H. Fot.nesics Studien zur Entwicklungsgeschichte der Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien 49
diesem Pozzo betrachten, so finden wir dieselben rundgelappten, eng anliegenden Blätter,
die wir vorhin (S. 36) als dem zweiten venezianisch-gotischen, beziehungsweise dem von
den pisanischen Bildhauern importierten Kapitelltypus entsprechend gekennzeichnet haben.
Bei genauer Beobachtung erkennen wir aber, daß diesen Blättern ein ganz anderes
Leben innewohnt, als denen der vorangehenden Zeit. Sie wölben sich vor und weichen
zurück, sie erwecken den Anschein, als ob sie einer Berührung nachgeben würden, mit
einem Wort, die stilisierte vegetabile Form hat einen neuen naturalistischen Inhalt bekom-
Fig. 40 Pozzo im Hofe der Ca d'oro. Nach Ongania-Naya
men. Aber der Rest an hergebrachter Form der unteren Blattreihe verschwindet sofort.
Nach oben entwickeln sich die Blätter völlig frei, nur durch eine lose Symmetrie gebunden,
um sich an der Spitze in einer kraftvollen Volute zu überschlagen. Gerade dieses Motiv wird
aber in der Folgezeit, wie wir noch sehen werden, eines der häufigsten (Fig. 47). Zwischen
diesen Voluten thront auf zwei Löwen die Charitas, in der Rechten eine lodernde Flamme,
während auf ihrer Linken ein nacktes Kind sitzt. Der Vergleich dieses Reliefs mit Ma-
donnenbildern aus der zweiten Häfte des Trecento zeigt, daß Bartolomeo Bon hier auf ein
fertiges Schema zurückgriff, und zwar aus einer Zeit, die relativ weit zurückliegt, gleich-
sam mit Ausschaltung jener Neuerungen, die von den Brüdern dalle Masegne ausgegangen
waren.
Ein ganz neues Element tritt mit den Köpfen an den Ecken des Pozzo in die venezia-
nische Kunst ein. Nicht die Tatsache, daß Köpfe vorhanden sind, ist das Neue, im Gegen-
teil, dieses Motiv ist gerade in Venedig sehr alt. Schon die Konsolen unter dem Rund-
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914 J
diesem Pozzo betrachten, so finden wir dieselben rundgelappten, eng anliegenden Blätter,
die wir vorhin (S. 36) als dem zweiten venezianisch-gotischen, beziehungsweise dem von
den pisanischen Bildhauern importierten Kapitelltypus entsprechend gekennzeichnet haben.
Bei genauer Beobachtung erkennen wir aber, daß diesen Blättern ein ganz anderes
Leben innewohnt, als denen der vorangehenden Zeit. Sie wölben sich vor und weichen
zurück, sie erwecken den Anschein, als ob sie einer Berührung nachgeben würden, mit
einem Wort, die stilisierte vegetabile Form hat einen neuen naturalistischen Inhalt bekom-
Fig. 40 Pozzo im Hofe der Ca d'oro. Nach Ongania-Naya
men. Aber der Rest an hergebrachter Form der unteren Blattreihe verschwindet sofort.
Nach oben entwickeln sich die Blätter völlig frei, nur durch eine lose Symmetrie gebunden,
um sich an der Spitze in einer kraftvollen Volute zu überschlagen. Gerade dieses Motiv wird
aber in der Folgezeit, wie wir noch sehen werden, eines der häufigsten (Fig. 47). Zwischen
diesen Voluten thront auf zwei Löwen die Charitas, in der Rechten eine lodernde Flamme,
während auf ihrer Linken ein nacktes Kind sitzt. Der Vergleich dieses Reliefs mit Ma-
donnenbildern aus der zweiten Häfte des Trecento zeigt, daß Bartolomeo Bon hier auf ein
fertiges Schema zurückgriff, und zwar aus einer Zeit, die relativ weit zurückliegt, gleich-
sam mit Ausschaltung jener Neuerungen, die von den Brüdern dalle Masegne ausgegangen
waren.
Ein ganz neues Element tritt mit den Köpfen an den Ecken des Pozzo in die venezia-
nische Kunst ein. Nicht die Tatsache, daß Köpfe vorhanden sind, ist das Neue, im Gegen-
teil, dieses Motiv ist gerade in Venedig sehr alt. Schon die Konsolen unter dem Rund-
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914 J