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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Velde, Henry van de: Die verstandesmäßigen und folgerechten Konstruktions-Prinzipien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0111

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INNEN-DEKORATION.

ähnliche Eigenschaften — von logischer, folgerechter
und einfacher Bauart haben könnten — wie die-
jenigen des Meisters Riemerschmid, des Architekten
Kühne und wie die von Frl. von Brocken, dann
wäre das Leben offenbar würdevoller, erhabener
und geistigerer Art. Die Schönheit würde sich
dabei regelrechter entwickeln und von den schlechten
Berührungen und von allem, was an Niedrigem
dahin arbeitet, sie zu verderben, bewahrt bleiben.
Ich stelle dem, was wirklich niedrig ist, ich meine
ein Interieur, wo alles, was es enthält, lügt, selbst
den Geist der Dinge belügt, ihren Nutzen verbirgt
und den Gedanken zu unreinen Dingen schweifen
lässt, die ihn auf Irrwege führen, so dass man sich
einen Schrank wie eine Karrikatur eines Tempels
vorstellt, einen Stuhl wie einen Teufel aus Holz,
der sich auf seinen Beinen und Händen aufrichtet,
einen Beleuchtungs-Gegenstand, wie ein festes
Schloss, das mittelst Ketten an der Decke aufge-
hängt ist — allen diesen Schändlichkeiten stelle
ich so reine, so wahrhaft aufrichtige und moralische
Konzeptionen, wie die von R. Riemerschmid, Kühne
und Frl. von Brocken entgegen.

Die Einfachheit der Werke Riemerschmids ist
von Adel durchdrungen , und jedes derselben ist
eine gute Handlung. Sie offenbaren das bewunderns-
werte Prinzip, auf welches wir vereint den neuen
Stil gründen wollen. Wir haben einen anderen
Begriff von demselben als diese schlauen und
geschäftigen Fabrikanten, die seit einigen Jahren
Dinge »neuesten Stils« anbieten, und die ganz einfach
das Wort »Stil« missbrauchen, wie sie übrigens
auch die Künstler missbrauchen, die gewissenhaft
und mühselig diesen Stil ausarbeiten, welche aber
beim Anblick dieses Kindes, welches täglich wächst
und gedeiht und das in seiner Unschuld lächelt
über die Kämpfe und Mühen, die uns vorbehalten
sind und über die Händel, deren Gegenstand es
schon jetzt ist, zum Mitleiden bewegt werden.

Ich brauche nicht zu sagen, dass unser Prinzip
nicht neu, sondern dass es ebenso alt ist wie die
Architektur selbst, aber dass es heute so vollständig
vergessen ist, dass es scheinen könnte als ob es
nie existiert hätte. Im Grunde ist es vielleicht
besser, dass es so ist, denn wir widmen uns mit
grosserem Eifer der Schöpfung neuer Dinge, als
dass wir das Alte wieder aufrühren. Und die
Illusion, die wir mittels eines neuen Prinzips er-
wecken, ist um so wirkungsvoller, als wir wirklich
neue Dinge schaffen.

Nicht das Prinzip selbst verleiht ihnen diesen
Karakter der Neuheit, wohl aber, dass wir ver-
suchen, neue Bedürfnisse zu befriedigen, die von
denen, welche vergangene Generationen zu be-

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RICHARD RIEMERSCHMID MÜNCHEN. Toilette.

friedigen suchten, weit verschieden sind. Sie karak-
terisieren den Stil, nach dem wir streben, mehr,
als einerlei welches Prinzip. Sie sind allmächtig,
und das Prinzip, das ich verteidige, ist selbst die
Folge eines intensiven modernen Bedürfnisses nach
geistiger Ordnung und Gesinnung.

Die Anzahl derer, die sich unter die Führung
dieses verstandesmässigen und folgerechten Kon-
struktions - Prinzips stellen, nimmt beständig zu.
Peter Behrens scheint sich ihnen auch einreihen
zu wollen. Ich habe Frl. von Brocken angeführt,
die sich uns angeschlossen hat, indem sie Klugheit
mit Eleganz und Geschmack verband; ich muss
auch noch den Architekten E. Beutinger aus Darm-
stadt hinzufügen, welcher bei der Schöpfung seines
Boots-Hauses für den Mannheimer Ruder-Klub
jedesmal dann seine besten Ideen fand, wenn er
sich an das Prinzip einer Konstruktion hielt, die
über die ihm zur Verfügung stehenden struktiven
und ästhetischen Mittel nicht hinausging. Man
 
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