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K. Tiktzk-Conrat Pennoser-Studien

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verständliche Silhouette darg-estellt haben mag, das Auge befremdet haben, als das Denkmal
seinen neuen Standort erhielt, wo es von allen Seiten zugänglich war; damals wurden wohl
die Wolkenballen, etwas mühsam zwar, um die Rückseite des Kreuzes gezogen und ein
Engelskind unten drangesetzt, das die ungezierte Fläche beleben sollte. Dieses Figürchen
(Fig. 5) ist zwar dem andern kleinen Schildträger,
der sich an der Hauptseite so lebendig dem Auf-
bau einpaßt, nachgebildet, doch bleibt es weit
hinter der Vorlage zurück. Beim toten Spruchschild
konnte der nachschaffende Künstler über Zeit und
Persönlichkeit hinaus eine getreue Wiederholung
zuwege bringen; doch an dem lebendigen Wesen
ist trotz großem Bemühen, sich der Ziige des Mei-
sters zu bedienen, jedes Glied zaghaft, die Stellung
lahm und statt des wuchtigen Zugreifens und Los-
fahrens macht sich ein gefühlvolles Sentiment be-
merkbar, wie es dem Ende des XVIII. Jhs. eigen.

Dies sind also nur Beigaben einer späteren Zeit.

Aber die Hauptansicht zeigt in allen Teilen die
glückliche Einheit der persönlichsten Erfindung.

Der Aufbau steht im innern Gleichgewicht;
die drei Putten, die Laternen und SprucR child
tragen, schweben um den Sockel des Kreuzes und
scheinen ihn zur größeren Standfläche zu verbrei-
tern; sie bilden in ihrer leichten Erscheinung
dennoch die Kraft, die nach den Seiten drängt,
die Bewegung nach außen, welche Maria und Jo-
hannes, zur Mitte geneigt, auffangen und beruhigen.

Der Putto an dem Postament stützt nicht als Kon-
sole das Trio über ihm; er ist der Schnörkel, der
den mühelosen Abschluß bringt. Über den Engels-
putten steig't die Bewegung erst langsam, dann
in stetem Wachsen auf; erst der vergoldete Kelch,
der auf den Wolken steht, dann Magdalena, die
kniet und das Antlitz nach oben wendet; endlich
der Engel, der in stärkster Spannung den Kelch
unter die Brustwunde Christi hält. Hier in dem
Leichnam trifft das Empordrängen an das Ab-
wärtsziehen; doch auch die Totenschwere wird
durch die Nägel, die die Arme halten, gemildert
und das Gleichgewicht bleibt bestehen.

Vielleicht ist es möglich, als den Künstler dieses Friedhofkreuzes Permoser zu nennen.
Um diese Vermutung zu kräftigen, soll das Denkmal angezogen werden, das Permoser für
sein eigenes Grab geschaffen hat (Fig. 6). Es erschwert die Vergleichung, daß die Einzel-
durchbildung durch eine weitgehende Restaurierung") im Jahre 1888 stark verändert ist; die

Fig. 6

Permoser, sein selbstgefertiytes Grabmal
in Dresden

9) Bescborner a. a. O. S. 76.
 
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