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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0109
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- 87 -

aus. Drittens mnfs aber doch die Steinart nicht zu spröde seyn, weil es in zu harten Massen
unmöglich ist, die zäriern Theile der Blätter und anderer Zierden gehörig zu bearbeiten.

Daher sehen wir in den Denkmalern, dafs alle Säulenschäfte von Breccien, Alabaster,
Schiefermarmor und andern dunkelfarbigen Marmorarten, ferner, die von Granit und Por-
phyr, immer Kapitale von weifsem Marmor haben. Kurz alle bekannten Kapitale ionischer
und korinthischer Ordnung sind entweder von weifsem Marmor, oder einer andern hinrei-
chend festen Kalksteinart, wie der Travertino ist, gemacht, den die Alten, so wie jetzt die
heutigen Römer, sehr häufig gebrauchten. Da aber dieser Stein etwas porös ist, und sich
deswegen das feine Schnitzwerk darin nicht gut arbeiten läfst, so sehen wir noch Monumen-
te, wie der Tempel der Fortuna Virilis in Rom ist, wo die Zierden des Kapitals, so wie
auch die des Gebalkes, nur aus dem Groben gehauen und dann das Uebrige in feinem Mar-
morstucco vollendet ward. Ein solches Verfahren würde auch bey andern nicht sehr festen
Steinarten, wie bey manchen Sand- und Tufsteinen, den Architekten unserer Tage in ähnli-
chen Fallen sehr zu empfehlen seyn.

Zehnter Abschnitt.

Von dem Gebälk e.

den

de»

§. i. Unter dem Gebälke verstehen wir diejenigen Bautheile, welche theils die Säulen
unter einander verbinden, theils das Deckenwerk und die Traufe bilden. Die drey Haupt-
theile des Gebalkes sind demnach der Hauptbalken, der Fries und das Kranzgesimse.

Die Lehre von dem Gebälke erheischt eine sehr sorgfällige Behandlung theils wegen
der verschiedenen Zweckbestimmung seiner Haupttheile, wovon jeder wieder aus mehrern
kleinern Theilen und Gliedern besteht, theils wegen der mancherley Abweichungen in dem
Verhältnifsmaafs, und in den Verzierungstheiien nach der Verschiedenheit der Bauarten und
des Materials.

- Wir haben in den drey vorhergehenden Abschnitten gesehen, wie durch eine allmählige
Verfeinerung verschiedene Arten von Säulen, Basen und Kapitalen entstanden. Hiernach
bildeten sich die Bauordnungen mit eigenthümlichen Benennungen. Um diese aber in einem
charakteristischen Ganzen darzustellen, theilte die Kunst jeder Saulenart auch ihr eigenthüm-
liches Gebälke zu. Und in Wahrheit, in keinem Theile zeiget sich der architektonische
Geist der Griechen in einer schönern Besonnenheit, wie in dem Anordnen der verschiede-
nen Gebälkarten. Ein einfacher Gang, der den Zweck nie aus den Augen verliert, ein Stre-
ben nach Vervollkommnung, ein Sondern des ungleichartigen, und ein Zusammenrücken
dessen, was sich zu einem charakteristischen Ganzen schicket, ist unverkennbar, und bewei-
set den ausdauernden Scharfsinn dieses für jede Art von Schönheit empfänglichen Volkes.
Erst wenn die eigenthümlichen Gebälkarten die Säulen krönen, wird es recht fühlbar, wie
aus der schmucklosen Dürftigkeit der frühem Bauart, die wir noch unter dem Namen der
aligriechischen oder toskanischen kennen, sich allmählig der männliche Charakter der dori-
schen Bauart entwickelte, wie hierauf die ionische Anmuth folgte, und endlich wieder aus
dieser die korinthische Pracht, selbst mit einer Art von Ueppigkeit, hervorgieng.

In dem sechsten Abschnitte haben wir vorläufig von der Entstehung, und dem natürli-
chen Mechanismus der verschiedenen Gebälkarten gesprochen und bemerkt, wie die Griechen,
von der Zimmerkunst ausgehend, sich auch in dem hinzutretenden Steinbau immer nach den
Werken des Zimmermannes richteten, und die Architekten sich in ihren Bauen in Stein
nichts erlaubten, wovon sie in dem Holzbaue nicht ein Vorbild nachweisen konnten. Hier

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