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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Die Aufgabe der Kulturpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0057

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INNEN-DEKORATI ON

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Feuerstelle, Abfall verschwindet schnell, kein Gang
zum Brunnen macht die Schuhe schmutzig. Unsre
Großmütter noch hätten gelacht, wenn man ihnen
eine moderne Küche als Zukunftstraum vor Augen
geführt hätte, und sicher würden sie gedacht haben,
das müsse ein unvorstellbar verzärteltes Geschlecht
sein, das in einer solchen Wohnkultur lebe.

Aber wer dürfte behaupten, daß wir durch diese
Wohnkultur naturfremder geworden wären, daß sie
uns verweichlicht hätte? Das Gegenteil ist der Fall.
Die Linie zwischen Natur und Kunst ist neu gezogen,
und manches an Elementarem ist aus dem mensch-
lichen Wohnbereich zurückgedrängt. Aber dafür
haben wir an andren Stellen hundert Tore geöffnet,
durch die belebende Naturgewalt breiter als je in
unser Dasein hereinströmt. Wir wollen hier nicht ein-
mal den Hauptton auf die neue Luft- und Sonnen-
freude legen, die ein beherrschendes Motiv unsres
Wohnbaus, unsrer Siedlungskultur, unsrer Freizeit-
gestaltung geworden ist. Wichtiger als diese Dinge
ist die Kampf- und Leistungsmoral, die überall zur
Geltung gelangt ist, und so neue, umwälzende Be-
griffe wie die Pflicht zur Gesundheit, die Pflicht zu

körperlicher Arbeit hervorgebracht hat. Daß dies
nicht Begriff oder Ideal geblieben ist, sondern auf
herrliche Weise zur Tat wurde, erweisen die Leistun-
gen, die gerade die deutschen Generationen der zwei
großen Kriege vollbracht haben und weiter vollbrin-
gen. Unsre moderne Kultur zeichnet sich dadurch
aus, daß sie wohl den störenden Einwirkungen der
Naturmächte präzisere Dämme gesetzt hat als vor-
dem, namentlich im Bereich des Wohnens, daß sie
aber zugleich die dankbare Ehrerbietung für die Na-
tur viel tiefer in die Herzen verankert hat. Alle düste-
ren Prophezeiungen einer dünnblütigen, naturfernen
und hypergeistigen Menschenzukunft, wie sie in
Utopien des 19. Jahrhunderts öfters vorgetragen wur-
den, haben sich als unzutreffend erwiesen. Mit feste-
ren Sohlen als je steht der heutige Mensch auf der
Erde, die Gefahr einer Entartung ins Nur-Geistige ist
so fern als möglich gerückt. Nochmals: die Grenz-
linien zwischen Natur und Geist laufen heute anders
als vor 50 oder 100 Jahren, aber unsre Teilhabe an
naturhaft-gesunder Lebensweise, unsre Freude an
schlichtem, tapferem Menschentum ist eher gestiegen.
Wir sprachen oben von dem umwälzenden Begriffe
 
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