H. Folnesics Studien zur F.ntwicldungsgescliichte der Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien 73
Derselbe Fortschritt, der sich im Architektonischen g'eltend maclit, kommt auch in der
figuralen Plastik zum Ausdruck.
Die Wappenengel der Giebelfelder stehen weniger steif und ihre Hände scheinen die
Wappen wirklich zu halten, während die Engel des Boninus die Wappen nur berühren, so
Fig. 57 Kapitelle von den Tabernakeln im Dom zu Spalato. Links von dem des Boninus,
rechts von dem Giorgios
daß das Auge unwillkürlich nach einem andern Stützpunkt für die Wappen sucht. Der
Meister des neuen Tabernakels hatte eben eine Schule der realistischen Naturauffassung
hinter sich, wie sie der Mailänder nicht ahnen konnte. Wenn wir diese Schule nicht schon
kennten, so würden uns gerade diese Wappenengel mit ihrer deutlichen Abhängigkeit von
den drei Engeln an der Porta della Carta, die das Medaillon mit der Büste des hl. Markus
halten, darauf führen (Fig. 49 auf S. 61).
Von den Freifiguren des Giebels ist vor allem
jene der Madonna (Fig. 59) bemerkenswert. In
ihrer feinen Bewegung mit dem leicht nach rechts
geneigten Haupte und dem vorgestellten rechten
Knie versucht Giorgio zum ersten Male ein Stel-
lungsmotiv, das er später an der Loggia in Ancona
zu vollendeter Ausführung brachte.
Denselben oder fast einen noch größeren Fort-
schritt wie an dem Tabernakel können wir an der
Arka selbst wahrnehmen (Fig. 55 auf S. 71). An
der Figur des hl. Anastasius können wir die merk-
würdige Beobachtung machen, daß das Streben
nach größerer Lebendigkeit bei Giorgio so stark
war, daß es selbst da zum Ausdruck kommt, wo
es galt, einen toten Ivörper darzustellen. Vergleichen wir sein Werk mit der oben be-
sprochenen Arka S. Doymii oder sonst mit einem beliebigen der vorangegangenen Zeit,
etwa der Arka Isidori in Venedig', so tritt diese Neueruug augentällig hervor. Schon die
erhöhte Lage des Kopfes dient diesem Zwecke, auch die Hände sind nicht kraft- und
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914 10
P'ig. 58 Säulenbasen von den Tabernakeln
im Dom zu Spalato. Links von dem des Boninus,
rechts von dem Giorgios
Derselbe Fortschritt, der sich im Architektonischen g'eltend maclit, kommt auch in der
figuralen Plastik zum Ausdruck.
Die Wappenengel der Giebelfelder stehen weniger steif und ihre Hände scheinen die
Wappen wirklich zu halten, während die Engel des Boninus die Wappen nur berühren, so
Fig. 57 Kapitelle von den Tabernakeln im Dom zu Spalato. Links von dem des Boninus,
rechts von dem Giorgios
daß das Auge unwillkürlich nach einem andern Stützpunkt für die Wappen sucht. Der
Meister des neuen Tabernakels hatte eben eine Schule der realistischen Naturauffassung
hinter sich, wie sie der Mailänder nicht ahnen konnte. Wenn wir diese Schule nicht schon
kennten, so würden uns gerade diese Wappenengel mit ihrer deutlichen Abhängigkeit von
den drei Engeln an der Porta della Carta, die das Medaillon mit der Büste des hl. Markus
halten, darauf führen (Fig. 49 auf S. 61).
Von den Freifiguren des Giebels ist vor allem
jene der Madonna (Fig. 59) bemerkenswert. In
ihrer feinen Bewegung mit dem leicht nach rechts
geneigten Haupte und dem vorgestellten rechten
Knie versucht Giorgio zum ersten Male ein Stel-
lungsmotiv, das er später an der Loggia in Ancona
zu vollendeter Ausführung brachte.
Denselben oder fast einen noch größeren Fort-
schritt wie an dem Tabernakel können wir an der
Arka selbst wahrnehmen (Fig. 55 auf S. 71). An
der Figur des hl. Anastasius können wir die merk-
würdige Beobachtung machen, daß das Streben
nach größerer Lebendigkeit bei Giorgio so stark
war, daß es selbst da zum Ausdruck kommt, wo
es galt, einen toten Ivörper darzustellen. Vergleichen wir sein Werk mit der oben be-
sprochenen Arka S. Doymii oder sonst mit einem beliebigen der vorangegangenen Zeit,
etwa der Arka Isidori in Venedig', so tritt diese Neueruug augentällig hervor. Schon die
erhöhte Lage des Kopfes dient diesem Zwecke, auch die Hände sind nicht kraft- und
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914 10
P'ig. 58 Säulenbasen von den Tabernakeln
im Dom zu Spalato. Links von dem des Boninus,
rechts von dem Giorgios