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162 H. Fot.nesics Studien zur Entwicklungsgeschichte der Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien

Strebepfeiler als Pilaster weiter fort. Diese tragen wieder ein Gesimse, das dem unteren
gleichgestaltet ist. Das auf diese Art gewonnene Stockwerk wird in noch gotischer Weise
durch ein großes Radfenster gegliedert, das freilich in seiner Profilierung schon durchwegs
Renaissanceformen aufweist.

Etwa in der Mitte dieses Geschoßes würden bei einem andern Baue die Dachschrägen
der Seitenschiffe anlaufen. Hier sind solche gar nicht vorhanden, sondern die Seitenschiffe sind,
wie wir gesehen haben, durch ewölbteg Dachflächen geschlossen. Niccolö zieht nun, unbe-

kümmert um alle Tradition, aus seiner
eigenartigen Konstruktion die letzte
Konsequenz, indem er sie auch in der
Fassade voll zum Ausdruck bringt. Er
schließt die Seitenschiffe durch Viertel-
kreisgiebel und schmückt die W and-
fiäche mit kleinen Radfenstern. Als
selbstverständliche Konsequenz ergibt
sich dann auch die gleiche Gestaltung
für den Mittelgiebel.

Im Gesamtumriß kommt diese Fas-
sadenbildung einigermaßen der Umriß-
gestaltung nahe, die Leon Battista Al-
berti für seinen Tempio Malatestiano in
Rimini projektiert hatte. Eine 1450
von Matteo dei Pasti geformte Medaille
gibt uns eine beiläufige Vorstellung,
wie dieses Projekt ausgesehen haben
mag238).

Allein dieser Umstand kann das
Verdienst Niccolös nicht schmälern, denn
einerseits ist die Übereinstimmung nur
sehr oberflächlich, anderseits ist bei ihm
die Fassade eine logische Deduktion aus
der Gewölbekonstruktion.

Wie bedeutend diese Lösung den

Fig- 145 Fassade von S. Maria del’ Orto zu Venedig Zeitgenossen erschien, zeigt zunächst

ihre Einwirkung auf Venedig.

Hier fiel diese Anregung auf besonders fruchtbaren Boden, denn die konstruktiv ge-
botene nüchterne Abschrägung des gotischen Daches — wie wir es an SS. Giovanni et
Paolo sehen — konnte den malerischen Sinn der Venezianer nicht befriedigen. Wir finden
daher die verschiedensten Ansätze, diese Dachschrägen zu beleben. In Maria dell’ Orto
wurde diese Belebung durch Anbringung einer Reihe von Figuren versucht (Fig. 145),
während an der Frarikirche (Fig. 146), an der Abazzia und an mehreren kleineren Kirchen
des Veneto eine Belebung der Giebelkanten durch die abenteuerlichsten Kurven und
Knickungen angestrebt wird. Die bizarrste Bildung ist an der Kirchenfassade von Muggia
bei Triest erreicht, wo der doppelte Schwung der Giebel direkt an orientalische Vorbilder

238) Abgcb. bei Paoletti, X. 142, I.
 
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