Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hupp, Otto
Scheltbriefe und Schandbilder: ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 16. Jahrhundert — Schleißheim: Selbstverl. des Verf., 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65844#0018

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
8
bertte zu Kuegell und Otto Schacken, Henrich Schocken seligens Sohne zu
Wendewisch, alle Erbgesessen, bezeugen aus Anthony 1578, daß sie dem eDlen
und ehrenfesten Eckhert von Parckhentin zu Camptze gesessen, dreitausend
guter, vollwichtiger und unverbotener Taler schuldig seien, herrührend aus
einem für den Herzog Franz den älteren getanen 'Gelübde und Bürgschaft.
Sie hätten sich dem von Parkentin gegenüber zur Rückzahlung der Summe
und Zinsen auf Dreikönigstag verpflichtet gehabt. Aber einige von ihnen
hätten trotz aller Mühe ihren Anteil nicht aufbringen können. Auf ihr freund-
liches Ersuchen habe Parkentin nun ein weiteres Fahr bewilligt. Sie ge-
loben jetzt von neuem pünktlich zu zahlen. „Würde es sich aber zutragen, daß
die volle Zahlung doch nicht rechtzeitig erfolge", dann gäben sie dem v. Par-
kentin und seine Erben Macht und Gewalt vnß sambt und sonders oder unsere
krben mit schmähen, öemeldte an Pranger oder Kirchtüren und wo es ihnen sonsten
geliebet, anjuschlagen, oder bep allen ehrenliebenden zu höhnen, schmehen und ver-
unglimpfen, wie solche, die ihr Siegel vnd Zusage nicht acht und wohl verdienet haben,
darahn vorbemeldter klkhert von perrkentin oder seine Erben ahn (von) uns oder onsern
krben in keinem Wege gefrevelt noch mitzhandelnt, vilweniger in einige pöen des Kechtens
verfallen, fonder vielmehr woll darru befuegt sein sollen. Auch sein Geld bleibe ihm
trotzdem sicher. (Ulrich Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, 1768, 77. Teil.)
Weitere Beispiele bringen die nachstehend abgedruckten Urkunden.
Der Rechtslehrer Johann v. Quistorp spricht in seinen Beitr. z. Erläut.
versch. Rechts-Materien, Rostock 1787, sogar von Schuldurkunden, in denen
der Schuldner verspricht, wenn er bis zum bestimmten Tage nicht zahle, dann
solle der Gläubiger die Befugnis haben: in den zu diesem Zweck in der Ur-
kunde selbst leer gelassenen Raum zum Schimpf und Nachteil des Schuldners
zu malen und zu schreiben, was ihm belieben würde.
Vie schsndbilder.
Um die Schandgemälde recht zu würdigen, ist zweierlei, ein Allgemeines
und ein Besonderes nötig. Zunächst muß man sich stets die Zeit vergegen-
wärtigen, in der sie entstanden sind. Es war die Zeit in der Sta.Fustitia den
Unglücklichen aus dem furchtbaren Düster der Fragstatt auf den Hellen Markt
schleppte, um, gemäß den Satzungen der Religion der Nächstenliebe, alles
Volk mit dem Schauspiel der Hinrichtung des Gefolterten zu ergötzen. Da-
her der grausame Grundton dieser Bilder. Der sich geprellt fühlende Gläu-
biger hat die Ueberzeugung, dem wortbrüchigen Schuldner gebühre jede

Schmach, Pranger und Staupenschlag, Scheiterhaufen, Galgen und Rad. Da-
her die Darstellung des Schuldners als Filler (Schinder), als Büttel und als
Gestäupten, daher die vielen Bilder der an Hals oder an den Füßen Ge-
henkten. der Geräderten, aufs Rad Geflochtenen, der Gepfählten, der Gevier-
teilten und Geschundenen, fast stets mit hinzugefügtem Galgenvogel; aber fast
niemals begegnet das Bild eines ehrlich mit dem Schwerte Gerichteten. Und
doch sind mit verschwindenden Ausnahmen alle Schmähbilder von Adeligen
gegen Adelige gerichtet, für die in dieser Zeit eine andere Hinrichtungsart als
die durchs Schwert kaum vorkam.
Fm besonderen aber muß man wissen, daß in jener Zeit nicht, wie
doch heute, die Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit, Käufe und Verträge, durch
eigenhändige Unterschrift bekräftigt wurden, sondern daß dies durch das An-
hängen oder Ausdrücken des Siegels geschah. Erst das Siegel machte den
Schuldbrief rechtskräftig. Das Siegel pflegte damals das Wappen des Ur-
kundenden zu tragen; das Wappen aber war der bildliche Ausdruck der Per-
sönlichkeit selbst. Daher die uns fast unverständlich gewordene tzochhaltung
des Siegels. Daher erscheint auf fast jedem dieser Bilder der Schuldner mit
seinem Siegelring oder Siegelstock (Ingesiegel) in der Hand, oder es wird
der Siegelstempel neben dem Schuldner an den Galgen gehangen. Um das
in seine Fläche eingegrabene Wappen deutlich zu machen, wird dieses zu-
weilen unverhältnismäßig vergrößert. Daher in allen diesen Urkunden die
Beschuldigung: der Ungetreue habe seine durch Brief und Siegel bekräf-
tigte Zusage gebrochen, er sei damit siegelbrüchig, siegellos und ehrlos ge-
worden. Daher endlich spielen fast alle Bilder auf den Wunsch des Gläu-
bigers an, es wäre ihm lieber: der Schuldner habe sein Siegel einer Sau,
Mähre, Eselin oder Hündin unter den Schwanz, als unter seine Schuld-
verschreibung gedrückt. Weibliche Tiere wurden gewählt, um den Schimpf
ehrenrühriger zu machen. Aus diesem Grunde wird dem Siegelstempel zu-
weilen auch die Form des männlichen Gliedes gegeben und der Schuldner ver-
einzelt sogar in sodomitischer Vermischung mit einem Tier dargestellt. Sinn-
liche Gedanken kommen dabei gar nicht in Betracht; das sieht man deutlich
auf dem Bilde, wo an Stelle des Tieres eine Dirne getreten ist. Ohne eine
Spur von Lüsternheit wird auch ihr das Siegel ganz sachlich an den bräuch-
lichen Ort gedrückt. Statt des Siegelwachses gab man den Bürgen zuweilen
so ein „reinlich Häuflein" in die Hand, wie Goethe es vön Nicolai auf Wer-
thers Grab setzen ließ. Es wurde eben alles aufgeboten, das Bild des
Schuldners so abscheulich wie nur möglich zu machen, um ihn damit zu
zwingen, durch Befriedigung des Gläubigers die Verbreitung des Schand-
gemäldes zu verhindern.
 
Annotationen