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Anton Mat£jöek Norbert Grund
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Ganz anders um 1700! Der Barockstil hat schon
eine einheitliche Form, in der alle Errungenschaften
des künstlerischen Ausdruckes der Zeit verschmolzen
sind. In Böhmen kommt dieser Stil mit einer Gene-
ration zum Vorscheine, die nicht mehr den Drang
hat, in das Ausland zu pilgern, um dort zu lernen.
Es sind Maler, die für ihrKunstschaffen einegenügende
Stütze in der einheimischen Tradition finden, und
wenn auch der Druck einer fremden Künstlerindivi-
dualität sich fiihlbar macht, wird doch ein solcher
schauung, aber die Unterschiede in der koloristischen
Auffassung sind doch sehr wesentliche. An einem
typischen böhmischen Landschafter, Johann Jakob
Hartmann (* um 1680, f nach 1738), der qualitativ der
beste Gestalter von Problemen seiner Zeit in Böhmen
war, können wir uns vergegenwärtigen, wie sich der
mächtige Strom der allgemeinen Stilentwicklung in
der lokalen Kunst widerspiegelt. Hartmanns Land-
schaften sind konstruiert, aber die Formwiedergabe
beweist, wie viele Ausdrucksmöglichkeiten das Kon-
Fig. 10 Norbert Grund: Dorfldrchweih. Prag, Rudolfinum
Einfluß organisch dem Inhalte der lokalen Kunst-
übung einverleibt. Der große Dekorateur Wenzel
Rainer kann als Beispiel hiefür gelten.
Für die Entwicklung des Norbert Grund sind
die böhmischen Landschafter der Barockzeit um 1700
von großer Bedeutung.
Die Tendenz, das Atmosphärische wirkungsvoll
wiederzugeben, unterdrückt das Gegenständliche. Die
Motive und Kompositionen werden noch immer bei
den Niederländern desXVII.Jhs. gesucht. Die böhmi-
schen Maler um 1700 haben wohl kaum einen spani-
schen Hafen, ein flaches Seeufer oder italienische
Ruinen gesehen. Ebensowenig entsprechen die
Schlacht- und Kirmeßszenen, die Raufereien und
Trinkgelage mit holländischem Einschlag direkter An-
ventionelle dem Maler geboten hat. Wir finden unter
seinen Bildern kaum zwei Landschaften, die sich
wiederholten oder deren koloristische Lösungen mit-
einander identisch wären. Die Komposition ist schab-
lonenhaft; den ersten Plan bilden kulissenartig auf-
gestellte Bäume und Felsen, auf die Rahmenseiten
gerückt, der zweite Plan ist schematisch zwischen
beide Kulissen eingekeilt. Aber in der Lösung des
koloristischen Problems, in der Transkription des
vibrierenden Lichtes und der bewegten atmosphäri-
schen Hülle erschöpft sich sein künstlerisches Streben.
Die sphärische Raumvertiefung ist malerisch voll-
kommen bewältigt, Farbe und Valeur entmateriali-
sieren die Körper und lassen uns nur die Reaktion
des Lichtes auf deren Oberfläche fühlen. Bei Hart-
Anton Mat£jöek Norbert Grund
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Ganz anders um 1700! Der Barockstil hat schon
eine einheitliche Form, in der alle Errungenschaften
des künstlerischen Ausdruckes der Zeit verschmolzen
sind. In Böhmen kommt dieser Stil mit einer Gene-
ration zum Vorscheine, die nicht mehr den Drang
hat, in das Ausland zu pilgern, um dort zu lernen.
Es sind Maler, die für ihrKunstschaffen einegenügende
Stütze in der einheimischen Tradition finden, und
wenn auch der Druck einer fremden Künstlerindivi-
dualität sich fiihlbar macht, wird doch ein solcher
schauung, aber die Unterschiede in der koloristischen
Auffassung sind doch sehr wesentliche. An einem
typischen böhmischen Landschafter, Johann Jakob
Hartmann (* um 1680, f nach 1738), der qualitativ der
beste Gestalter von Problemen seiner Zeit in Böhmen
war, können wir uns vergegenwärtigen, wie sich der
mächtige Strom der allgemeinen Stilentwicklung in
der lokalen Kunst widerspiegelt. Hartmanns Land-
schaften sind konstruiert, aber die Formwiedergabe
beweist, wie viele Ausdrucksmöglichkeiten das Kon-
Fig. 10 Norbert Grund: Dorfldrchweih. Prag, Rudolfinum
Einfluß organisch dem Inhalte der lokalen Kunst-
übung einverleibt. Der große Dekorateur Wenzel
Rainer kann als Beispiel hiefür gelten.
Für die Entwicklung des Norbert Grund sind
die böhmischen Landschafter der Barockzeit um 1700
von großer Bedeutung.
Die Tendenz, das Atmosphärische wirkungsvoll
wiederzugeben, unterdrückt das Gegenständliche. Die
Motive und Kompositionen werden noch immer bei
den Niederländern desXVII.Jhs. gesucht. Die böhmi-
schen Maler um 1700 haben wohl kaum einen spani-
schen Hafen, ein flaches Seeufer oder italienische
Ruinen gesehen. Ebensowenig entsprechen die
Schlacht- und Kirmeßszenen, die Raufereien und
Trinkgelage mit holländischem Einschlag direkter An-
ventionelle dem Maler geboten hat. Wir finden unter
seinen Bildern kaum zwei Landschaften, die sich
wiederholten oder deren koloristische Lösungen mit-
einander identisch wären. Die Komposition ist schab-
lonenhaft; den ersten Plan bilden kulissenartig auf-
gestellte Bäume und Felsen, auf die Rahmenseiten
gerückt, der zweite Plan ist schematisch zwischen
beide Kulissen eingekeilt. Aber in der Lösung des
koloristischen Problems, in der Transkription des
vibrierenden Lichtes und der bewegten atmosphäri-
schen Hülle erschöpft sich sein künstlerisches Streben.
Die sphärische Raumvertiefung ist malerisch voll-
kommen bewältigt, Farbe und Valeur entmateriali-
sieren die Körper und lassen uns nur die Reaktion
des Lichtes auf deren Oberfläche fühlen. Bei Hart-