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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Hausrat und Menschenform
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0055

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INN EN-DEKORATION

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AUSSTELLUNG DES ÖSTERREICHISCHEN WERKBUNDS: MÖBEL VON W. SOBOTKA UND J. GROAG

kennen gibt. Es gibt eine bestimmte Bedeutung des
Überflüssigen in der menschlichen Kultur. Denn diese
beginnt erst mit jenen Hilfsmitteln, Geräten und Be-
tätigungen, die nicht im strengen Sinne zum Not-
wendigen gehören. Es ist vielleicht einer der schlimm-
sten Mängel unsrer modernen rationalen Weltbe-
trachtung, daß wir das Überflüssige ohne weiteres
auch für zwecklos oder nutzlos halten. Das Spiel ist
Überfluß, aber es hat eine reiche lebenfördernde Be-
deutung. Das Bild an der Wand ist Überfluß, aber es
hilft zur Pflege eines spezifisch menschlichen Welt-
Erlebens. Farben, Zierformen, verfeinerte Gewebe im
Raum sind Überfluß, aber an ihnen üben sich ver-
borgene Kräfte, wichtige Reizstellen unsrer Natur.

Spiegelglasbelag an einem Frisiertisch ist ganz gewiß
Überfluß, aber mit welch feinen leisen Winken för-
dert eine solche Gerätebehandlung den Sinn für Sau-
berkeit und exakte Körperpflege, für das Blanke und
Tadellose! Das Fragen nach dem Zweck ist gut und
recht. Aber wir dürfen nie vergessen, daß der leben-
dige Mensch immer ein verwickelteres Wesen ist, als
unsre augenblicks gültige Einsicht weiß. Er braucht
neben dem »Notwendigen« stets auch solche Formen
und Dinge, die seine höhere Verhaltungsweise zum
Leben in Übung setzen, die also seine höhere Men-
schenform fördern. Das ist ihm so wichtig, daß er
lieber seinem Notbedarf etwas abknappt als gewissen
letzten Positionen seiner Heimpflege und Kleidung.
 
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