
Mries Onkels! Im Parke grünte und blühte es prächtig
llhd das Schloß selbst hatte ein neues Gewand angezogcn,
wilder Wein rankte sich bis an das Dach empor.
Erstaunt über diese Veränderung verlangte er den
Besitzer zu sprechen, welcher sich ihm auch bald als Kauf-
mann Levy vorstellte und den hohen Gast bat, einzutreten.
Auch im Innern war alles Düstere geschwunden und
machten die renovirten Räumlichkeiten auf den Baron einen
sehr guten Eindruck.
Levy schmunzelte vergnügt, als er die zufriedene
Miene des Käufers — für den er den Baron gleich ge-
halten hatte — sah.
Und in der That war Arthur zu dem Zwecke her-
gereist, um das Schloß wieder für seinen Onkel zu kaufen.
Freilich mußte er sich nun sagen, daß der grämliche Alte
und Magda sich schwerlich in den veränderten Räumen
wohl fühlen würden.
Doch ließ er sich durch diese Bedenken von seinem
Vorhaben nicht abbringen und kaufte noch an demselben
Tage das Gut für einen nach heutigen Begriffen fabel-
haft billigen Preis.
Einige Tage nach seiner Abreise traf der neue vom
Baron gesandte Verwalter ein, dem Levi die Besitzung
übergab, froh darüber, daß er eins der Güter wieder los-
geworden, die er nach dem Aufstande zu übernehmen ge-
nöthigt war.
Der Baron hatte bald nach seiner Ankunft zu Haus
an seinen Onkel geschrieben. In dem Briefe theilte er
demselben das Geschehene mit und bot ihm das Gut zur
unbeschränkten Benutzung an.
Täglich erwartete er Antwort, doch es kam keine
und wieder wollte die Bitterkeit in seinem Herzen übcr-
handnehmen, da er sich sagen mußte, daß sein Onkel es
nicht einmal für nöthig fand, ihm auf das liebevolle An-
erbieten zu antworten.
Er machte sich Vorwürfe, daß er nicht lieber seine
Reise gleich fortgesetzt und dem Grafen das Besitzthum
persönlich angeboten hatte, doch waren es triftige Gründe
welche für Arthur bei der Wahl des schriftlichen Verkehrs
bestimmend waren.
Aber diesmal hat er seinem Onkel Unrecht gethan.
Allerdings erst nach Wochen kam die Antwort und wenn
dieselbe auch durchaus keine befriedigende war, so entschul-
digte sie doch ihr langes Ausbleiben. Er theilte seinem
Neffen mit, daß Magda der Zerstreuung höchst bedürftig
gewesen und sie deßhalb eine Reise nach dem Harz unter-
nommen hätten, von der sie erst jetzt zurückgekehrt seien.
Das Vorgefundene Anerbieten lehnte jedoch der Graf
entschieden ab, indem er vorgab, daß seine Kräfte zurBe-
wirthung nicht mehr ausreichtcn und auch Magda mit dem
jetzigen Stillleben zufrieden sei. Zudem lebte letztere noch
in der Hoffnung, daß sie ihr Gemahl bald nachkommen
lassen wird.
Das Schreiben des Onkels hatte Arthur mehr ange-
griffen, als er zeigte und nur die jetzt beginnende ange-
strengte Erntearbeit rettete ihn vor abermaliger Krankheit
und Schwermuth.
Die Aussichten der Baronin auf eine Heirath mit
Helene schienen wieder zerstört und wenn sie auch ihre
Wünsche nie hatte laut werden lassen, so las doch Arthur
mehr in den Augen seiner Mutter, als diese durch Worte
hätte ausdrücken können.
Wenn nun auch Arthur Helene ganz gut leiden konnte,
so war ihm doch noch nie in den Sinn gekommen, daß er
Magda vergessen und seine Cousine heirathen könne, zu-
mal er gar nicht daran dachte, daß dieselbe mehr als
Freundschaft für ihn hegte.
Ein an sich unbedeutender Vorfall sollte ihm den
Stand der Dinge klar machen.
Es war ein trüber Herbsttag. Arthur kam eben vom
Felde, wo er die Leute beim Kartoffelnhacken und Neube-
stellen des Ackers inspizirt hatte. Indem er in den Schloß-
hof einsprengte, kam eine alte vermummte Frau aus
dem Portale heraus, in der Schürze die reichlich em-
pfangenen Gaben bergend. Sein Reitpferd, ein junges
Vollblutthier, scheute sich und bäumte, so daß der Reiter
in die Gefahr kam, herabzustürzen.
