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über Baukunst.

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hineingebaut, so gut es eben angeht. Außerdem setzt man auf die bei-
den Mittel - Stirn - Ziegeln der Giebel ein Kreuz, und die Ersindung des
neuen Gotteshauses im schonsten antiken Styl ist ohne sonderliche Mühe
und ohne geistige Erschopfung des Künstlers sehr bald fertig. Die
Kunstkenner und Kritiker schreien ihr Wunder'ooU! — und der Künstler,
welcher die geniale Schopfung durch Copiren im Stande war hervorzu-
bringen, wird mit Lobsprüchen und Ehren überhäuft, weil es keinem
auch nur im Traume einfällt, daß eine christliche Kirche muthmaßlich et-
was weniges anders ausfehen konnte, dürfte und müßle, als ein antik
dorifcher Tempel. Noch eine andere Art des Antikistrens ist, wenn man
z. B. eine altdeutfche Kirche fo umschafft, daß sie anstatt der ohnehin un-
klassifchen altdeutfchen Formen griechische bekommt. — Es giebt Beispiele,
wo diese an und für si'ch unmoglich scheinende Aufgabe zum Erstaunen
der ganzen Welt, durch die höchste Genialität der modernen Baumeister
glänzend gelöfet wurde. Sie wußten höchst gefchickt die Pfeiler der

Schiffe in Säulen, die Gewölberippen in Palmenblätter, und die Gurlen
der alten Sterngewölbe in Cassaturen mit antiken Acanthus-Rosetten zu
verwandeln, und obgleich der urfprüngliche Typus sich auf keine Weife
ganz verdrängen ließ, und mit seinen zum Himmel strebenden Verhält-
nissen jedes geradlinigen, wagrechten Systemes spottete/ und das Ganze
Ding nunmehr höchft albern dasteht, weil es weder mehr altdeutfch noch
griechisch ist; so fehlte es doch nicht, daß die Menge von der ganz erfchreck-
lichen Neuheit der Ersi'ndung auf das Höchste hingerissen, die Schönheit
des Baues nicht genug preisen kann! —

Das, mein Lieber, nennt man jetzt anlik bauen. Du si'ehst leicht,
daß es hierbei weder auf Genialität von Seiten der Künstler, noch auf
Charakter in den Bauformen, noch auf Erwägung dessen, was man
baut, ankommt! fondern lediglich darauf: daß ein paar auswendig gelern-
te antike Baubrocken dem kunsthungrigen Volke vorgeworfen werden, wel-
che es begierig verfchlingt, da der Geschmack davon ihm einigermaßen an-
gelernet, bekannt vorkommt: und fo wird die ganze großartige Aufgabe,
welche in antiker Zeit ganze Städte und Völkerstämme rn Begeisterung und
Bewegung verfetzte, jetzt auf die einfachste, leichteste und gefälligste Art
von derWelt, ohne Schwierigkeit, ohneAnstrengung, ohne alleAufregung, aus
das schnellste und glücklichste gelöset, und nur Eines wird dabei ernstlich von
allen bedauert—daß der antike Styl, obgleich man alle mögliche Surrogate
statt kostbarer Baumaterialien braucht, obgleich man alle mögliche Mittel bis-
her angewendet hat, ihn zum wohlfeilsten Baustyl bei der Ausführung zu
machen, und alles fo elend wie nur möglich einricktet, doch immer noch
— Geld koste. — —

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