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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Velde, Henry van de: Das Museum "Folkwang" in Hagen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0286

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274

INNEN-DEKORATION.

prok. h. van DE Velde. Thür im Folkwang-Museum.

Griechen das Bedürfnis der Ornamente hervorrief,
welchen sie keine andere Funktion, kein anderes
Symbol beimaßen, als dort Leben zu erwecken, wo
sonst nur Tod und seine eisige Frucht geherrscht
hätten. Ich habe diesen Gedanken in meinem Vor-
trag »Die prinzipiellen Erklärungen« weiter ent-
wickelt. Heute erscheint mir dieser Gedanke
»Nietzscheanisch«. Ist er nicht die Basis seiner
»Geburt der Tragödie« ?

Es wird bald klar werden, dass nichts mehr
in der Architektur anders als vernünftig gemacht
werden kann; die Beweislehre der Eisen-Kon-
struktion ist unwiderstehlich — und man bedenke,
dass die Holz-Konstruktion wie z. B. die der skandi-
navischen Villen und der Thüringer Häuser, beinahe
ebenso unverdorben wie die des Eisens geblieben
ist. Es scheint, dass die Backsteine — vielleicht
weil ihr Format einem Spielzeug gleicht — be-
sonders zur Abirrung geführt haben, und dass diese

keine Grenzen mehr kannte, als Stuck und Zement
ihre natürlichen Komplizen wurden. — Wenn wir
erst wieder im Besitz unserer Gesundheit sind und
keine beständigen Anstrengungen mehr zu machen
brauchen, um unsere Gedanken und die der andern,
welche nur zu gern entschlüpfen, auf eine gesunde
und vernünftige Ausübung der Konstruktion zurück-
zuführen, dann werden wir mehr Muße haben, an
Raffiniertheiten zu denken, und werden mehr Ver-
ständnis haben für diesen Abscheu der Griechen
gegen tote Flächen, und werden wie sie, unwider-
stehlich dazu getrieben werden, dort Leben hervor-
zurufen, wo es uns fehlt, dort, wo es uns inständig
dazu auffordert.

Es war das Gefühl, welches diese neue Orna-
mentik auf den Stufen der grossen Treppe hervor-
rief, welche von der Halle in das Stockwerk führt,
wo sich die für Malerei und orientalische Kunst-
Werke bestimmten Säle befinden. Zu diesem Grauen
einer breiten, hohen Wand, wo nichts von Leben
zeugte, gesellte sich noch das dieser so roh in die
Wände eingefügten Stufen. Dieser doppelte Wider-
willen trieb mich zur Schöpfung jener Form, die
vermuten lässt, dass die Linie der Stufen über die
Wand-Fläche gleitet, oder auch, dass diese vor-
herrschende und fundamentale Linie an der Wand
ihren Ursprung nimmt, wo ein nach den Gesetzen
des Rhythmus und des Spiels von Licht und Schatten
geschaffenes Ornament, sein eigenes Leben und das
der führenden Linie der Stufen erweckt.

Die Treppe bot eine grössere zu überwindende
Schwierigkeit. Ich suchte lange nach einer Lösung
für das Geländer, die mir durch den Zuschnitt der
Stufen bedeutend erschwert wurde. Als ich gefunden
hatte in welcher Art jedem Tritte eine schmied-
eiserne Geländer-Docke angebracht werden sollte,
(diese greift mittels einer flachen Lasche unter das
Stufen-Profil und ist dort angebolzt, während zwei
Seitenarme dieser Geländer-Docke, die auf der
Trittfläche ruhen, hufeisenförmig nach oben streben),
schien sie mir so klar und einfach, dass ich mich
beinahe schämte, so lange über solche Sache nach-
gedacht zu haben, welche sicher der kommenden
Generation nichts mehr zu schaffen machen wird.

*

Ich kann nicht daran denken, alles zu schildern,
was dieses »Osthaus-Museum« enthält (denn ich
glaube, dass dieser Name ihm eher haften bleiben
wird, als der Name »Folkwang« der Wohnsitz der
Göttin Freia). Ich kann nicht daran denken, alle
Lösungen noch einmal zu erwähnen, die die
Kommission von Kunst-Richtern, die ich mir in
Gedanken vorstelle, und von der ich jetzt den
Doktor-Titel erwarte, mir aufgab und auch erhielt.
 
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