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A. Schiff
Niveaudifferenz erleichtert hat. An einer durch die Felsformation geeigneten Stelle, an der das
Luri eine Biegung machte, wurde durch Niederlegen des die Biegung ausmachenden Mauer-
stückes eine Lücke von etwa 21/.im Breite geschaffen. An den einen, mehr nach außen (Norden)
gelegenen Endpunkt wurde als Abschluß und Widerlager des Mauerendes ein mächtiger Fels-
klotz hingelegt. An den anderen, mehr nach innen (Süden) gelegenen Endpunkt wurde die
Mauer durch Anfügen zweier großer bearbeiteter Steine hakenförmig eingebogen: man erkennt
hier deutlich, daß das nachträglich gemacht ist, weil der eine Stein hineingeschoben ist, und die
alte Mauerlinie oben darüber noch ein Stückchen fortläuft. Dann wurde das äußere (nördliche)
Mauerende über den Fels hinaus geradlinig und ziemlich parallel zur oberen Mauer in der
Richtung nach dem Manolis-Brunnen zu verlängert. Dieses 10m lange Mauerstück muß, da
seine Krone ein Gefälle hat — im oberen Teil liegen drei Steinreihen, ganz unten nur eine —,
die äußere Stützmauer einer sacht abwärts führenden 2l/2—3™ breiten Rampe gewesen sein.
Das Schema solcher durch Vorziehen eines Mauerendes gebildeten Oeffnung und Anrampung
ist echt griechisch: es findet sich schon in Tiryns. Oben hatte die Rampe eine Sperrvorrichtung
oder sogar einen thorartigen Abschluß. Genau gegenüber den beiden erwähnten bearbeiteten
Steinen, die an das innere (südliche) Mauerende angefügt sind, ist nämlich auch an die Innen-
seite der Rampenmauer ein bearbeiteter Stein angefügt. Die lichte Breite zwischen den
Steinen beträgt 1.80m. Daß sie irgend einer Vorrichtung, die ein Schließen des Zuganges
bezweckte, als Stützpunkte gedient haben, ist klar; Genaueres läßt sich aber darüber nicht
feststellen. Man könnte an hölzerne Pfosten, die eine Kette trugen, denken. Die Rampe
selbst war durch große absatzartige Stufen besonders bequem begehbar gemacht. An zwei
Stellen sind nämlich kleine, einander parallele Mauerreste erhalten, die im spitzen Winkel
an die beiden seitlichen Mauern ansetzen, also schräg zur Richtung der Rampe laufen.
Sie haben vermutlich eine Erdanschüttung gehalten. So konnte man also von der oben
laufenden „Kommunikation" aus gerade auf die Quelle zuschreiten. Da für die Niveaudifferenz
von 2.1 m eine Strecke von 17™ zur Verfügung stand, betrug das Gefälle dieses jüngeren
Zuganges 12 Proz. Die einfache, aber überlegte Sorgfalt, die aus dieser Anlage spricht,
macht es wahrscheinlich, daß auch der jüngere Zugang noch in die gute alte Zeit Theras
zu setzen ist.
Es lassen sich demnach für Luri und Manolis-Brunnen drei Entwickelungsphasen
unterscheiden:
1) Der alte Brunnen mit muldenförmigem Schöpfbassin.
2) Das Luri wird gebaut und dadurch eine Erweiterung der Brunnenanlage durch
Hinzufügung eines quadratischen Bassins veranlaßt. Der „ältere Zugang" (Mauer-
lücke).
3) Verlegung des Zuganges. Der „jüngere Zugang" (Rampe).
Die Feststellung dieser Entwickelungsphasen ermöglicht im Zusammenhang mit
den besprochenen Felsinschriften eine annähernde Datierung des Luri. Die Felsinschrift
u4lyl<xTa (I. G. XII 3, 412), die die Existenz des Luri voraussetzt, gehört in das VI. oder
den Anfang des V. Jahrhunderts. Die Felsinschrift am Manolis-Brunnen (I. G. XII 3, 555)
ist wegen der Stelle des Felsens, an der sie angebracht ist, wahrscheinlich älter als der
„ältere Zugang", d. h. sie wurde in einer Zeit geschrieben, als das Luri noch nicht da
war. Da sie in das VII. oder den Anfang des VI. Jahrhunderts gehört, folgt daraus, daß
das Luri im VI. Jahrhundert entstanden ist. Seine Bauart stimmt zu diesem Zeitansatz vor-
trefflich.
