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Hupp, Otto
Scheltbriefe und Schandbilder: ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 16. Jahrhundert — Schleißheim: Selbstverl. des Verf., 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.65844#0014

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Durch die zur Gewohnheit gewordenen Gastereien der Geiselschaft,
bei denen der Wirt auch mit der Kreide nicht zu sparen pflegte, erwuchsen
dem Schuldner immer neue Verstrickungen, während doch der Gläubiger sich
daran nicht erholen konnte. Schon auf dem Augsburger Reichstage von 1548
war daher eine Neuordnung dieses gemeinschädlichen Verfahrens angeregt
worden Aber erst die Reichspolizeiordnung von 1577 verbot den zur Unsitte
ausgearteten alten Brauch völlig:
Vienm! aber seithero vielmal erfahren, dass solche Leistung zu viel mißbraucht und
die bürgen sowohl als die Hauptschuldiger dardurch ins äußerst verderben gesetzt, und also
auch den gläubigem selbst, da inen damit nit gehalsten noch bejahst werden kan, zu nach-
teil reichen thut, 5o wällen wir hiemit die laistung in kiinsstigen schult- oder giiltoer-
schreibungen gentzlich »erbosten haben. Würde die nunmehr in iure publica verbotene
Leistung hinfürder doch in die Verschreibung gesetzt, so sei sie nichtig, kein Bürg noch
Schuldner brauche sie innejuhalten, noch sei er den wihrten, da aufs ine mit der that
geleistet würde, etwas zu bezahlen verbunden.
Spuren des seltsamen Rechtsbehelfs hielten sich trotzdem in einzelnen
Landstrichen noch lange.
Noch in der „Assecuration der Herzoge Adolf Friedrich und Hans
Albrecht zu Meklenburg für dero Ritter- und Landschaft, ihrer Privilegien
und Freyheiten halber d. d. Gustrau 23. Februar 1621" wird verordnet:
Vaserne auch der Bürgen einer oder mehr auf beschehenes Ermahnen nicht einreiten
würde, so soll derselbe dem Principal gleich geachtet und mit ihm vorgesetzter massen procediert
werden, und da der eine oder andere obgesatzter Ordnung zuwider sich auf flüchtigen fuß
setzen und seine aufgesatze Bürgen nit benehmen, oder auch seiner Ereditorum suga defrau-
diren würde, so soll der oder dieselbe von Helm und Schild, Ehr und stedlichkeit öffentlich
vertheilet und des Landes verfestet werden. Hier, wie in anderen Schuldbriefen des
16. Ihdts. ist unter „Principal" stets der Hauptgläubiger zu verstehen.
In Schleswig-Holstein wurde das Obstagium noch in die revidierte
Landgerichtsordnung von 1626 ausgenommen, freilich mit der Beschränkung,
daß es nicht zwischen Eheleuten stattfinde und daß keine Schmausereien
dabei stattfänden.
Im allgemeinen aber tat das Reichsverbot von 1577 gute Wirkung,
namentlich durch den Zusatz, der die Verpflichtung zum Einlager für den
Gläubiger wertlos und für den Wirt gefährlich machte.
So überaus häufig sich in Urkunden die Verpflichtung zum Einlager
findet und als so bekannt die Sache auch überall behandelt wird — über die
wirkliche Ausübung eines Einlagers sind wir doch ganz im Unklaren. Bei
dieser Schweigsamkeit der Quellen war es mir daher eine freudige Über-
raschung, von Herrn Oberarchivrat Dr. W. Fürst am Hauptstaatsarchiv
München zu hören, daß sich im Stadtarchiv zu Wunsiedel (Oberpfalz) ein
sehr ausführliches Aktenbündel über die Vollziehung eines solchen Einlagers

im Jahre 1544 erhalten habe. Die ungewöhnliche Seltenheit einer solchen
Urkunde wird es entschuldigen, wenn derselben hier als Anhang eine ein-
gehende Besprechung zuteil wird.
Das mußte vorausgeschickt werden, um das Folgende verständlich zu
machen.
Sie schellbriefe.
Es kam oft vor, daß der Schuldner trotz Brief und Siegel seinen
Verpflichtungen nicht nachkommen konnte oder mochte. Cs ist ja menschlich
verständlich und auch zahlenmäßig nachzuweisen, daß das letztere meist dann
eintrat, wenn der Empfänger des Geldes inzwischen gestorben war und der
Gläubiger sich nun an die Bürgen hielt. Wollte ein Fürst große Summen
aufnehmen, dann konnten die Hofleute sich nicht wohl weigern, die Bürg-
schaft zu übernehmen. Wußten sie doch, daß der Fürst dafür mit nutzbaren
Vergünstigungen nicht kargen werde, im Weigerungsfall aber die Ungnade
drohte. Starb jedoch der Fürst, ehe die Schuld beglichen war, und weigerte
sich der Erbe, diese anzuerkennen, dann mußte es für den Bürgen höchst
schmerzhaft sein, ein Kapital auszahlen zu sollen, von dem er doch keinen
Heller erhalten hatte. Da begannen denn die für beide Teile gleich unerfreu-
lichen Mahnungen.
Der Mahner ward nicht immer freundlich ausgenommen. Vor den
Hauptleuten der Gesellschaft des St. Georgenschilds als Schiedsrichtern
in den gegenseitigen Klagen der Grafen zu Fürstenberg und der Herren
von Lupfen beschwerten sich die letzter« am 15. April 1413: „Die schuldigen
250 Pfd. haben sie (Fürstenberg) nicht gegeben, auch das versprochene
Einlager nicht geleistet, vielmehr aus die Mahnung den Boten zu ertränken
gedroht." (Riezler, Fürstenberger Urkundenbuch III. Nr. 83.)
In einem undatierten, ins erste Viertel des 15. Jahrhunderts zu
setzenden Briefe fordert ein Hans Zulcke den Herzog Johann von "Mecklen-
burg auf, nicht wortbrüchig zu werden, sondern sein versprochenes Einlager
in Berlin zu halten: bade sp et geklaget, dat gp mi so iämmerlicken laten verderoen
unde dat ick Minen truwen Venst so deger (gänzlich) an iw oerlaren hebbe. Jetzt müsse
er armer Mann Not, Schaden und Hohn leiden. Komme er nicht, ihn zu
erlösen, wie er es doch bei seiner Ehre gelobt habe, dann müsse er sein krankes
Weib ihm nachfahren lassen: er möge doch sich und ihr den Ungeschmack
ersparen. (Fidicin, Berlinische Urkunden, Berlin 1842, Nr. 105.)
Die schlimmste Form der Mahnung war der Schmähbrief, in dem der
Gläubiger den säumigen Schuldner in Wort und Bild aufs ehrenrührigste
beschimpfte und ihm mit dessen Anschlag an öffentlichen Orten, an Kirch-
 
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