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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Michel, Wilhelm: Hausgeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0083

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INN EN-DEKORATION

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»die schrankwand mit waschnische aus dem vorstehendem schlafzimmer« holzwerk: tanne

dem Gebälk und Hausrat, den Haustieren, und vor
allem aus all der Arbeit, die seine Besitzer daran ge-
wandt, aus ihrem Wesen und Schicksal, das ihm erst
sein Gesicht gibt - so ist auch die Natur des Kobolds
wunderbar gemischt aus vielen Elementen.«

Daß er sich oft, wie gesagt, als zusammengeschrum-
pelter Urgroßvaterzwerg zeigt, das beweist, daß der
Hausgeist nicht von heute und nicht von gestern ist.
Er kommt aus grauer Zeit her, in ihm lebt das Älteste
der Familie fort, das Bleibende, das in allen Genera-
tionen wiederkehrt. Gibt es nicht schon äußerlich be-
stimmte Gesichter, die in einer Familie immer wieder
auftauchen? Bestimmte Begabungen, Neigungen,
Charaktere, die den Enkel mit Ureltern verbinden, ja
sogar bestimmte Schicksalswendungen, die anschei-
nend auf Zufall beruhen und sich doch in einer und
derselben Familie merkwürdig häufen? Das alles ist
im Hausgeist Gestalt geworden. In ihm erschaut die
Volksphantasie, was das Haus zum Eigentum hat
unter allem Wechsel der Zeiten und Umstände. Vom
großen Schicksal bis hinab zum nächtlichen Knarren
und Knacken der Treppen und Dielen, vom Gedeihen
der Kinder und der Haustiere bis zur winzigen »Tücke

1942. III. 3

des Objekts« oder dessen Wohlverhalten - der Kobold
stiftet es, der Miniaturdämon, die lebendige Seele, in
deren Gestalt sich alles zusammenhäuft, was im Le-
ben und Gehaben des Hauses da ist und doch nicht
faßbar, nur zu spüren und zu verehren.

Und warum erzählen sich die Menschen heute nur
noch wenig vom Kobold im Dachgebälk, vom Klop-
ferle im Keller? Da gäbe es manches zu sagen. Sie
haben das Schicksal der Erdgeister, der guten Hol-
len, der Zwerge geteilt. Die sind aus vielen Gegenden
verschwunden, in denen sie früher auf Schritt und
Tritt zu spüren waren. Der Lärm des Verkehrs hat sie
vertrieben, die Rodung der Wälder, vor allem der
Raffsinn der Menschen. Es mag etwas Wahres daran
sein, nämlich das, daß die Natur- und Hausgeister
das Allzuscharfe des Verstandes, das Allzukalte des
Rechnens, das Neue und Ungewohnte nicht vertragen.

Aber es liegt weiter auch darin, daß sie sich gern
da wieder ansiedeln, wo das Volksgemüt wieder auf-
lebt, wo in naturverbundenen, sorgsam gefügten Räu-
men Liebe und Vertrauen das Regiment führen und
aus dankbarer Menschenbrust die stillen Mächte ge-
ehrt werden. - Wilhelm michel
 
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