Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

DOI Artikel:
Velde, Henry van de: Einige Künstler Holland's und die Ausstellung Hugo Kochs in Düsseldorf
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0210

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

INNEN-DEKORATION.

M. ZINSMEISTER-HILVERSUM. Teil-Ansicht eines Lesezimmer-Möbels.
Die Skulpturen rühren von Herrn Mendis da Costa her.

tümlichkeiten sind, welche die Renaissance be-
gründen, als die Thatsache, dass neue Sorgfalt und
Mühe den in Verfall geratenen Künsten und Hand-
werken zugewandt wurden.

Was die holländischen Werke gänzlich von
den belgischen und deutschen Werken unterscheidet,
ist ihr Mangel an Geschmeidigkeit, ihre relative
Eleganz und ihr prächtiger, oft etwas exotischer
Schmuck. Dieser Mangel an Geschmeidigkeit liegt
im Geiste der flämischen und niederländischen
Rasse; die relative Eleganz ist kein Rassen- noch
Traditions-Zeichen; und es ist gewiss, dass das,
was heute nur relativ ist, später absolut werden
kann. In der holländischen Architektur des ver-
gangenen Jahrhunderts und in den Mobilien jener
Zeit liegt eine ganz besondere Anmut, und in
den Verhältnissen der Thüren und Fenster, den
Fassaden der Wohn-Gebäude und in den Verhält-
nissen der verschiedenen Teile der Möbel liegt
eine grosse Sicherheit für absolute Schönheit.

Die Fassaden-Ornamente des vergangenen Jahr-
hunderts, und glücklicher Weise haben wir deren
noch viele in allen diesen alten Städten, wie Veere,
Zierikzee, Dordrecht, Haag, Amsterdam, bis Hoorn

und Enckhuizen, tragen köstliches Leben in sich
und eine seltene Sicherheit in den Reliefs.

Der Holländer hat einen sehr bestimmten Be-
griff von dem Licht seines Landes, und dieser
Begriff sichert dem Dekor der Städte und Häuser
einen ganz besonderen Karakter, wie er sich viel-
leicht mit dem Japans vergleichen Hesse. Sogar mit
zweifelhaften Elementen gelingt es dem Holländer,
sich ein mit raffiniertem Geschmack ausgestattetes
Interieur zu schaffen, gerade weil er den Sinn für
Farbe und den Sinn für dieses Licht, welches
Holland eigen ist, besitzt.

Dieser Sinn treibt ihn zu aller Art Verwegen-
heiten; ehe uns noch von England kräftig gelb,
orange oder grün gemalte Tapeten herüberkamen,
bestrich der holländische Bauer und Fischer seine
Wände mit gelbem, blauem oder grünem Lack, der
wie die blanke Fläche einer Schwert-Klinge oder wie
feuchte Blätter glänzte. Diese Anwendung des
reinen Tons scheint ihm, da er sich einfach auf
seinen Sinn für Farbe und Licht verlässt, keines-
wegs verwegen; und nur uns, deren Auge entartet ist,
erscheint es so. In Holland geht die volkstümliche
Tradition ganz natürlich bis zum Aeusserstcn; die
übertriebenen Farben und Formen reizen dort das
Auge; aber wenn ich sage, dass die reine Farbe
das holländische Auge reizt, so ist ihr Glanz und
nicht ihre Reinheit die Ursache. Wie könnte man
unter diesem meist grauen und getrübten Himmel
den Begriff der Reinheit einer Farbe haben? Man
verlangt nur Kraft und Glanz von ihr; sie muss
gegen dies beständige Grau kämpfen und es be-
siegen. Den Sinn für die Reinheit der Linie und
der Form finde ich auch in der alt-holländischen
architektonischen Kunst nicht, aber mit Freude
sehe ich diese neue Tendenz in den Werken, wie
sie Seite 214—215 reproduziert sind.

Ausser den Werken des Herrn Johan Thorn-
Prikker, welche einen ganz besonders persönlichen
Karakter tragen, und von dem wir noch eine Reihe
wichtiger Werke reproduzieren könnten, haben die
in diesem Heft veröffentlichten holländischen Werke
etwas bis zum Uebermaß Robustes und Schweres,
was ihnen ein volkstümliches und fast bäuerliches
Aussehen verleiht. Ich persönlich sehe keine Be-
einträchtigung darin; im Gegenteil glaube ich, dass
dies der einzige vernünftige Ausgangspunkt ist,
welcher in den Stand setzt, die Formen und Kon-
struktionen wieder besser zu gestalten. In diesen
Werken finde ich die Spur jenes gesunden Menschen-
Verstandes wieder, welcher die bewunderungs-
würdigen kleinen Wagen, Karriolen und Schieb-
Karren des Landes erzeugte; wie auch die meister-
haften und geschmeidigen Schiffs-Rümpfe der
 
Annotationen