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Norbert Grund

Die Erscheinung de ergessenen Rokokomalers
Norbert Grund muß jedem vor Augen treten, der sich
bemüht die malerische Generation der Dreißigerjahre
des NIX. ]hs. in Böhmen entwicklungsgeschichtlich
zu erklären und zu wiirdigen. Max Dvoräk') hat
schon vor Jahren darauf hingewiesen, daß die von
der Kunstgeschichte vernachlässigten Landschafts-
maler dieser Zeit die eigentlichen Fortsetzer der
alten Barocktradition des XVIII. Jhs. sind. In diesen
Kleinmeistern der Dreißigerjahre lebt die malerische
Tradition der Barockzeit weiter, um abseits von den
klassizistischen Idealen der führenden Schule die
fruchtbare Kultur der Naturbeobachtung und Farben-
freunde am Leben zu erhalten und ein halbes Jahr-
hundert später der Entwicklung eine rein malerisch
empfindende Richtung zu geben. Wir wissen schon
lange, daß die moderne Malerei in der ersten Hälfte
des XIX. Jhs. auf einer Kunst fußt, die abseits von
dem ausgefahrenen Wege der akademischen Tradition
lag. Dessenungeachtet haben die meisten Forscher,
die den Versuch gemacht haben, eine Entwicklungs-
linie der Kunst Böhmens im XIX. Jh. aufzuzeigen,
die klassizistische Tendenz als den einzigen Ausdruck
des lokalen Kunstwollens ins Auge gefaßt. Die Gene-
ration der Dreißigerjahre wurde bloß verzeichnet,
nach ihrem Stammbaume hat niemand gefragt. Eine
Kunstgeschichte, welche alle Kunsterscheinungen
nur aus den äußerlichen Bedingungen ihres Milieus
heraus erklärte, konnte für die Einreihung dieser
Generation kein Verständnis haben. Dem modernen
Kunsthistoriker aber wird es klar sein, daß die
Klassizisten, Nazarener und Historienmaler bei weitem
nicht von einer so großen Bedeutung für die Ent-
wicklung waren wie die kleinen Meister der Land-
schaft und daß die doktrinäre Programmkunst der
Akademie' die Malerei in eine Sackgasse geführt hat.
Klassizisten und Akademiker drängten der Kunst

*) Max Dvorak, Von Manes zu Svabinsky, Die gra-
phischen Kiinste. Bd. XXVII S. 29 ff.

literarische Tendenzen auf und belasteten die Ent-
wicklung mit unfruchtbarenTheorien,dieLandschafts-
maler hingegen, die die Tradition des XVIII. Jhs.
aufrecht hielten, verlängerten die barocke Entwick-
lungslinie, um sie den Modernen zur Weiterentwick-
lung zu übergeben. Norbert Grund und die Seinen
standen im Hintergrunde dieses Prozesses.

Norb.ert Grund ist am 4. Dezember im Jahre 1717
in Prag auf der Kleinseite geboren. Sein Vater
Christian, ein Porträtmaler, stammte aus einer deut-
schen Familie in Maria-Kulm bei Eger2). Daß Chri-
stian in der gräflichen Familie der Liebstejnsky von
Kolowrat persona gratissima gewesen sein mußte,
beweist die Nachricht, daß die Paten seines Sohnes
Graf und Gräfin Norbert Liebstejnsky von Kolowrat
waren3). Nach seinem hohen Paten hat Grund seinen
Vornamen erhalten. Nach Dlabacz hatteNorbert noch
zwei Brüder, Eustach und Christian4), die als Mu-
siker einen Namen hatten. Ein dritter Bruder Franz,

2) Prokop Toraan hat in seinen biographischen Auf-
sätzen in der Zeitscbrift „Mäj“, Bd. XI 1911 Heft32, 33, 34
und „Volnd smery“, Bd. XVI S. 294 ff., wichtige Nach-
richten und Berichtigungen für die Biographie des Malers
publiziert. Den größten Teil der Daten zur Biographie des
Kiinstlers hat C. Wurzbach ira Biographischen Lexikon
(Wien 1859) Bd. V S. 397 ff. zusaramengestellt.

3) In der Taufmatrik des Pfarramtes beim hl. Nikolaus
auf der Kleinseite finden wir folgende Eintragung (nach
Toman, Volne smery Bd. XVI S. 294): Die 4 Decembr.
A. D. 1717 babtizatus filius Norbertus Josephus Carolus ex
legitimo tlioro natus. Parens: Dnus Christianus Grundt,
Pictor. Mater: Ludmilla Barbara. Levans: Loco illustr.
Domini Norberti Vincenti Liebsteinskij comitis de Kolowrat.
Praenob. Dnus Wenceslaus Neckan. Testes: Illustrissimus
Dnus Carolus Liebsteinskij de Kolowrat.

Praenob. Dnus Joannes Petrus Seboldt loco illustrae
Dominae Mariae Anna Liebsteinskijn, comitisse de Kolowrat
nata comitisse de Altheim Virgo Marie Altheim. Babtizans:
Wenc. Charwath Capell.

4) G. J. Dlabacz, Allgemeines historisches Kiinstler-
lexikon fiir Böhmen (Prag 1815) I. Bd. Sp. 508.
 
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