Die Erkenntnis, daß das Luri eine in archaischer Zeit gebaute „militärische Kommuni-
kation" ist, legt einige nicht unwesentliche Schlußfolgerungen betreffs der allgemeinen Stadt-
A. Schiff
Niveaudifferenz erleichtert hat. An einer durch die Felsformation geeigneten Stelle, an der das
Luri eine Biegung machte, wurde durch Niederlegen des die Biegung ausmachenden Mauer-
stückes eine Lücke von etwa 21/.im Breite geschaffen. An den einen, mehr nach außen (Norden)
gelegenen Endpunkt wurde als Abschluß und Widerlager des Mauerendes ein mächtiger Fels-
klotz hingelegt. An den anderen, mehr nach innen (Süden) gelegenen Endpunkt wurde die
Mauer durch Anfügen zweier großer bearbeiteter Steine hakenförmig eingebogen: man erkennt
hier deutlich, daß das nachträglich gemacht ist, weil der eine Stein hineingeschoben ist, und die
alte Mauerlinie oben darüber noch ein Stückchen fortläuft. Dann wurde das äußere (nördliche)
Mauerende über den Fels hinaus geradlinig und ziemlich parallel zur oberen Mauer in der
Richtung nach dem Manolis-Brunnen zu verlängert. Dieses 10m lange Mauerstück muß, da
seine Krone ein Gefälle hat — im oberen Teil liegen drei Steinreihen, ganz unten nur eine —,
die äußere Stützmauer einer sacht abwärts führenden 2l/2—3™ breiten Rampe gewesen sein.
Das Schema solcher durch Vorziehen eines Mauerendes gebildeten Oeffnung und Anrampung
ist echt griechisch: es findet sich schon in Tiryns. Oben hatte die Rampe eine Sperrvorrichtung
oder sogar einen thorartigen Abschluß. Genau gegenüber den beiden erwähnten bearbeiteten
Steinen, die an das innere (südliche) Mauerende angefügt sind, ist nämlich auch an die Innen-
seite der Rampenmauer ein bearbeiteter Stein angefügt. Die lichte Breite zwischen den
Steinen beträgt 1.80m. Daß sie irgend einer Vorrichtung, die ein Schließen des Zuganges
bezweckte, als Stützpunkte gedient haben, ist klar; Genaueres läßt sich aber darüber nicht
feststellen. Man könnte an hölzerne Pfosten, die eine Kette trugen, denken. Die Rampe
selbst war durch große absatzartige Stufen besonders bequem begehbar gemacht. An zwei
Stellen sind nämlich kleine, einander parallele Mauerreste erhalten, die im spitzen Winkel
an die beiden seitlichen Mauern ansetzen, also schräg zur Richtung der Rampe laufen.
Sie haben vermutlich eine Erdanschüttung gehalten. So konnte man also von der oben
laufenden „Kommunikation" aus gerade auf die Quelle zuschreiten. Da für die Niveaudifferenz
von 2.1 m eine Strecke von 17™ zur Verfügung stand, betrug das Gefälle dieses jüngeren
Zuganges 12 Proz. Die einfache, aber überlegte Sorgfalt, die aus dieser Anlage spricht,
macht es wahrscheinlich, daß auch der jüngere Zugang noch in die gute alte Zeit Theras
zu setzen ist.
Es lassen sich demnach für Luri und Manolis-Brunnen drei Entwickelungsphasen
unterscheiden:
1) Der alte Brunnen mit muldenförmigem Schöpfbassin.
2) Das Luri wird gebaut und dadurch eine Erweiterung der Brunnenanlage durch
Hinzufügung eines quadratischen Bassins veranlaßt. Der „ältere Zugang" (Mauer-
lücke).
3) Verlegung des Zuganges. Der „jüngere Zugang" (Rampe).
Die Feststellung dieser Entwickelungsphasen ermöglicht im Zusammenhang mit
den besprochenen Felsinschriften eine annähernde Datierung des Luri. Die Felsinschrift
u4lyl<xTa (I. G. XII 3, 412), die die Existenz des Luri voraussetzt, gehört in das VI. oder
den Anfang des V. Jahrhunderts. Die Felsinschrift am Manolis-Brunnen (I. G. XII 3, 555)
ist wegen der Stelle des Felsens, an der sie angebracht ist, wahrscheinlich älter als der
„ältere Zugang", d. h. sie wurde in einer Zeit geschrieben, als das Luri noch nicht da
war. Da sie in das VII. oder den Anfang des VI. Jahrhunderts gehört, folgt daraus, daß
das Luri im VI. Jahrhundert entstanden ist. Seine Bauart stimmt zu diesem Zeitansatz vor-
trefflich.
Die Erkenntnis, daß das Luri eine in archaischer Zeit gebaute „militärische Kommuni-
kation" ist, legt einige nicht unwesentliche Schlußfolgerungen betreffs der allgemeinen Stadt-