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Bombe, Walter
Geschichte der Peruginer Malerei bis zu Perugino und Pinturicchio: auf Grund des Nachlasses Adamo Rossis und eigener archivalischer Forschungen — Italienische Forschungen, Band 5: Leipzig, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.34609#0214
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beruginö.

noch zu malende Tafel, und am 25. Juni 1503 faßte der Magistrat den
Beschluß, daß der Restbetrag einer gewissen Summe entweder für das
Gitter der Kapelle oder für den Altar oder aber für das Altarbild zu ver-
wenden sei. Einem von uns im Peruginer Notariatsarchiv aufgefundenen
Testament des Kaufmanns Paride di Baldassarre di Paolo Petrini vom
26. Dezember 1503 entnehmen wir die interessante Tatsache, daß damals
das Sposalizio noch nicht vollendet war, denn Paride Petrini hinterläßt
der Brüderschaft von S. Giuseppe 5 Fiorini, welche Perugino erst nach
Vollendung des Bildes zu zahlen sindP
Aus dem mitgeteilten Dokumentenmaterial ergibt sich also, daß vor
dem 11. April 1499 das Bild nicht begonnen sein konnte, und daß es
gegen Ende des Jahres 1503 noch nicht vollendet war. Des weiteren folgt
daraus, daß Raffaels Sposalizio, das laut Inschrift 1504 vollendet wurde,
fast gleichzeitig also mit dem Sposalizio seines Meisters, und vielleicht
in der Werkstätte und unter den Augen desselben entstanden ist.
Ein Vergleich der beiden Gemälde zeigt sofort, daß Peruginos
Sposalizio die ältere, altertümlichere Redaktion des Themas ist. Wie in
dem Fresko der Schlüsselübergabe sind die handelnden Personen am
vorderen Bildrande in gleicher Größe aufgereiht. Raffael dagegen läßt
seine Figuren schon in der zweiten Reihe kleiner werden, stellt die beiden
Hauptpersonen um und rückt sie weiter auseinander, so daß der Vor-
gang deutlicher wird, läßt den Priester, der bei Perugino als Mittelachse
wirkt, durch eine leichte Bewegung seines Oberkörpers die Bewegung
Mariens begleiten, vereinigt die Schar der Zuschauer, die er ebenfalls
umgestellt hat, so daß links die Frauen, rechts die Männer stehen, zu
Gruppen, schafft aus der Gestalt des stabbrechenden Jünglings, die bei
Perugino unter den BegleitRguren fast verschwindet, eine höchst wirkungs-
volle KontrastHgur, welche die Symmetrie aufhebt, und gibt schließlich
dem hübschen Zentralbau, dem Tempel zu Jerusalem, der die Komposition
zusammenfaßt, eine Kuppel, welche dem halbrunden oberen Abschluß
des Bildes besser entspricht, als die durch den Rahmen abgeschnittene
Flachkuppel Peruginos. Nach dem oben Gesagten ist es eigentlich über-
flüssig zu erklären, daß wir der unlängst geäußerten Ansicht^, das Sposa-
lizio Peruginos sei von Spagna ausgeführt und eine spätere, schwächere

* «Pro solvendo magistro Petro pictori de Perusio pro pictura tabule Capelle dicte
Fraternitatis solvendos tune quando ditta tabula perfecte fuerit et non ante, videlicet dicto
magistro Petro seu aiteri magistro qui eam perfecerit.»
^ Bernhard Berenson in «Gazette des Beaux Arts», 1896, Aprii. Wieder abgedruckt
in «The Study and Criticism of Itaiian Art», Second Series, London, George Beii and
Sons, 1902. The Caen «Sposalizio», Seite 1—22. Dagegen L. Manzoni im «Bollettino
Umbro», Vol. IV, 1898, Seite 511—529.
 
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