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berg: monatlich 5V Pfg. mit Tragerlohn, durch die Post be- III- 1^ II II II114 1^ Wohnungs-Anz. 3 Pfg. Reclame SV Pfg. Bei mehrm. Erschein.
zogen viertelj. Mk. 1.25 ohne Zustellungsgebühr. * bedeutenden Rabatt. Gratis-Berbreitung durch Mauer-Anschlag.
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Buchdruckerci und Expedition: Brunnengasse 24. WllÜÜÜtU, AbklshkiM, ös.iüel!), TaaberbifchofshklM Mb MkrlhtiA. Buchdruckern und Expedition: Brurmengafsc 21-
M 167 j
Berantwortl. Redakteur PH. Klausner
in Heidelberg.
Donnerstag, 21. Juli
Druck und Nerlag von Wurm L Pfeffer
i« Heidelberg.
1887.
werden wird. — Wie sieht es nun, im Gegensätze hiezu, >
im Osten aus, und zwar zunächst im Südosten, dem i
Wetterloche Europa's? Da werden sich diejenigen Wohl
schwer täuschen, welche da wähnen, es sehe jetzt wenig-
stens die bulgarische Frage, in Folge der Erwählung des
Coburgers zum Fürsten von Bulgarien, einer endlichen
Erledigung entgegen. Die Annahme dieses Prinzen ist
auch äußerst verclausulirt und von der Zustimmung aller
Großmächte abhängig gemacht. So lange aber Rußland
seine Einwilligung nicht ertheilt, wird dieses sicher auch
Frankreich nicht thun, und wohl auch Deutschland (wenn
es dieselbe Politik wie zu Zeiten des Battenbergers ein-
hält) nicht unbedingt. Rußland wird aber allem Anscheine
nach, eine feste, entscheidende Einwilligung nie crtheilen.
Ihm isi es ja nicht darum zu thun, diese brennende Frage s
aus der Welt zu schaffen (außer es müßte ein ganz ge-
fügiges Werkzeug als bulgar. Fürst eingesetzt werden), ?
vielmehr will es dieselbe, allem und jedem Anscheine nach,
bis zu einer passenden Gelegenheit offen erhalten, — einer
Gelegenheit, die bei den jetzigen unsicher» Verhältnissen
unseres Welttheils nicht ausbleiben kann, um dann seine
eigennützigen Absichten mit offener Gewalt durchzusetzen,
welches plumpe Mittel man aus verschiedenen Gründen -
im jetzigen Augenblicke doch nicht gerade anwenden will.
Dergleichen tendenziöse Absichten sind von russischer Seite
selbst auch in neuerer Zeit nicht nur diplomatisch verhüllt,
sondern zum Theile ziemlich offen in ofsiciöser Weise aus-
gesprochen worden.
Hesterreich-Msgar«.
Innsbruck, 19. Juli. Der deutsche Kaiser be-
gab sich heute Morgen von dem Tyroler Hof zum Bahn- l
Hof, auf dem Wege von der dichtgedrängten Menge ehr-
erbietigst begrüßt. Auf dem Bahnhofe sprach der Kaiser i
dem Statthalter v. Widmann seinen Dank für den Em- i
pfaug aus, bestieg darauf auf dem Bahnhofe, die Anwesen- s
den huldvoll grüßend, den Salonwagen und fuhr um 9 s
Uhr ab. s
Irankreich. ;
Paris, 18. Juli. Sitzung der Deputirtenkammer. >
Bei Berathung der Mobilmachungsvorlage bekämpft ?
Cavaignac den Versuch als unnütz, da eine solche Mobil- !
machung nicht unter denselben Bedingungen vor sich gehen -
könne, wie eine allgemeine. Kriegsminister Ferron legt !
die Bedingungen dar, unter denen sich die Mobilmachung s
vollziehen werde; es werde zwar eine geringe Arbeits- i
störung in der Gegend, wo die Uebung statlfinde, eintreten; ;
aber übertrieben sei, wenn man das mit dem Kriegszustände i
vergleiche; nur 20000 Mann und 10000 Pferde würden -
eingestellt; der Eisenbahndienst werde nicht vollständig ge-
hemmt. Der Minister bittet, den Entwurf anzunehmen. '
Baron Reille ist gegen die Annahme. Für die Berathung
wird mit 394 gegen 131 Stimmen die Dringlichkeit er-
klärt. Bis Artikel 8 wird der Entwurf genehmigt. Ar-
tikel 9, der bestimmt, daß der Zahlungs- und Lieferungs-
termin in der betreffenden Gegend um einen Monat ver-
längert werden soll, wird vom Handelsminister bekämpft
und infolge dessen abgelehnt. Der ganze Entwurf wird
mit 329 gegen 118 Stimmen angenommen.
