Roms zu untersuchen ist. Das Ziel ist dabei die Bestimmung eines Kanons der für
Maria-Schnee-Darstellungen verbindlichen Eigenschaften, an dem dann in einem
späteren Schritt die verschiedenen Rekonstruktionsvorschläge für das Aschaffen-
burger Retabel und besonders die Eignung der Stuppacher Madonna als Mittel-
bild auf ihre Stimmigkeit hin überprüft werden können.
Wir stützen unsere Untersuchung4 dabei auf einen Katalog von etwas über
dreihundert heute unter dem Titel der Maria Schnee bekannter Darstellungen
vom 13. bis zum 20. Jahrhundert; sämtliche Kunstgattungen sind darin vertreten:
Miniaturen, Altar- und Wandbilder sowie Skulpturen. Eine abschließende Schilde-
rung der Geschichte der Maria-Schnee-Verehrung während dieses gesamten Zeit-
raums ist jedoch nicht beabsichtigt und im Rahmen dieser Arbeit auch nicht zu
leisten, da die Entwicklung innerhalb der einzelnen Bereiche zu unterschiedlich
verlief. Wir konzentrieren unsere Untersuchung deshalb auf die Entstehung und
Entwicklung der Bildtradition der für Heinrich Reitzmann verbindlichen Maria-
Schnee-Thematik um die wunderbare Gründung der Kirche Santa Maria Maggi-
ore in Rom sowie auf Beispiele und Tendenzen an den Orten, die ihm als Rezipi-
enten während seines Italienaufenthaltes zugänglich waren. Diese ursprüngliche
Tradition muß jedoch vorab klar gegen das erweiterte und in seinen Erscheinungs-
formen sehr heterogene Maria-Schnee-Bild abgegrenzt werden, das sich erst im
Zuge der Gegenreformation herausgebildet hat, an vielen Orten noch gilt und un-
sere heutige Vorstellung entscheidend prägt.
Die herkömmlich mit dem Maria-Schnee-Titel verbundenen Konnotationen be-
gannen sich zu verändern, als im Jahre 1569 der Jesuiten-General Kardinal Franz
Borgia die päpstliche Erlaubnis erhielt, Kopien der als wundertätig geltenden und
der Legende nach von dem Evangelisten Lukas gemalten Marienikone aus Santa
Maria Maggiore anzufertigen.5 Diese Ikone hatte Reliquiencharakter und war ne-
ben der Krippe des Herrn eines der Hauptheiligtümer der Kirche.6 [Abb. 48] Die
Jesuiten sollten die Kopien der Ikone ursprünglich nur für ihre Missionstätigkeit
in Übersee einsetzen, jedoch eignete sie sich offensichtlich auch als populäres Pro-
pagandamittel für die Rekatholisierung in Deutschland. Bereits 1570 kam eines
dieser Bilder nach Ingolstadt und wurde hier als ebenfalls wundertätige mater ter
admirabilis - dreimal wunderbare Mutter - verehrt7 [Abb. 49] und dadurch für
4 Der Maria-Schnee-Thematik wurde in den ikonographischen Lexika bisher kaum Be-
achtung geschenkt; vgl. C. Cecchelli 1954, S. 374; Reau-11.2, S. 631-632; und LCI 4, Sp.
596-597. Beissel behandelt sie nur sehr flüchtig im Zusammenhang mit der Lukasikone
in Santa Maria Maggiore, bei Delius fehlt sie ganz; vgl. Beissel 1909, S. 72-75; und De-
lius 1963. Grundlage für unsere Untersuchung sind deshalb die Aufsätze von Pelaez
1953 und von van Os 1968, die beide auch allgemeines und über ihr engeres Studienge-
biet hinausweisendes Material zur Geschichte der Maria-Schnee-Verehrung nennen.
5 Vgl. Batz 1991, S. 226-227.
6 Zur sog. Lukasikone vgl. Andaloro 1988, S. 124-127; und G. Wolf 1990, S. 102-103.
7 Die Ikonenkopie befindet sich heute in einer Seitenkapelle des Liebfrauenmünsters in
Ingolstadt. Der Titel des Bildes geht auf eine Vision des Jesuiten Jakob Rem zurück, die
ihn veranlaßte, beim Absingen der Lauretanischen Litanei die Anrufung mater admira-
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Maria-Schnee-Darstellungen verbindlichen Eigenschaften, an dem dann in einem
späteren Schritt die verschiedenen Rekonstruktionsvorschläge für das Aschaffen-
burger Retabel und besonders die Eignung der Stuppacher Madonna als Mittel-
bild auf ihre Stimmigkeit hin überprüft werden können.
