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Die Sammlung Fischel, Wien

Die Sammlung Fischel, die ich hier kurz und
mit der Anführung der bedeutendsten Stticke zum
erstenmale der Öffentlichkeit vorlege, ist in letzter
Zeit, hauptsächlich aus dem Wiener Kunsthandel
oder dem Wiener Privatbesitz entstanden. Ohne sich
auf eine bestimmte Kunstrichtung oder eine be-
stimmte Kunstschule zu beschränken, ohne sich mit
musealen Prinzipien zu belasten, bietet sie eine
Reihe hervorragender Stücke, die lediglich dem
Schmucke von schönen Innenräumen dienen sollen.
Wir finden somit hier nicht das Ergebnis einer
Sammelleidenschaft, sondern eine bedachte Ausvvahl
von Kunstobjekten, für deren Ervverb die Qualität
der maßgebende Faktor gewesen ist.

Die Sammlung besteht hauptsächlich aus Ge-
mälden und Skulpturen alter Meister, neben denen
etliche Werke neuerer Künstler, wie L. v. Hoffmann,
Engelhardt, Medardo Rosso v.sw., hervorgehoben
werden müssen.

Zwei Fragmente eines venezianischen Trecento-
altärchens (Fig. 31 und 32) bilden das früheste Stück
der Sammlung. Es handelt sich um ein dreiteiliges
Hausaltärchen, von welchem das Mittelstück und
der rechte Seitenflügel erhalten sind. Das erstere
zeigt die Madonna mit dem Kinde und zwei Heilige
(unten) und die hl. Dreifaltigkeit (oben). Der Fliigel
die hl. Magdalena (oben) und einen heiligen Bischof
(unten). Das Mittelstück trägt links oben auf dem
Holzgrunde folgende Inschrift in roter Farbe:
IACOPELLVS DE FIORE PINXIT.

'Vllem Anscheine nach ist diese Signatur echt.
Nehmen wir sie nun als solche an, dann stehen wir
mit unserem Bilde in einem merkwürdigen Gegen-
satze zu dem, was sicherlich von Jacopellos Hand
herstammt. Das erste datierte Bild dieses Meisters
ist der Markuslöwe im Dogenpalaste aus dem Jahre
1415; eines seiner vollendetsten die Justitia in der
Akademie zu Venedig (1421). In diesen Bildern
finden wir aber einen ganz andern Stil vor, einen

Stil, der schon die Schranken des Trecento über-
schritten hat und vieles von umbrischer Seite her,
man denke an den Einfluß des Gentile da Fabriano,
aufgenommen hat. Die Figuren unseres Altärchens
stecken hingegen noch ganz in der Formensprache
des venezianischen Trecento. Sie repräsentieren
jenen aus der Toscana kommenden und von den
Venezianern in ihrer Art weiterentwickelten Stil, der
sowohl in der Malerei als auch in der Skulptur das
ganze Trecento der Lagunenstadt beherrscht. Jaco-
pello del Fiore ergibt sich aber aus seinen ge-
sicherten Werken als ein Neuerer, der, am Anfange
des XV. Jhs. neue Einflüsse von toskanisch-umbri-
scher Seite aufnehmend, eine Parallelentwicklung
mit der feinen, zierlichen Kunst der Buon durch-
macht. Somit stehen die Figuren unseres Altärchens
in einer ziemlich großen Diskrepanz zu den uns be-
kannten Bildern Jacopellos. Ihrem Stile nach scheinen
sie zirka zwei Dezennien älter als das früheste Bild
(1415) dieses Meisters zu sein. Am nächsten steht
ihnen die Madonna auf einem Bilde in Stuttgart, auf
dem die Legende des Augustus und der Sibylle
dargestellt ist, das auf Grund einer vielleicht mit
Recht anzuzweifelnden Signatur vom Meister Paulus
und seinem Sohne Johannes im Jahre 1358 ausgeführt
sein soll'). Dieses Bild dürfte nicht so früh sein. Ich
halte es ungefähr gleichzeitig mit dem unserigen:
es mag gegen Ende des XIV. Jhs. entstanden sein.

Wäre nicht die Signatur vorhanden, so hätte
ich unser Bild als das Werk eines anonymen Vene-
zianers, der am Ende des XIV. Jhs. wirkte, kurz an-
geführt. Die Signatur aber, die trotz wiederholter
Untersuchungen immer den Eindruck der Echtheit
in mir hervorgerufen hat, gibt diesen zwei Frag-
menten eine besondere Bedeutung und einen wich-

*) Vergl. K. Lange, Verzeichnis der Gemäldesamm-
lung im kgl. Museum der bildenden Künste zu Stuttgart,
1907. S. 175 Nr. 465.
 
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