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Die Kunst im Zeitalter des reinen Jägerthums.
Umrisszeichnungen in der Regel als selbstständige Bildwerke auftreten, muss
eine gewisse freie Uebung des bildnerischen Talentes vorangegangen sein, ehe
man den Schritt unternahm, Gebrauchsgegenstände durch Umrisszeichnungen
zu schmücken. Die Decoration der Waffen und Geräthe bildet also, hier
wenigstens, nicht den Ausgangspunkt bildkünstlerischer Thätigkeit.
Auch unter den selbstständig auftretenden Elementen geometrischer Deco-
ration erscheinen am häufigsten: 1. Reihen schräger kurzer Parallelstriche,
zuweilen netzförmig gekreuzt, 2. Zickzacklinien, 3. Winkelbänder (««««<<«««««).
Diese drei Elemente können nach den angeführten Beispielen aus der stilisirten
Nachahmung von Thierhaaren hervorgegangen sein. Reihen schräger kurzer
Parallelstriche sind das einfachste Mittel, durch welches man Behaarung wieder-
zugeben versuchen mochte. Auch plastische und gezeichnete Menschenfiguren
tragen am Leibe solche Strichreihen und sind danach für behaart gehalten
worden, so die „Venus von Brassempouy“ und die bekannte „femme au renne“.
Aus solchen schrägen Strichreihen mochte bei flüchtiger Darstellung der
langen schlichten Haare leicht die Zickzacklinie entstehen, indem man von dem
Ende der einen Linie ohne das Instrument abzusetzen zum Anfänge der anderen
hinauffuhr. Allerdings ist dabei nicht an Gravirung in hartem Material, sondern
an Malerei oder Zeichnung, etwa mit Kohle auf einer weissgrundirten Holz-
fläche zu denken. Wir haben aber gar keine Ursache, die Schnitzerei in Bein
u. s. w. für die einzige Technik zu halten, in welcher zu jener Zeit gearbeitet
worden sei. Das Winkelband konnte entstehen, wenn zwei Reihen gegensinniger
Stricheln derart verbunden wurden, dass zugleich mit jedem Strich der einen
Reihe der entsprechende der zweiten Reihe ausgeführt wurde. Endlich kommen,
nicht ganz selten, auch gekreuzte Strichlagen, ein einfaches Netzmuster, vor.
Proben dieser vier Elemente geometrischer Decoration s. namentlich in Girod
und Massenat, Stations de l’äge du renne (passim).
Schräge Lagen kurzer Striche bilden häufig die Randeinfassung geschnitzter
Geweih- oder Knochenstücke.x) Darin liegt eine Analogie zu der Manier, mit
welcher die Behaarung der Thierfiguren an Bauch und Rücken durch eben-
solche Einfassungen dargestellt ist. Häufig finden sich auch Reihen kleiner
rautenförmiger Felder, welche erhaben zwischen zwei tief eingeschnittenen Kerb-
linien (oder ohne solche) ausgespart sind. So erscheint das gewöhnliche Strich-
band plastisch ausgeführt auf langen Stichwaffen aus den Hauptästen von Ren-
thiergeweihen, welche zuweilen an der verdickten Basisstelle der ersten Seiten-
sprosse (zum Anhängen?) durchbohrt sind.* 2) In Betreff dieses „Rautenbandes“
hat Fraas anlässlich des Vorkommens in der Thayingerhöhle3) die merkwürdige
b Vgl. z. B. Bel. Aqu. B. XIII 13. XV—XVI 1. Girod u. Massenat IX 1. 3. 8—10. X 1—4.
8. XVIII 3 (mit Zickzacklinie). XXVII 5. XXX 6. XXXVIII 1—6. Mitth. Antiqu. Ges. Zürich XIX
1, Taf. III, Fig. 17 (Thayingen); Much, Atlas, Taf. III, Fig. 35. 36 (Maszicka bei Krakau).
2) Vgl. z. B. Rel. Aqu. III—IV 3. XVIII 1. 4 (beide Male in Verbindung mit vertieften
Zickzacklinien). XXI 2. XXIII 7—11 (in 11 wechseln erhabene mit vertieften Stricheln), Girod
u. Massenat VIII 10 (mit vertiefter Zickzacklinie). XVIII 1 (ebenso). 5. XIX 1 (mit Zickzack).
XX 1—4. XXXIV 5. XLI 1.
3) Mitth. d. Anth. Ges. Zürich XIX 1, Taf. IV, Fig. 29.