Wir stützen unsere Untersuchung4 dabei auf einen Katalog von etwas über
dreihundert heute unter dem Titel der Maria Schnee bekannter Darstellungen
vom 13. bis zum 20. Jahrhundert; sämtliche Kunstgattungen sind darin vertreten:
Miniaturen, Altar- und Wandbilder sowie Skulpturen. Eine abschließende Schilde-
rung der Geschichte der Maria-Schnee-Verehrung während dieses gesamten Zeit-
raums ist jedoch nicht beabsichtigt und im Rahmen dieser Arbeit auch nicht zu
leisten, da die Entwicklung innerhalb der einzelnen Bereiche zu unterschiedlich
verlief. Wir konzentrieren unsere Untersuchung deshalb auf die Entstehung und
Entwicklung der Bildtradition der für Heinrich Reitzmann verbindlichen Maria-
Schnee-Thematik um die wunderbare Gründung der Kirche Santa Maria Maggi-
ore in Rom sowie auf Beispiele und Tendenzen an den Orten, die ihm als Rezipi-
enten während seines Italienaufenthaltes zugänglich waren. Diese ursprüngliche
Tradition muß jedoch vorab klar gegen das erweiterte und in seinen Erscheinungs-
formen sehr heterogene Maria-Schnee-Bild abgegrenzt werden, das sich erst im
Zuge der Gegenreformation herausgebildet hat, an vielen Orten noch gilt und un-
sere heutige Vorstellung entscheidend prägt.
Die herkömmlich mit dem Maria-Schnee-Titel verbundenen Konnotationen be-
gannen sich zu verändern, als im Jahre 1569 der Jesuiten-General Kardinal Franz
Borgia die päpstliche Erlaubnis erhielt, Kopien der als wundertätig geltenden und
der Legende nach von dem Evangelisten Lukas gemalten Marienikone aus Santa
Maria Maggiore anzufertigen.5 Diese Ikone hatte Reliquiencharakter und war ne-
ben der Krippe des Herrn eines der Hauptheiligtümer der Kirche.6 [Abb. 48] Die
Jesuiten sollten die Kopien der Ikone ursprünglich nur für ihre Missionstätigkeit
in Übersee einsetzen, jedoch eignete sie sich offensichtlich auch als populäres Pro-
pagandamittel für die Rekatholisierung in Deutschland. Bereits 1570 kam eines
dieser Bilder nach Ingolstadt und wurde hier als ebenfalls wundertätige mater ter
admirabilis - dreimal wunderbare Mutter - verehrt7 [Abb. 49] und dadurch für
4 Der Maria-Schnee-Thematik wurde in den ikonographischen Lexika bisher kaum Be-
achtung geschenkt; vgl. C. Cecchelli 1954, S. 374; Reau-11.2, S. 631-632; und LCI 4, Sp.
596-597. Beissel behandelt sie nur sehr flüchtig im Zusammenhang mit der Lukasikone
in Santa Maria Maggiore, bei Delius fehlt sie ganz; vgl. Beissel 1909, S. 72-75; und De-
lius 1963. Grundlage für unsere Untersuchung sind deshalb die Aufsätze von Pelaez
1953 und von van Os 1968, die beide auch allgemeines und über ihr engeres Studienge-
biet hinausweisendes Material zur Geschichte der Maria-Schnee-Verehrung nennen.
5 Vgl. Batz 1991, S. 226-227.
6 Zur sog. Lukasikone vgl. Andaloro 1988, S. 124-127; und G. Wolf 1990, S. 102-103.
7 Die Ikonenkopie befindet sich heute in einer Seitenkapelle des Liebfrauenmünsters in
Ingolstadt. Der Titel des Bildes geht auf eine Vision des Jesuiten Jakob Rem zurück, die
ihn veranlaßte, beim Absingen der Lauretanischen Litanei die Anrufung mater admira-
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