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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Mayreder, Karl: Etwas über Gaststätten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0357

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INN EN-DEKORATION

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anton ubl »weinstube der figaro-bar in wien« bänke und stühle aus matt gewichstem fichtenholz

schäftsreisender oder Urlauber, man trinkt im Wirts-
haus - man muß dabei nicht gleich ans uferlose Sau-
fen denken - man schließt seine Ochsenverkäufe dort
ab. Die Gaststätte wird zum Klublokal, wird zur
Börse, zum ländlichen Umschlagplatz.

Einen weiteren Schritt in dieser Richtung führt uns
das Kaffeehaus. In ihm sitzt man nicht des Kaffees
willen - wäre der auch noch so vorzüglich - hier ist
der Aufenthalt als solcher die Hauptsache, die ge-
machte Zeche wird zu einer Art Eintrittsgeld des Be-
suchers, der dort ungezählte Zeitungen liest, Tarock
oder Billard spielt, ja mitunter an einem Tisch im
Hintergrunde seine Geschäftskorrespondenz erledigt.
Oder zu zweit einfach da ist. Je mehr sich aber der
aufmerksame Blick des Gastes von den vor ihm auf-
gebauten Genüssen erhebt und entfernt, um so kriti-
scher richtet er sich auf das Drum und Dran der
Raumgestaltung neben und über den Gästen. Die Aus-
stattung wird geschäftlich wichtig, mag sie nun auf
vernünftige Klarheit oder auf Kellergewölbe mit Öl-
funzelbeleuchtung zielen.

Das wird deutlich in jenen zumeist etwas gering-
schätzig als Nachtlokal bezeichneten Stätten. Bei

ihnen wird die Ausstattung beinahe die Hauptsache,
so sehr, daß sie in Zeitabständen von oft nur wenigen
Jahren weitgehende Erneuerungen erfahren. Bars
und Weinstuben sind also keine Bauten für die Ewig-
keit, noch viel weniger als etwa Ladenbauten. Das ist
kein Vorwurf, es liegt in der Natur der Sache. Die Ge-
staltung einer Bar ist eben eine Art Abendkleid, die
wie dieses nicht abgenutzt, sondern durch die Mode
weggespült wird. Deshalb verlange auch niemand,
daß in derlei Lokalen ein allzu großer Aufwand kost-
barer Materialien getrieben werde. Denn hier gilt das
Wort von Adolf Loos, jeder Gegenstand müsse so-
lange ästhetisch vertretbar sein, wie seine stoffliche
Haltbarkeit währe : ein Kleid eine Nacht, ein Schreib-
tisch dreihundert Jahre.

Die hier vorgeführten Lichtbilder der Bar und Wein-
stube »Figaro« in Wien von Architekt Anton Ubl
zeigen unbefangene und geschmacksichere Formen
des Heute, ohne sich über das Morgen allzusehr den
Kopf zu zerbrechen. Man sitzt in den Räumen, nicht
um zu essen, nicht um zu trinken, auch nicht wegen
einer Partie Karambol, sondern eben - um behaglich
zu sitzen und auch wohl zu tanzen, dr. mayreder - Wien

1940. XII. 2
 
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