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E. Tietze-Conrat Permoser-Studien
wolle: „Aber Seine Majestät hatte gut reden. Der Eigensinn des Bildhauers behielt die
Oberhand. Er erklärte glatt und schlank, daß er dafür keinen Finger rühren würde“6).
Die Motivierung dieser unzeitgemäßen Komposition mag in dem Zurückgreifen auf einen
starken Eindruck liegen, der den Künstler in jungen Jahren gepackt hatte. Ich möchte
annehmen, daß Permoser die Gruppe
Pugets gesehen habe. Von 1675 bis
1689 fallen Permosers Wanderjahre in
Italien, wo nur Venedig, Florenz und
Rom als Stätte eines längeren Aufent-
haltes hervorgehoben werden7). Inner-
halb dieser langen Zeit mag er auch
in den Westen gekommen sein und das
Werk Pugets in Toulon oder Versailles
gesehen haben, vielleicht auch nur in
Genua, wo Puget sich von Toulon aus
noch wiederholt aufhielt, die Tonskizze
kennen gelernt haben, die Puget vor
der Ausführung im Großen gearbeitet
hatte8).
Der Eindruck dieser Gruppe hat
sich in Permosers Erinnerung im Laufe
der Jahre zur charakteristischen Sil-
houette sublimiert; die zwingende Ein-
heit von Vorstellungsinhalt und Er-
scheinung hat sich gelöst, die formalen
Akzessorien der Einzelform sind ver-
blichen. Der eigenartige Raumaus-
schnitt aber hat sich dem greisen Künst-
ler als zwingender Rahmen vor Augen
gestellt, dem er seine neue Aufgabe
mit allen neuen Forderungen einer
deutlich betonten dreidimensionalen
Konzeption einpaßte.
Die Vermutung, ein Stich habe die
Kenntnis der Gruppe Pugets übermit-
telt, ist aus einem innern und aus einem
äußern Grunde zurückzuweisen. Der
Fig. 3 Puget, Befreiung der Andromeda innereGrund: ein Stich, ein Blatt Papier,
das jederzeit zur Hand ist, zu wieder-
holten Malen seine immer gleiche Wirkung ausübt, bewirkt einen geschlossenen Eindruck,
aus dem sich vielleicht die inhaltliche Komponente herausheben kann, niemals aber die
formale so weit steigern wird, daß sie ein Werk zeugt, dessen Inhalt mit dem Vorbild so
6) Beschorner a. a. O. S. 13.
') Beschorner a. a. O. S. 42 f.
8) Dictionnaire des Sculpteurs de l’Ecole Fran^aise sous
le Regne de Louis XIV par Stanislas Lami, Paris 1906
S. 418.
E. Tietze-Conrat Permoser-Studien
wolle: „Aber Seine Majestät hatte gut reden. Der Eigensinn des Bildhauers behielt die
Oberhand. Er erklärte glatt und schlank, daß er dafür keinen Finger rühren würde“6).
Die Motivierung dieser unzeitgemäßen Komposition mag in dem Zurückgreifen auf einen
starken Eindruck liegen, der den Künstler in jungen Jahren gepackt hatte. Ich möchte
annehmen, daß Permoser die Gruppe
Pugets gesehen habe. Von 1675 bis
1689 fallen Permosers Wanderjahre in
Italien, wo nur Venedig, Florenz und
Rom als Stätte eines längeren Aufent-
haltes hervorgehoben werden7). Inner-
halb dieser langen Zeit mag er auch
in den Westen gekommen sein und das
Werk Pugets in Toulon oder Versailles
gesehen haben, vielleicht auch nur in
Genua, wo Puget sich von Toulon aus
noch wiederholt aufhielt, die Tonskizze
kennen gelernt haben, die Puget vor
der Ausführung im Großen gearbeitet
hatte8).
Der Eindruck dieser Gruppe hat
sich in Permosers Erinnerung im Laufe
der Jahre zur charakteristischen Sil-
houette sublimiert; die zwingende Ein-
heit von Vorstellungsinhalt und Er-
scheinung hat sich gelöst, die formalen
Akzessorien der Einzelform sind ver-
blichen. Der eigenartige Raumaus-
schnitt aber hat sich dem greisen Künst-
ler als zwingender Rahmen vor Augen
gestellt, dem er seine neue Aufgabe
mit allen neuen Forderungen einer
deutlich betonten dreidimensionalen
Konzeption einpaßte.
Die Vermutung, ein Stich habe die
Kenntnis der Gruppe Pugets übermit-
telt, ist aus einem innern und aus einem
äußern Grunde zurückzuweisen. Der
Fig. 3 Puget, Befreiung der Andromeda innereGrund: ein Stich, ein Blatt Papier,
das jederzeit zur Hand ist, zu wieder-
holten Malen seine immer gleiche Wirkung ausübt, bewirkt einen geschlossenen Eindruck,
aus dem sich vielleicht die inhaltliche Komponente herausheben kann, niemals aber die
formale so weit steigern wird, daß sie ein Werk zeugt, dessen Inhalt mit dem Vorbild so
6) Beschorner a. a. O. S. 13.
') Beschorner a. a. O. S. 42 f.
8) Dictionnaire des Sculpteurs de l’Ecole Fran^aise sous
le Regne de Louis XIV par Stanislas Lami, Paris 1906
S. 418.