Bulgarien.
Sofia, 17. Juli. Der Minister des Innern, Dr.
Stransky, ist gestern Nacht hier eingetroffen. Die
serbische Regierung stellte demselben einen Extrazug bis
Pirot zur Verfügung. — Aus Tirnowa wird dem „Berl.
Tgbl." gemeldet, daß gestern Abend, nachdem die Sobranje
officiell bereits aufgelöst war, noch eine letzte Zusammen-
kunft der Mitglieder stattgefunden hat. Diese Zusammen-
kunft hatte einen privaten Character und war der Be-
sprechung der durch die reservirte Haltung des Coburgers
geschaffenen Lage gewidmet. Ministerpräsident Dr. Stoi-
low legte die Situation folgendermaßen klar: Die Action
von Seiten Bulgariens sei vorläufig beendet, nunmehr
habe Europa seine Aufgsbe zu beginnen. Stoilow ist voll
Vertrauens auf die Großmächte, welche eine Lösung der
Krisis herbeizuführen wünschen. Wenn es sich dennoch
zeigen sollte, daß die Vereinigung beider Bulgarien unter
einem Fürsten nicht durchführbar sei, dann werde auch die
Sobranje wieder mitzusprechen haben. Vorläufig müsse
Bulgarien alles Handeln dem neugewählten Fürsten über-
lassen. Die Versammlung ging auseinander mit Hoch-
rufen auf Stoilow.
Ans Nah rrrrd Zemr»
* Karlsruhe, 18. Juli. Der 50 Jahre alte Schuh-
macher Johann Schmitt entleibte sich am Samstag Abend
in seiner Wohnung in der Durlacherstraße dadurch, daß
er sich den Hals durchschnitt. Der Verlebte, der schon
längere Zeit dem Trünke ergeben ist, war am Nachmittag
wieder angetrunken nach Hause gekommen. Er hinterläßt
eine brave Wittwe mit erwachsenen Kindern.
* Schwetzingen, 17. Juli. Die lang ersehnten starken
Gewitterregen der letzten Wochen haben mit der hohen
Temperatur auf die Pflanzenwelt außerordentlich günstig
eingewirkt. Hopfen, Tabak, Kartoffeln und Futterpflanzen
stehen zur Zeit sehr schön. Die Halmfrüchte, besonders
Gerste und Roggen, werden bereits geschnitten und geben
nach Menge und Güte einen sehr guten Ertrag. Im Gr.
Schloßgarten hofft man von gedeckten Reben noch diesen
Monat reife Trauben zu erhalten. Auffallend stark war
diesen Sommer der üppige Trieb der Holzgewächse.
Deutsches Reich.
Berlin, 17. Juli. Der „Sches. Ztg." schreibt
man: Wie bekannt, wurde der dänische Kapitän a. D.
Sara uw vor mehreren Jahren vom Reichsgericht in
Leipzig wegen Landesverraths zu 12 Jahren Zuchthaus
verurtheilt. Sarauw wurde zur Abbüßung seiner Zucht-
hausstrafe nach Halle gebracht; vor etwa Jahresfrist wurde
Sarauw's 12jährige Zuchthausstrafe in eine 6jährige Ge-
fängnißstrafe umgewandelt. Es wurde diese Strafmilderung
u. A. auch darauf zurückgcführt, daß Sarauw eine Anzahl
Geständnisse gemacht und der Regierung mannigfache
Fingerzeige hinsichtlich der systematisch betriebenen Spio-
nage gegeben habe. Sarauw wurde nach dem Gefängnisse
in Plötzensee übcrgcführt; cs war Anfangs für ihn ein
anderes Gefängniß bestimmt; aber man wählte deßhalb
Plötzcnsec, um bei etwaigen Verhören und Fragen Sarauw
gleich zur Hand zu haben. Bei den letzten, vor dem
Reichsgericht verhandelten Prozessen wegen Landesverraths
soll nun Sarauw wieder der Regierung nicht zu unter-
schätzende Dienste geleistet haben. Angesichts dieser Tat-
sachen und des Umstandes, daß Sarauw im Gefängnisse
sich außerordentlich gut geführt, ist nun Sarauw völlig
begnadigt und bereits in Freiheit gesetzt worden.
