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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Jatho, Carl Oskar: Kleine Dinge in der Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0283

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KLEINE DINGE IN DER WOHNUNG

Kleine Dinge sind in die Güte unserer Hände und
unseres Blickes gelegt. Auch sind sie auf die
Geneigtheit unseres Ohres, unseres Mundes, unserer
Nase angewiesen. Der Klang des Pokals, der für die
edelste, schon beinah göttliche Kreszenz geschaffen
wurde, bleibt einsam ohne die zum Feingenuß präde-
stinierte Muschel des menschlichen Ohres. Der Duft
der Weichselpfeife, er will gekostet sein nicht minder
als die zartblättrige Substanz ihres Inhalts; Rund
und Rand der Tasse, des Glases, die Mulde des Löffels,
sie fühlen sich unverstanden ohne den halbbewußten
Kuß der Lippen. Ihr aller Element ist Schmiegsam-
keit; aber ohne Entgegenkommen der beseelten
Sinne bleibt ihre Hingabe ungelöst. Schmuck hängt
ethymologisch mit schmiegen zusammen. So sind
diese Dinge ihrem Wesen nach Schmuck; und
Schmuck will geliebt sein.

Kleine Dinge dürfen daher den Raum nicht in
Masse besetzen. Auch dürfen die großen Dinge nicht
so massig gebaut und so im Raum massiert sein, daß
sie die kleinen erdrücken. Es ist ein Kriterium für
einen Wohnraum, wenn kleine Dinge unbehindert
in ihm schimmern und so sich immer leise in Er-
innerung bringen. Ein einfaches Schwefelholzkäst-
chen muß in solchem Raum ein Schmuck sein. Man

muß sich der feinen Ausgearbeitetheit seiner Pro-
portionen bewußt werden können. Man muß seine
stereometrische Sauberkeit als sinnbildlich für den
Raum und seine großen und kleinen Dinge emp-
finden können. Ein einfaches Fayencetellerchen, eine
zylindrische Puderdose, die Kugel eines Lichtspen-
ders müssen in ihrer fundamentalen Schönheit gelten
dürfen neben der Vielfalt abgewandelter Formen.

In solchem Raum werden kleine Dinge mitunter
große Dinge. Eine Kleinplastik, ein Pferdchen von
der Sintenis, ein lagerndes Rehkalb, können den
Raum mit der Unschuld des Paradieses erfüllen und
uns verhindern, mit unsern Schritten, unseren Wor-
ten, mit den stummen Taten unserer Hände aus dem
Rahmen des allzeit Gemäßen zu fallen. Ein Stück-
chen Gewebe, sei es nun alt und vom Geheimnis der
Jahrhunderte mild gesättigt, sei es soeben dem Finger
der Künstlerin oder des Künstlers entsunken, kann
uns mahnen, das Gesetzmäßige von Material und
Geist und ihr geheimes Aufeinanderangewiesensein
zu ehren. Ein schmales Buch, wie von ungefähr auf
einem Tischchen liegend, kann beim Eintritt den
Fremdling im Nu davon in Kenntnis setzen, wes
Geistes Kind der zu erwartende Bewohner ist. Er
liest vielleicht auf seinem Titel: Duineser Elegien

»WASSERSERVICE« AUSFÜHRUNG: SEGUSO KUNSTGLAS-MURANO. - AUFNAHME : PORTA-MAILAND
 
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