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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Michel, Wilhelm: Der Wohnraum "Garten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0206

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194

INNEN-DEKORATION

haus dr. z. »ausblick von der wohnhalle auf wintergarten und terrasse«

DER WOHNRAUM »GARTEN«

Den Garten beim Hause haben auch frühere Zeiten
gekannt. Aber die volle Einbeziehung des Gar-
tens in den Rhythmus der Wohnräume hat im Norden
erst die heutige Zeit mit ihrer Luft- und Sonnenfreude
gebracht. Man betrachte nur die große Glastür, die
auf unsrem Bild Garten und Eingangsraum trennt.
Sie kann abschließen gegen das Draußen; und sie
tut das selbstverständlich in den Monaten mit »r«,
von denen eine alte Arztregel sagt, man dürfe sich
in ihnen nicht auf den Erdboden setzen. Aber man
sieht dieser Tür an, daß sie weit lieber etwas andres
tut: sich weit aufschlagen zu Fliederpracht und
Springbrunnrauschen, zu Sonnenschein und Laub-
kühle. Denn das will der Garten, wie wir ihn heute
verstehen, sein: Wohnraum, Spielraum, Arbeits-
raum; Raum des eigentlichen, unverkürzten Lebens.
Deshalb tritt man ebenerdig aus der Halle auf den
Stein-Estrich hinaus. Keine Terrassen mit Geländern,
höchstens eine flache Stufe vermittelt den Übergang;
Außen und Innen greifen fließend ineinander.
Man hat den Zauber, den der Garten als Wohn-

raum gerade auf den Deutschen ausübt, nicht schon
damit ausgeschöpft, daß man sagt: Licht, Luft,
Sonne! Das alles kann man mit geringen Abkürzun-
gen auch im Innenraum haben. Das Unvergleich-
liche aber, das nur der Garten bietet, liegt darin:
überm Kopf nur der blaue Himmel, unterm Fuß und
unterm Stuhl nur die Erde oder erdnaher Stein!
Wenn man das zum erstenmal wieder nach dem
langen Winter erlebt, dann ist es, als sei man endlich
wieder in den vollen, direkten Austausch zwischen
Himmel und Erde eingefügt. Die Strahlungen der
milden Bläue oben, die Kräfte der Erde begegnen sich
in uns; sie schaffen ein neues, erfrischtes Körper-
gefühl. Blühender Apfelbaum, unter dem ich diese
Zeilen schreibe! Was ist es unter deinen Blüten, um die
schwarzgoldene Hummeln schwärmen, für ein fröh-
liches Sinnen und Denken! Duft-erfülltes Zelt über
meinem Arbeitsplatz, Amselsingen, Schmetterlinge,
durch Zweige hindurch strahlendes Himmelsblau —
gibt es ein schöneres Arbeitszimmer als solch eine
Ecke im Wohnraum »Hausgarten« ? Wilhelm michel
 
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