Straßburg, 19. Juli. 152 angesehene Altdeutsche,
worunter auch höhere Beamte, viele Professoren und zahl-
reiche Geschäftsleute, veröffentlichen eine Aufforderung an
die Eingewanderten, bei der Reichstagsersatzwahl am 21.
Juli für Petri zu stimmen, durch dessen Wahl die deut-
schen Interessen durchaus gewahrt würden. — Ein Auf-
ruf des Wahlvereins stellt förmlich die Candidatur Moltke's
auf, um ein klares Bild von der Stärke der Parteien zu
erhalten.
s-s Aus Süddeutschland, 19. Juli. Ein gutes Wetter-
zeichen am westlichen politischen Horizonte war es, daß
in der tonangebenden Hauptstadt Frankreichs bei der be-
kannten Jahresfeier vom 14. Juli die extreme Roche-
fort'sche Partei mit den Maffen-Ovationen für ihren jetzigen
Götzen: Boulanger nicht durchdringen, vielmehr durch die
Ruhe der eminenten Mehrheit der Bevölkerung: Hoch die
Republik und hoch Grevy! Überboten und zum Schweigen
gebracht wurde. Es ist dieses nicht nur ein gutes Zeichen
für die inneren Zustände Frankreichs, sondern zugleich für
die äußeren, und bekundet vorerst soviel: daß, so lange
die gebildeten und wohlhabenden Classen in Frankreich noch
Oberwasser haben und das Heft nicht — wie seit 1790
schon oftmals — in der Hand der Hefe des Volkes von
Paris ist, blindlings geleitet von gewissenlosen Dema-
gogen — auch Wohl noch auf Frieden zu rechnen ist und
wenigstens ganz grundlos kein Krieg vom Zaune gebrochen
Magda.
6) Historische-Original-Novelle aus der Neuzeit.
(Fortsetzung.)
Nach wenigen Secunden ertönte in dem stillen Raume
Nur das Wort: „Gerettet!", während die Baronin, über-
wältigt von dem Gefühl des Dankes gegen den allmäch-
tigen Helfer ihr von Wonnethränen überströmtes Gesicht
W die Kissen grub, nachdem sie aufblickend nur die Worte
stammeln konnte: „O Gott wie dank ich Dir!"
Es ging nun von Tag zu Tag besser mit dem Kranken,
fühlte mehr und mehr seine Kräfte zurückkehren und
ließ sich von seiner Mutter und Cousine-pflegen, wie ein
Kind. Wie wohl that's ihm, wenn Helene ihm mit sanfter
Hand die Kissen zurechtrückte; wie oft dankte er ihr durch
Blick und Wort.
Ganz versunken schien die Vergangenheit, wenn er
später, geführt von beiden, im Park die köstliche Früh-
stngsluft cinathmete. Kurz, Arthur fühlte sich wie neu-
geboren und wenn auch seine Liebe zu Magda noch keines-
wegs erloschen, so war sie doch zurückgcdrängt und ganz
lief im Herzen hatte er ihr ein Plätzchen geweiht, welches
Riemand anders mehr einnehmen sollte.
Ein stiller Friede war über ihn gekommen und mit
ihm eine Empfänglichkeit für die uns in der Natur geoffen-
iwrten Wunder, wie er sie früher nicht gekannt hatte;
nicht lange dauerte es und er hatte seine früheren Kräfte
wiedererlangt.
Zufällig erfuhr er von dem Verluste, den sein Onkel
glitten, und nun trieb ihn sein zur Versöhnung geneigtes
Hwrz, den Verwandten mit Rath und That beizustchcn;
weßholb er nochmals nach Steinthal reiste.
, Wie ganz anders fand Arthur das frühere Besitzthum
Mries Onkels! Im Parke grünte und blühte es prächtig
llhd das Schloß selbst hatte ein neues Gewand angezogcn,
wilder Wein rankte sich bis an das Dach empor.
