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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Michel, Wilhelm: Gedanken über das Schöne
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0220

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210

INNEN-DEKORATION

»SILBERGESCHMIEDETER OBSTKORB« KLINKOSCH-WIEN. - AUFNAHME: LAZl —STUTTGART

wertet, während es doch seinen Adel nur in lebendig
wirkender Gesinnung hat. Zum Begriff »Form« gehört
mehr als Formales, zum Begriff »Schönheit« gehört
mehr als Ästhetisches. Dafür hatte gerade Winckel-
mann, der große deutsche Wiederentdecker der anti-
ken Kunstschönheit, einen lebhaften Sinn. Er hat als
Hauptelement der klassischen Form die »Fassung der
Seele« hervorgehoben, die sichtbare Mächtigkeit des
Menschengeistes in allem Ausdruck des Leidens oder
der Leidenschaften. Ein sittlicher Wert also steht bei
ihm im Mittelpunkte des Werts Schönheit. Der Sieg
des spezifisch Menschlichen über allen Sturm der Ge-
mütserregungen macht ihm die Schönheit der antiken
Figuren aus. »In Betrübnis und Unmut sind sie ein
Bild des Meers, dessen Tiefe stille ist, wenn die Fläche
anfängt unruhig zu werden.« Da erscheint die Würde

des Menschen, der Herr über die Affekte bleibt, als
eigentlicher Inhalt des Schönen, und das ist es, was uns
das Schöne, wie Emil Strauß sagt, vertraut macht.

Form ist nicht ohne weiteres auch schöne Form.
»Die Kunst ist lange bildend, ehe sie schön ist«, sagte
Goethe. Auch die Kunst der Primitiven und Exoten
formt, gestaltet und drückt aus. Zur Schönheit reicht
die Kunst erst hinaus, wenn sie die höchste Idee des
Menschen zum Leitgedanken hat, d. h. wenn sie das
Geistige und das Stoffliche, das Bewußte und das Hin-
gerissene auf dem Punkte der edelsten Ausgewogen-
heit vereinigt. Von hier aus zeigt sich, daß das Ideal
der Schönheit parteiisch ist für die höhere Men-
schenform, gegen alles, was unter dieser steht. Und
dieser Wert »höhere Menschenform« ist rassenhaft ge-
bunden, dergestalt, daß ein Europäer, wenn er von
 
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