Die Kunst im Zeitalter des reinen Jägerthums.
Umrisszeichnungen in der Regel als selbstständige Bildwerke auftreten, muss
eine gewisse freie Uebung des bildnerischen Talentes vorangegangen sein, ehe
man den Schritt unternahm, Gebrauchsgegenstände durch Umrisszeichnungen
zu schmücken. Die Decoration der Waffen und Geräthe bildet also, hier
wenigstens, nicht den Ausgangspunkt bildkünstlerischer Thätigkeit.
Auch unter den selbstständig auftretenden Elementen geometrischer Deco-
ration erscheinen am häufigsten: 1. Reihen schräger kurzer Parallelstriche,
zuweilen netzförmig gekreuzt, 2. Zickzacklinien, 3. Winkelbänder (««««<<«««««).
Diese drei Elemente können nach den angeführten Beispielen aus der stilisirten
Nachahmung von Thierhaaren hervorgegangen sein. Reihen schräger kurzer
Parallelstriche sind das einfachste Mittel, durch welches man Behaarung wieder-
zugeben versuchen mochte. Auch plastische und gezeichnete Menschenfiguren
tragen am Leibe solche Strichreihen und sind danach für behaart gehalten
worden, so die „Venus von Brassempouy“ und die bekannte „femme au renne“.
Aus solchen schrägen Strichreihen mochte bei flüchtiger Darstellung der
langen schlichten Haare leicht die Zickzacklinie entstehen, indem man von dem
Ende der einen Linie ohne das Instrument abzusetzen zum Anfänge der anderen
hinauffuhr. Allerdings ist dabei nicht an Gravirung in hartem Material, sondern
an Malerei oder Zeichnung, etwa mit Kohle auf einer weissgrundirten Holz-
fläche zu denken. Wir haben aber gar keine Ursache, die Schnitzerei in Bein
u. s. w. für die einzige Technik zu halten, in welcher zu jener Zeit gearbeitet
worden sei. Das Winkelband konnte entstehen, wenn zwei Reihen gegensinniger
Stricheln derart verbunden wurden, dass zugleich mit jedem Strich der einen
Reihe der entsprechende der zweiten Reihe ausgeführt wurde. Endlich kommen,
nicht ganz selten, auch gekreuzte Strichlagen, ein einfaches Netzmuster, vor.
Proben dieser vier Elemente geometrischer Decoration s. namentlich in Girod
und Massenat, Stations de l’äge du renne (passim).
Schräge Lagen kurzer Striche bilden häufig die Randeinfassung geschnitzter
Geweih- oder Knochenstücke.x) Darin liegt eine Analogie zu der Manier, mit
welcher die Behaarung der Thierfiguren an Bauch und Rücken durch eben-
solche Einfassungen dargestellt ist. Häufig finden sich auch Reihen kleiner
rautenförmiger Felder, welche erhaben zwischen zwei tief eingeschnittenen Kerb-
linien (oder ohne solche) ausgespart sind. So erscheint das gewöhnliche Strich-
band plastisch ausgeführt auf langen Stichwaffen aus den Hauptästen von Ren-
thiergeweihen, welche zuweilen an der verdickten Basisstelle der ersten Seiten-
sprosse (zum Anhängen?) durchbohrt sind.* 2) In Betreff dieses „Rautenbandes“
hat Fraas anlässlich des Vorkommens in der Thayingerhöhle3) die merkwürdige
b Vgl. z. B. Bel. Aqu. B. XIII 13. XV—XVI 1. Girod u. Massenat IX 1. 3. 8—10. X 1—4.
8. XVIII 3 (mit Zickzacklinie). XXVII 5. XXX 6. XXXVIII 1—6. Mitth. Antiqu. Ges. Zürich XIX
1, Taf. III, Fig. 17 (Thayingen); Much, Atlas, Taf. III, Fig. 35. 36 (Maszicka bei Krakau).
2) Vgl. z. B. Rel. Aqu. III—IV 3. XVIII 1. 4 (beide Male in Verbindung mit vertieften
Zickzacklinien). XXI 2. XXIII 7—11 (in 11 wechseln erhabene mit vertieften Stricheln), Girod
u. Massenat VIII 10 (mit vertiefter Zickzacklinie). XVIII 1 (ebenso). 5. XIX 1 (mit Zickzack).
XX 1—4. XXXIV 5. XLI 1.
3) Mitth. d. Anth. Ges. Zürich XIX 1, Taf. IV, Fig. 29.