Erstaunt über diese Veränderung verlangte er den
Besitzer zu sprechen, welcher sich ihm auch bald als Kauf-
mann Levy vorstellte und den hohen Gast bat, einzutreten.
Auch im Innern war alles Düstere geschwunden und
machten die renovirten Räumlichkeiten auf den Baron einen
sehr guten Eindruck.
Levy schmunzelte vergnügt, als er die zufriedene
Miene des Käufers — für den er den Baron gleich ge-
halten hatte — sah.
Und in der That war Arthur zu dem Zwecke her-
gereist, um das Schloß wieder für seinen Onkel zu kaufen.
Freilich mußte er sich nun sagen, daß der grämliche Alte
und Magda sich schwerlich in den veränderten Räumen
wohl fühlen würden.
Doch ließ er sich durch diese Bedenken von seinem
Vorhaben nicht abbringen und kaufte noch an demselben
Tage das Gut für einen nach heutigen Begriffen fabel-
haft billigen Preis.
Einige Tage nach seiner Abreise traf der neue vom
Baron gesandte Verwalter ein, dem Levi die Besitzung
übergab, froh darüber, daß er eins der Güter wieder los-
geworden, die er nach dem Aufstande zu übernehmen ge-
nöthigt war.
Der Baron hatte bald nach seiner Ankunft zu Haus
an seinen Onkel geschrieben. In dem Briefe theilte er
demselben das Geschehene mit und bot ihm das Gut zur
unbeschränkten Benutzung an.
Täglich erwartete er Antwort, doch es kam keine
und wieder wollte die Bitterkeit in seinem Herzen übcr-
handnehmen, da er sich sagen mußte, daß sein Onkel es
nicht einmal für nöthig fand, ihm auf das liebevolle An-
erbieten zu antworten.
Er machte sich Vorwürfe, daß er nicht lieber seine
Reise gleich fortgesetzt und dem Grafen das Besitzthum
persönlich angeboten hatte, doch waren es triftige Gründe
welche für Arthur bei der Wahl des schriftlichen Verkehrs
bestimmend waren.
Aber diesmal hat er seinem Onkel Unrecht gethan.
Allerdings erst nach Wochen kam die Antwort und wenn
dieselbe auch durchaus keine befriedigende war, so entschul-
digte sie doch ihr langes Ausbleiben. Er theilte seinem
Neffen mit, daß Magda der Zerstreuung höchst bedürftig
gewesen und sie deßhalb eine Reise nach dem Harz unter-
nommen hätten, von der sie erst jetzt zurückgekehrt seien.
Das Vorgefundene Anerbieten lehnte jedoch der Graf
entschieden ab, indem er vorgab, daß seine Kräfte zurBe-
wirthung nicht mehr ausreichtcn und auch Magda mit dem
jetzigen Stillleben zufrieden sei. Zudem lebte letztere noch
in der Hoffnung, daß sie ihr Gemahl bald nachkommen
lassen wird.
Das Schreiben des Onkels hatte Arthur mehr ange-
griffen, als er zeigte und nur die jetzt beginnende ange-
strengte Erntearbeit rettete ihn vor abermaliger Krankheit
und Schwermuth.
Die Aussichten der Baronin auf eine Heirath mit
Helene schienen wieder zerstört und wenn sie auch ihre
Wünsche nie hatte laut werden lassen, so las doch Arthur
mehr in den Augen seiner Mutter, als diese durch Worte
hätte ausdrücken können.
Wenn nun auch Arthur Helene ganz gut leiden konnte,
so war ihm doch noch nie in den Sinn gekommen, daß er
Magda vergessen und seine Cousine heirathen könne, zu-
mal er gar nicht daran dachte, daß dieselbe mehr als
Freundschaft für ihn hegte.
Ein an sich unbedeutender Vorfall sollte ihm den
Stand der Dinge klar machen.
Es war ein trüber Herbsttag. Arthur kam eben vom
Felde, wo er die Leute beim Kartoffelnhacken und Neube-
stellen des Ackers inspizirt hatte. Indem er in den Schloß-
hof einsprengte, kam eine alte vermummte Frau aus
dem Portale heraus, in der Schürze die reichlich em-
pfangenen Gaben bergend. Sein Reitpferd, ein junges
Vollblutthier, scheute sich und bäumte, so daß der Reiter
in die Gefahr kam, herabzustürzen.