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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Ein Zuhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0279

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»TOILETTESPIEGEL IM SCHLAFZIMMER DER DAME« ENTW. ARCHITEKT GEORG BONTA —BUDAPEST

EIN ZUHAUSE, ein Stück Heimat will uns unsre
Wohnung sein. Alles in ihr ist auf Umfriedung,
auf Bergung und Bewahrung unsres Herzens ange-
legt. Unsere hellen und trüben Stimmungen vermag
sie in sich einzubetten; sie hat Platz genug für alle
Abschattungen des Lebens auf unser Gemüt. Es
kommt aber darauf an, daß wir sie lieben und daß
wir wissen: Hier ist ein Zuhause. Sonst steht sie kalt
und leblos um uns herum. Die Dinge der Wohnung
sind da, um uns etwas zu leisten; aber unsre Sache
ist es, die Leistung entgegenzunehmen. Erst wenn wir
aufgeschlossen sind für ihren Dienst, wenn wir ihnen
danken können, kurz: wenn wir die Wohnung als ein
Stück Leben sehen, beginnen ihre Kräfte auf uns ein-
zuwirken. Was uns beleben soll, das müssen wir le-
bendig sehen; anders ist es tot und wirkungslos.
Eine Ebene ist genau so ruhig wie eine Zimmerwand,
ein wolkenloser Sommerhimmel genau so still wie
ein Tisch oder ein Stuhl. Warum sollten wir unsre
Wohnung durchaus anders sehen als einen Hügel
oder einen Baum? Wer einen Baum als etwas Totes
sieht, hat von ihm ja auch nicht mehr, als derjenige
von seiner Wohnung hat, der sie als eine Anhäufung
verschiedener Gebrauchsgegenstände zwischen vier

Wänden denkt. Wer sich aber von einem Raum
etwas sagen läßt, der wird geliebt von ihm, den bettet
er in seine Wirkung, in sein Leben ein. Der wird um
seine Wohnung wissen als um ein Leben, das befrie-
det und das Ruhe gibt - genau wie sonst ein anderer
dasselbe sagt Von einem Baum, wenn er in seinem
Schatten liegt und seinen Traum von ihm behüten
läßt. Wir sind immer versucht, über die Dinge hin-
wegzusehen, als ob sie unser Herz nicht nötig hätten.
Aber so berauben wir uns auch all der Kräfte, mit
denen sie uns beschenken und befriedigen, so oft wir
ihr Dasein als ein Leben, als ein Wirken begreifen.
Wir können lange verweilen in einem Raum und ihn
benutzen; aber erst wenn uns das Wissen um sein
Dasein als um ein Stück Leben kommt, gewinnen wir
auch alle seine verborgenen Kräfte, die die beruhigen-
den, helfenden und tröstlichen Wirkungen der Heimat
haben. - Im Begriff der »Wohnung« liegt das »Heim«
als eigentlicher Sinn verborgen. Wer es gefunden
hat, kann von sich sagen, daß er wirklich wohnt.
Hier und überall ist das Verhalten das Entscheidende,
das, wenn es richtig ist, die von anderen Menschen
gut gedachte und sorgsam zustandgebrachte Sache
erst sinnvoll und erlebnisspendend macht. - L. R.
 
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