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24 Bemerkungen

auftaucht, wo wir, ohne noch irgend andere Meckmale zu haben, bloS
durch die Anschauung der Bauwerke, uns sogleich ein ziemlich bestimmtes
Bild von der Bevölkerung selbst und von dem, was sie erlebt haben kann,
zu machen im Stande sind.

Es ist mir diese Erscheinung sehr oft vorgekommen; besonders am
sehr frühen Morgen, oder in heller Nacht, wenn zu beiden Zeiten nirgends
sich Menschen zeigten, die dem Eindrucke eine bestimmtere Nichtung zu
geben im Stande gewesen wären. Hatte irgend eine Zeit es sich zur
Aufgabe gestellt, füc ihren Religionskultus das köchste Jdeal der Formen,
dessen sie fähig war, in ihren Vauwerken (Tempeln und Kirchen) zu ver-
körpern, und in dieser Art zur äußern Anschauung zu bringen; so werden
wir viel weniger Uebereinstimmung der Bauformen mit Klima, Sit-
ten rc. bemerken, denn die Phamasie, ihr Urbild vor dem innern Auge
habend, ließ sich dabei durch irdische Rücksichten nur so weit fesseln, als
das Constructive beachtet werden mußte.

Weit mehr sehen wir diese obenerwähnten Einflüsse auf Bauformen
wirksam; wo entweder gar keine geistigen Rücksichten dafür genommen
wurdcn, wie bei den meisten Bauwerken jetziger Zeit; oder wenn in einem
Lande ein Religionskultus vorherrschte, welcher alle Aeußerlichkeiten ver-
schmähend, seine Gotteshäuser nur für das inehr oder weniger dringends
Bedürfniß einrichtete und darstellte.

Da die vergangenen Jahrhunderte alle in dem Bestreben wetteiferten,
ihre Bauformen zur größtmöglichsten Höhe des Ideals zu bringcn, das
letztverflossene und jetzige Jahrhundert dagegen die idealen Kunstbildungen
nicht achtet und immer mehr materiellen Jnteressen huldigt; so enlstehen
dadurch ganz eigenthümlich gemischte Bilder, deren Betrachtung vielleicht
nicht unangenehm sein wird. Nichts ist wohl mehr im Stande, ein bestimm-
tes Bild längst vertilgter Völkerschaften in unscer Seele zu erwecken, als
die Ruinen ihrer Gebäude und die damit verbundenen Ueberreste etwaniger
Bildhauerarbeit und Malerei. Die Staatengeschlchte, welche in allen un-
seren Schulen ausschließlich gelehrt wird, zeigt am Ende nichts als immer
dasselbe. — Die Völker wanderten, unterjochten andere, Könige regierten
oder andere Herrscher, Völker setzten sich sest, wurden überwunden, andere
kamen, denen es wieder so ging, und wenn man die Geschichte eines ein-
zigen Volkes mit Bedacht verfolgt hat, so brauchte man am Ende die
anderen gar nicht zu lesen; denn mit Krieg, Mord und Todtschlag endigen
ste alle. — Ein Vild der Völker, wie sie gewesen si'nd, erhalten wir da-
durch ganz und gar nicht, die gänzliche Gleickheit der Handlung leiht auch
den Handelnden in unsrer Phantasie einerlei Abbild.

Ganz anders ist es bei der Kunstgeschichte, wo die Geistigkeit der
 
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