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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Vom Gast- und Mietzimmer
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0298

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288

INNEN-DEKO RATION

KUKHOTEL BAD SALZUNGEN »WOHNRAUM MIT SCHLAFZIMMER« HELLGRAUE TAPETE, BODEN: GRAUER VELOURS
MÖBEL: BIRNBAUM MIT AHORNADERN, BEZÜGE UND VORHÄNGE: BLAU, SCHLAFZIMMER-MÖBEL: SCHLEIFLACK

VOM GAST- UND MIETZIMMER. »Du gehst nun
in Dein erstes Semester«, schrieb ein Vater an
seinen Sohn, »und bist wohl jetzt schon auf der Suche
nach dem berühmten »möblierten Zimmer«, das Dich
die nächsten Monate beherbergen soll. Vor die Tu-
gend haben die Götter den Schweiß gesetzt, das soll
ihnen verziehen sein; aber daß sie vor das Staats-
examen das möblierte Zimmer, die Studentenbude
gesetzt haben, ist schmerzlich. Ich rate zu Vorsicht
und Sorgfalt, und damit Du den Grund dieser Mah-
nung verstehst, will ich Dir was aus meinen Erinne-
rungen erzählen.

Als ich erstes Semester war, mietete ich mir eine
Bude in der Nähe der Universität. Ich sah nicht lange
hin und nahm so ziemlich die erste, die meinem be-
scheidenen Monatswechsel entsprach. Ein großes
Fenster nach einer breiten Straße, also gute Versor-
gung mit Luft und Licht, das war da und galt mir als
Hauptsache. Frau Geiß hieß die Vermieterin, und sie
war auch eine, beim Styx! Ihr Angedenken steht
heute noch bei mir im Unsegen. Ich sah zwar die

graue, häßliche Tapete, den imitierten Kameltaschen-
diwan, das lächerliche kleine Wandbrett für Bücher,
das ungemütlich hochgebeinte Tannenholzbett, ver-
unziert durch aufgepinselte Maserung und einen Mu-
schelaufsatz - aber im Leichtsinn meiner zwanzig
Jahre ließ ich mich davon nicht anfechten. Etwas
Besseres, dachte ich mir, kannst du dir bei deinen
Mitteln ja doch nicht leisten, und die paar Monate
werden mit Hilfe von Studium, Kunst und Bier wohl
herumgehen. Ich zog am nächsten Tage ein, verteilte
den Inhalt meines Reisekorbes in Schrank und stot-
ternde Schubladen und wurde mir erst während die-
ser Arbeit über eine ungünstige Veränderung klar, die
das Zimmer über Nacht erlitten hatte. Der prächtige
Plüsch des Kameltaschenungeheuers verbarg sich
jetzt unter einem mißfarbigen Überzug, und statt des
bescheidenen Teppichs lag ein abgetretener Linoleum-
läufer da. Es war wie beim Erwachen aus einem schö-
nen Traum. Das heißt, schön war der Traum auch nicht
gewesen; aber jetzt sah alles noch einige Grade scheuß-
licher aus. Die weitere Verhäßlichung des Gemachs
 
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