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78 h. Folnesics Studien zur Entwicklungsgescbicbte der Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien

dargelegt zu haben, daß Giorgios Stil mit innerer Notwendigkeit aus dem Stil der Porta
della Carta hervorg'eht, sich also nach 1430 entwickelt hat. Wie sollte nun Giorgio vor
diesen notwendigen Voraussetzungen ein Werk geschaffen haben, das weit entwickelter ist
als seine eigenen Werke aus den Vierzigerjahren ?

Ein Ausweg aus diesem Dilemma scheint mir in der Annahme zu liegen, daß der auf
Anregung des genannten Bischofs — wahrscheinlich teilweise auch von seinem Gelde —
begonnene Bau erst nach seinem Tode vollendet und dann mit seinem Wappen geziert
wurde, das als Erinnerungsmal an dieser Stelle seinen Platz gefunden liat. Daß der Engel

tatsächlich von Giorgio stammt, scheint mir noch
ein anderes sogleich zu nennendes Werk zu be-
kräftigen.

II. Das Fenster der Casa Katalinic111).

Wir sehen ein viergeteiltes Maßwerkfenster
in den gewöhnlichen venezianischen Formen112).
Über dem Mittelsäulchen erscheint die Halbfigur
eines Wappenengels, der einerseits eine Weiter-
bildung des am Tabernakel des hl. Anastasius
geschaffenen Typus, anderseits eine Vorstufe zu
dem eben besprochenen Engel am Kampanile
bildet.

Die Weiterentwicklung liegt hauptsächlich
in der Bewegung der Hände. Wir haben schon
vorhin bei der Betrachtung des Tabernakels ge-
sehen, wie Giorgio seinen Vorgänger hierin über-
traf. Diesmal übertrifft er sich selbst, indem er
dem Kopf eigenes Leben verleiht und die Be-
wegung des Schildtragens in ihre anatomischen
Konsequenzen verfolgt, was wir aus den ab-
stehenden Ellenbogen und der dadurch bedingten
Hebung der Schultern sehen können.

Noch weiter geht dieses Streben in dem eben besprochenen Engel am Turmpfeiler.
Hier ist die Kopfhaltung bereits völlig frei, die Augen haben durch die tiefe Bohrung
einen lebendigen Blick erhalten und das Haar ist nicht mehr konventionell gescheitelt, son-
dern es fällt in reichen, natürlichen Wellen vom Scheitel zu den Schläfen ab.

Diesen Fortschritt hat Giorgio nicht aus sich heraus geschaffen, sondern es war eine
Errungenschaft des Bartolomeo Bon. Ein Blick auf die Figur der Fortitudo der Porta della
Carta (Fig. 66) zeigt uns die Quelle dieses neuen Naturalismus. Die Übereinstimmung von
Mund und Nase, von Aug'e, Augenbraue und Haar, von der weichen Fleischbehandlung und
dem feinen Oval des Gesichtes ist so schlagend, daß man versucht wäre, die beiden Figuren
derselben Hand zuzuweisen. Und bis zu einem gewissen Grade scheint dies auch möglich.
Die Untersuchungen von Leone Planiscig haben uns gelehrt, daß gerade in Venedig der
Werkstattbetrieb ein sehr intensiver war und daß dort, wo wir in der Fülle der anonymen

ul) Dieses Haus besitzt auch ein äußerst rcich aus- Boden, das mit seinen nach zwei Seiten windverdrehten
gestattetes Portal und im Hofe stelit ein Pfeilerkapitell am Blättern ganz in d.ie Kichtung Giorgios weist.

112) Abgeb. bei Frey, Fig. 52.
 
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